MillernTon
·19. Januar 2025
MillernTon
·19. Januar 2025
Der FC St. Pauli holt Big Points in Heidenheim und darf sich auf die Schulter klopfen – für ein starkes Spiel und eine noch stärkere Reaktion auf die Niederlage in Bochum.(Titelfoto: Leonhard Simon/Getty Images/via OneFootball)
Vor dem eigentlichen Spielbericht die wichtigste Meldung: Wie der 1. FC Heidenheim erklärte, kam es kurz vor Anpfiff der Partie im Stadion zu einem medizinischen Notfall. Eine Person musste ins Krankenhaus abtransportiert werden, konnte aber leider nicht reanimiert werden.Wir möchten an dieser Stelle unser herzliches Beileid ausdrücken und wünschen den Angehörigen viel Kraft.
Wie erwartet gab es insgesamt drei Veränderungen in der Startelf des FC St. Pauli: Für Danel Sinani kam Johannes Eggestein in die Partie. James Sands ersetzte Carlo Boukhalfa im zentralen Mittelfeld und Noah Weißhaupt ersetzte Dapo Afolayan auf der linken offensiven Außenbahn. Besonders die ersten beiden genannten Wechsel sollten sich bezahlt machen.
Auch beim 1. FC Heidenheim gab es drei Wechsel in der Startelf: Für Niklas Dorsch kam Luca Kerber in die Partie. Rechtsverteidiger Omar Traore (Magen-Darm) blieb draußen, für ihn kam Marnon Busch ins Spiel. Und auch Paul Wanner stand nicht in der Startelf, für ihn kam Leo Scienza hinein. Heidenheim agierte in einem klaren und gewohnten 4-2-3-1, der FCSP im ebenfalls bekannten 3-4-3.
Aufstellung beim Spiel 1. FC Heidenheim gegen FC St. Pauli
HDH: Müller – Busch, Mainka, Gimber, Krätzig – Schöppner, Kerber – Conteh, Peringer, Scienza – Zivzivadze
FCSP: Vasilj – Wahl, Smith, Nemeth – Saliakas, Irvine, Sands, Treu – Guilavogui, Eggestein, Weißhaupt
Gewohnt ist man vom 1. FC Heidenheim nicht nur die Formation, sondern auch die Herangehensweise in der Arbeit gegen den Ball. Das Team agiert mit Mannorientierungen. Die Gegenspieler sollen in Zweikämpfe verwickelt werden, wenig Zeit für eigene Aktionen haben. Spiele gegen Heidenheim werden daher oft als besonders unangenehm empfunden. Die Spielweise des FCH tut den Gegnern weh, im wörtlichen und im übertragenden Sinne.
Die mannorientierte Spielweise der Heidenheimer wird oft so konsequent umgesetzt, dass sich für den Gegner Möglichkeiten ergeben. Im Hinspiel gelang es dem FC St. Pauli, die beiden Sechser des FCH aus dem Zentrum herauszuziehen und so Räume zu öffnen. Zwar war davon dieses Mal nichts zu sehen (weil der FCSP mit einer anderen Formation spielte – abgesehen von Philipp Treu, der dort zu Spielbeginn einige Male im Zentrum herumtanzte, was aber nicht die gewünschte Heidenheimer Reaktion hatte). Doch auch dieses Mal zeigte sich das Team sehr gut auf die Heidenheimer Spielweise vorbereitet – das Stichwort lautet hier „Steil-Klatsch“.
Im Ballbesitz spielte der FC St. Pauli ungewohnt oft einen langen Ball. Das ist eigentlich genau das, was die Heidenheimer mit ihrem mannorientierten Pressing erreichen wollten. Doch der FCSP tat dem Gegner damit keinen Gefallen, schlug die langen Pässe nicht aus Verlegenheit, sondern verfolgte einen ziemlich klaren Plan. Durch konsequentes Nachschieben des zentralen Mittelfelds konnten die langen Bälle nämlich gut aufgenommen werden. Entweder, die bessere Variante, wurde Johannes Eggestein per langem Flachpass (allerdings nicht so lang wie der hohe Ball) im Zehnerraum gesucht und ließ diesen mit einem Kontakt auf die nachrückenden Spieler klatschen ODER es wurde ein hoher Ball geschlagen, bei dem es dann darum ging, den zweiten Ball zu gewinnen (was ebenfalls durch die nachrückenden Spieler geschehen sollte).
