126 Jahre VfL: Wie kreative und listige Ur-VfLer die Pionierjahre des Osnabrücker Fußballs erlebten | OneFootball

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VfL Osnabrück

·17. April 2025

126 Jahre VfL: Wie kreative und listige Ur-VfLer die Pionierjahre des Osnabrücker Fußballs erlebten

Artikelbild:126 Jahre VfL: Wie kreative und listige Ur-VfLer die Pionierjahre des Osnabrücker Fußballs erlebten

Nicht immer hatte der Fußball in unserer Gesellschaft den Stellenwert heutiger Tage – so mussten sich um die Wende zum 20. Jahrhundert viele Pioniere unseres Sports gegen Widerstände durchsetzen, so auch die Kicker vom FC Olympia von 1903.

Dass die Bande dieser frühen Osnabrücker Fußballvereine oft bis in eine Zeit weiterhielten, in der nach mehreren Verschmelzungen mit anderen Clubs schon lange der Name VfL Osnabrück auf der Fahne ihres Vereins stand, beweist die Festschrift des F. C. Olympia von 1903, die 1953 anlässlich der „50-jährigen Wiederkehr des Gründungstages“ herausgegeben wurde. Besonders reizvoll darin ist ein Auszug, in dem der Verfasser Carl Lilienthal auf die eigene Pionierzeit im Osnabrücker Fußball zurückschaut. Am heutigen Vereinsgeburtstag möchten wir Euch mit einem kleinen Exkurs in diese Zeit „entführen“.