Beide Varianten wurden immer wieder eingestreut, der FC St. Pauli legte sich auf keine fest. Das war auch gut so, weil besonders die Balance, der stete Wechsel beider Aufbaumöglichkeiten, dafür sorgte, dass der 1. FC Heidenheim auf beides vorbereitet sein musste. Blessin erklärte nach Abpfiff, bezogen auf diese langen Bälle: „Die Wahl der Varianten war heute einfach gut.“
Der FC St. Pauli zeigte sich also offensiv gut eingestellt auf den 1. FC Heidenheim, hatte Lösungen zur Hand. Zwar wurde der FCH damit nicht völlig auseinandergespielt, aber das ist auch nichts, was man vom FCSP erwarten sollte. Eigentlich alle Bundesligaclubs haben ihre liebe Mühe und Not gegen Heidenheim, da sollte man sich nicht vom Tabellenstand täuschen lassen und sowieso nicht erwarten, dass ausgerechnet der FC St. Pauli hier eine Ausnahme darstellt. Und wer weiß, vielleicht hätte man offensiv noch mehr gesehen vom FCSP, wenn man nicht bereits in der 25. Minute in Führung gegangen wäre.
In der Entstehung ging der Elfmeter-Situation ein langer Ball voraus, den zweiten Ball gewann der nachrückende James Sands. Über links wurde dann Johannes Eggestein gefunden, der sich an diesem Samstag extrem ballsicher und spielfreudig zeigte. Eggestein verlagerte auf rechts zu Manos Saliakas, der per Doppelpass mit Morgan Guilavogui den Weg in den Strafraum fand. Dort griff dann Frans Krätzig klar an seine Schulter und brachte ihn aus dem Tritt. Jegliche Diskussion darüber, ob man hier Elfmeter pfeifen sollte oder nicht, ist für mich komplett überflüssig. Hier auf den Punkt zu zeigen ist völlig unstrittig.Johannes Eggestein übernahm die Verantwortung und traf sicher zur Führung – nachdem der Angreifer gegen Stuttgart noch verschossen hatte, nun also das erste Standard-Tor des FC St. Pauli in dieser Saison.
Diese 1:0-Führung, sie war extrem wichtig für den FC St. Pauli. Sowieso sind Führungen in genau solchen Partien oft spielentscheidend. Das hat man gegen Bochum schmerzhaft erfahren müssen. Alexander Blessin erklärte nach Abpfiff: „Gerade bei solch engen Spielen ist es ja oft so: Wer 1:0 in Führung geht, der transportiert es dann bis zum Ende und das hat sich heute auch wieder gezeigt. Von daher war das ein Brustlöser, tat wahnsinnig gut. Vor allem, weil das Selbstvertrauen durch das Bochum-Spiel jetzt nicht so hoch war.“
Auch gegen den 1. FC Heidenheim war Morgan Guilavogui wieder extrem wichtig für den FC St. Pauli. Klar, auch deshalb, weil er das 2:0 erzielte, aber was der Offensivspieler gegen den Ball leistet, verdient viel mehr Lob und Aufmerksamkeit.
// (c) (Leonhard Simon/Getty Images/via OneFootball)
Zwar zeigte sich der FC St. Pauli auch vor der Führung bereits sehr stabil gegen den Ball, nach der Führung wurde das dann aber noch viel deutlicher. Denn nun musste Heidenheim mehr für das Spiel machen, wollte etwas druckvoller in der Offensive werden. Doch das schafften sie nicht, zu keinem Zeitpunkt des Spiels. Denn der FCSP zeigte gegen den Ball eine überragende Leistung, verdiente sich nicht nur den Sieg, sondern auch die Null und ließ Heidenheim spüren, was es bedeutet, gegen die zweitbeste Defensive der Bundesliga zu spielen.
Der 1. FC Heidenheim wollte eigentlich viel über die Außenbahnen agieren, erklärte Frank Schmidt später, dort kurzfristige Überzahl-Situationen erschaffen. Doch diesen Gefallen tat ihnen der FC St. Pauli nicht. Das Team von Cheftrainer Blessin agierte weniger mann-, sondern viel eher raumorientiert. Dabei ließ man sich selten aus seinem 5-2-3 herauslocken. Gerade das ballnahe Vorschieben der Außenverteidiger Treu und Saliakas, sowie die wachsame Spielweise der Doppelsechs waren hier entscheidend (zum überragenden Startelf-Debüt von James Sands (und zur Rückkehr von Eggestein) ist eine separate Veröffentlichung geplant).