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„Die erwähnten Schwierigkeiten, durch die das neugebaute Vereinsschiff Olympia hindurchzusteuern hatte, um sicheren Grund und Kurs für seine Fahrt in das seinerzeit vielgepriesene, aber auch heißumstrittene Land des Fußballsports zu gewinnen, war mancherlei Art. Der Fußballsport war kurz vor der Jahrhundertwende von England zu uns herüber gekommen. Er hatte anfangs einen kümmerlichen Start. Die von ihm heftig erfaßte Jugend raste beim Übungsspiel planlos einem aus alten Flicken und Fahrradreifen hergestellten „football“ oder einem noch schlechteren Ersatz nach, machte Straßen und öffentliche Plätze damit unsicher und zog sich das Mißfallen der Eltern und Hüter der öffentlichen Ordnung zu. Aber auch später, als die Vereine das Fußballspiel unter feste Regeln stellten und ordentliche Mannschaften bildeten, erfreute sich „König Fußball“ zunächst keiner besonderen Sympathie in der Öffentlichkeit. Die Spieler mussten sich mit Fußballbutjer und Fußballbengel titulieren lassen. Wie verknöchert die Ansichten über den Sport überhaupt waren, geht aus offenen Briefen bekannter Ärzte an die Redaktionen der Zeitungen und aus gehaltenen Vorträgen hervor. Jede Kraftleistung galt für eine todbringende Gefahr. Wenn auch nur ein Teil von dem, was die Kritiker dem Sportler von 1906 prophezeiten, eingetroffen wäre, so hätte keiner seine Sportszeit ohne Herzklaps überstanden. Den größten Widerstand gegen den Fußball leisteten, wie schon gesagt, die die Eltern und die Schulen. Die ersteren schimpften über zerfetzte Schuhsohlen ihrer Sprößlinge, die letzteren beklagten den durch den Sport hervorgerufenen Zerfall der Moral ihrer Zöglinge. Insbesondere verboten sie jede Teilnahme ihrer Schüler am Vereinswesen und Vereinssport. Viele Seminsaristen und Gymnasiasten, die in den ersten Mannschaften der Osnabrücker Vereine in den Gründerjahren hervorragendes Spiel lieferten, wissen noch heute darüber zu berichten, wie schwer sie es hatten, an den Übungs- und Wettkämpfen teilzunehmen und durch diese Teilnahme nicht ihr Studium und ihren künftigen Beruf zu gefährden. Wenn Bernhard Otten in seinem verdienstvollen Bericht in bezug auf diese Dinge meint, daß man die abgelegene Gaststätte Niederhaus als Vereinslokal deshalb gewählt hatte, um nicht Gefahr zu laufen, daß diese wichtige Versammlung durch Eingriffe der Eltern noch vor dem Gründungsbeschluß verhindert wurde, oder wenn er erwähnt, wie die jugendlichen Spieler nach Abbau des Spielplatzes auf dem Schölerberg und vollzogener Übung sich ins elterliche Haus „einschlichen“, um nicht den Hosenboden voll zu bekommen, so illustriert das treffsicher die schwierige Situation, die der Verein anfangs neben anderen Mühsalen zu überwinden hatte, um glücklich zu starten. Der Verfasser dieser Schrift erinnert sich, wie hart die eigenen Eltern sein Olympianertum bekämpften, welche List er anwandte, um sein Training und seine Teilnahme an auswärtigen Wettkämpfen zu ermöglichen und wie die jungen Freunde im Verein, die als Kommis mit 80 Mark Monatsgehalt durch ihren Spargroschen den Vereinsfinanzetat bestritten, ihm die Reisen zu den Kampfstätten bezahlten. So war die Ausrüstungsfrage eine der vordringlichsten Probleme, um deren Lösung der Verein sich zu bemühen hatte. Den ersten Fußball stiftete Heini Lietemeyer, der dabei von seinen Schwestern unterstützt wurde. Eine kurze Hose konnte jeder Spieler leicht beschaffen. Schwieriger war die Stiefelfrage zu klären. Wer die Eltern auf seiner Seite hatte, ließ sich unter die zweite Stiefelgarnitur nägelbeschlagene Sohlen bauen oder zu Weihnachten die später aufkommenden Fußballschuhe schenken. Wer die Eltern nicht auf seiner Seite hatte, mußte sich Stiefel auf gerade oder krumme Weise zu besorgen suchen. Ein wahres Genie „im Besorgen“ dieses wichtigen Utensils war Ferdinand Düttmann, der immer neue abgelegte Zugstiefel seines Vaters fand und den Mitspielern zur Verfügung stellte, wofür ihn sein Erzeuger scharf auf „den Zug“ bekommen und es bei ihm ordentlich gefunkt haben soll. Die Trikots, die dem Olympiaspieler die sportliche Haltung erleichtern und die repräsentative Note geben sollten, trugen auf weißem Stoff einen roten Stern und waren verhältnismäßig leicht zu beschaffen. Viele Spieler behalfen sich zuerst mit einem weißen Tageshemd, auf das sie das rote Abzeichen sticken ließen. Später, als die Vereinskasse gefüllter war, lieferte die Firma Steidel, Berlin, ein einheitliches Trikot nach dem angegebenen Muster. Die Beschaffung der Torstangen und Torlatten machte weniger Mühe. Um ihre Auf- und Abmontierung vor und nach dem Spiel sorgte der Zeugwart, der auch den Ball aufpumpen, zu entleeren und in Verwahrung zu nehmen hatte. Alle dieser Schwierigkeiten und Widerstände, die bei der Geburt von F. C. Olympia Pate standen und die seine Entwicklung hemmten, wurde die Gründergeneration dank der Frische ihres Vorsitzenden Heinz Borgelt und dank ihrer eigenen Einsatz- und Opferbereitschaft Herr. Das kann und muß bei dieser historischen Betrachtung lobend und dankbar festgestellt werden.“

Dieser historische Bericht sowie viele weitere Bilder, Berichte und Themen aus der Frühzeit des Osnabrücker Fußballs sind auch im gestern erschienenen Buch 125 Jahre VfL Osnabrück enthalten, das ab sofort im Fanshop des VfL, im Onlineshop sowie bei Bücher Wenner zum Preis von 49,99 EUR erhältlich ist. Der VfL wünscht allen Leserinnen und Lesern viel Spaß beim „Schmökern“.


Text: David Kreutzmann

Foto: Aus dem Nachlass von Friedel Hunecke (zeigt die einfachen Verhältnisse der Anfangsjahre des Fußballs)

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