Die Spielweise des FC St. Pauli bereitete Heidenheim große Probleme. Das Team von Frank Schmidt konnte zu keiner Zeit der Partie eine Druckphase entwickeln. Nach der FCSP-Führung kam erstmal lange Zeit gar nichts von Heidenheim, erst in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit gab es wieder einen Heidenheimer Torabschluss. Einige Minuten zuvor hatte Philipp Treu eine viel größere Gelegenheit, doch FCH-Torwart Kevin Müller stand gut beim Abschluss des linken Schienenspielers in der 33. Minute.
Am Spiel änderte sich auch nach Wiederanpfiff nichts. Heidenheim versuchte viel, aber fand überhaupt keinen Zugang ins letzte Spielfelddrittel. Erst in der 76. Spielminute gab es den ersten Torschuss der Heidenheimer, bei dem Nikola Vasilj eingreifen musste, der aber völlig ungefährlich war. Viel gefährlicher wurde nun eher der FC St. Pauli, weil Heidenheim in der Schlussviertelstunde alles nach vorne warf. Eggestein verpasste aus guter Position aber die frühzeitige Entscheidung (79.).
Zu diesem Zeitpunkt war James Sands schon nicht mehr auf dem Platz. Der defensive Mittelfeldspieler hatte sich bereits in der ersten Halbzeit eine Gelbe Karte abgeholt, für ein „taktisches Handspiel“. Als er nach etwas mehr als einer Stunde ein weiteres Foul beging, wurde es etwas eng, sodass er wenige Minuten später ausgewechselt wurde. Ebenfalls die Gelbe Karte sah Eric Smith – es war seine fünfte, er wird gegen Union Berlin gesperrt fehlen. Es ist der einzige Schluck Wasser, der dem FC St. Pauli nach dem Heidenheim-Spiel in den Wein geschüttet werden kann. Wie groß dieser Schluck ist, werden wir in den nächsten Tagen mal genau beleuchten.
Doch in der 87. Minute hätte all die bärenstarke Arbeit des FC St. Pauli einen herben Dämpfer erleiden können. Heidenheim nutzte einen Freistoß, um doch noch den vermeintlichen Ausgleich zu erzielen. Verdient? Sicher nicht, aber natürlich auch völlig egal. Die Stimmung in diesem Moment? Komplett im Keller. Aber als man die ersten Zeitlupen sah, wuchsen leise Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Treffers. Das Tor wurde ewig überprüft (Eggestein zur Wartezeit: „Da frisst es dich fast auf“), dann aber auf Abseits entschieden. Es dauerte wohl so lange, weil die Technik in Köln versagte. Dass Torschütze Breunig den Ball unbeabsichtigt mit der Hand über die Linie drückte (was bei der Torerzielung, ob Absicht oder nicht, verboten ist), hätte nach meinem Empfinden ebenfalls dazu führen sollen, dass der Treffer nicht zählt.
Das Spiel hatte dann aber noch einen Höhepunkt, der die Gefühlswelt komplett aus den Fugen riss. Wenige Sekunden nach Rücknahme des Ausgleichstreffers eroberte der FC St. Pauli einen zweiten Ball, der zum eingewechselten Afolayan gelangte. Dapo ließ zwei Gegenspieler locker und leicht stehen und fand mit seinem Querpass Guilavogui im Zentrum, der zur Entscheidung einschob. Wie das Team samt Cheftrainer direkt vor dem Gästeblock dann eskalierte, dürfte eines der Highlights der Saison sein.
Der FC St. Pauli gewinnt also beim 1. FC Heidenheim, zeigt eine überragende Reaktion auf die Enttäuschung gegen Bochum und holt damit ganz, ganz wichtige Punkte im Abstiegskampf. Zumindest für eine Nacht zog man in der Tabelle an Union Berlin vorbei, während Heidenheim mit 14 Punkten nun drei Zähler Rückstand auf Rang 15 hat. Dass nun ausgerechnet Union der kommende Gegner ist, zeigt, wie unfassbar wichtig die aktuelle Phase für den Saisonverlauf des FC St. Pauli ist und dass man jetzt keinen Deut nachlassen darf.Immer weiter vor!// Tim
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