90PLUS
·23. Dezember 2024
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·23. Dezember 2024
Eine wahrlich spektakuläre Hinrunde der 2. Bundesliga ist mit diesem Wochenende zu Ende gegangen. Keine andere Liga auf dem europäischen Kontinent ist vor allem in der Breite derart ausgeglichen. Höchste Zeit also, um auf die Tops und Flops der vergangenen 17 Spieltage zu blicken.
Schon seit mehreren Jahren wird immer wieder von der ungemeinen Ausgeglichenheit des deutschen Unterhauses gesprochen. Jeder könne jeden schlagen und man wisse nie, was am nächsten Wochenende passieren könne, so der Tenor. Doch noch viel mehr als die vorherigen Spielzeiten unterstreicht die aktuelle Saison, dass Aussagen dieser Art mehr als nur hohle Phrasen sind. Zwischen Platz eins und zehn liegen nur sieben Punkte, vor allem in den letzten Wochen wechselte die Tabellenführung quasi mit jedem Spieltag.
Spannung pur: Ob die 2. Bundesliga deswegen auch die viel zitierte „beste 2. Liga der Welt“ ist, steht auf einem anderen Blatt. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass es derzeit in wahrscheinlich keiner anderen Spielklasse derart spannend zu geht. Vor allem die Breite der Spitzengruppe ist es, mit der sich die 2. Liga von ihren Konkurrenten abhebt. Mehr als die Hälfte aller Teams befinden sich im Aufstiegskampf, was nach mittlerweile 17 Spieltagen schon lange nicht mehr als Momentaufnahme zu bezeichnen ist. Man kann momentan davon ausgehen, dass sieben bis acht Mannschaften bis zum bitteren Ende um den Einzug in die Bundesliga mitspielen werden.
Bestes Beispiel für die fast schon absurde Unberechenbarkeit dieser Liga: Der FC Schalke, lange das größte Sorgenkind und knietief im Abstiegskampf steckend, deklassierte in den vergangenen zwei Auswärtsspielen kurzerhand die zum jeweiligen Zeitpunkt an der Tabellenspitze stehenden Klubs aus Paderborn und Elversberg mit 4:2 respektive 4:1. Die beiden Vereine purzelten aus den Aufstiegsrängen und müssen in der Rückrunde einen neuen Anlauf auf die Pole Position wagen.
SV 07 Elversberg: Und dennoch ist insbesondere der SV 07 Elversberg ein klarer Gewinner dieser Hinrunde. Die Saarländer mussten im Sommer zahlreiche Leistungsträger ziehen lassen und galten vor ihrem verflixten zweiten Jahr neben den Aufsteigern als einer der größten Abstiegskandidaten. „Die Elv“ zeigte sich davon aber gänzlich unbeeindruckt, stand nach 16 Spieltagen sogar auf Tabellenplatz eins und kann im kommenden Aufstiegsrennen durchaus ein gewichtiges Wörtchen mitreden.
(Photo by Andreas Schlichter/Getty Images)
Trainer Horst Steffen lässt seine Mannschaft bedingungslos nach vorne spielen, von Underdog-Fußball ist in Elversberg auch gegen große Gegner weit und breit keine Spur. Ein 4:1-Auswärtssieg in Berlin und ein 4:2-Erfolg über den HSV stechen aus einer insgesamt überragenden Halbserie daher nochmal heraus. Hauptprotagonist des saarländischen Erfolgs: Fisnik Asslani. Der 22-jährige Stürmer begeistert mit zehn Toren und fünf Assists und zählt zu den aufregendsten Spielern der gesamten Liga.
Youngster-Power: Die 2. Bundesliga ist auch in dieser Spielzeit ein Sammelbecken für herausragende Talente. Nachdem sich im vergangenen Jahr Spieler wie Can Uzun oder Christos Tzolis hervortaten und für üppige Ablösesummen in höhere Spielklassen wechselten, scharen deren potenzielle Nachfolger bereits mit den Hufen. Neben Asslani glänzen unter anderem der Düsseldorfer Ísak Jóhannesson und der Nürnberger Stefanos Tzimas mit herausragenden Offensiv-Statistiken.
Auch der Aufstiegsfavorit FC Köln wird in Person von Tim Lemperle von einem Youngster geschultert. Aussagen von Geschäftsführer Christian Keller zufolge steht dessen ablösefreier Abgang zum Saisonende schon so gut wie fest – ein herber Schlag für den Effzeh. Trotz dessen wartet auf die Talentschmieden des Unterhauses auch im nächsten Sommer ein weiterer warmer Geldregen, wenn viele hervorragend ausgebildete Jung-Kicker in höhere Gefilde aufsteigen werden.
SSV Jahn Regensburg: Während fast alle Tabellenregionen der 2. Bundesliga hochumkämpft sind, ist das Licht im Keller bereits ziemlich dunkel. Der SSV Jahn Regensburg steht als Tabellenletzter vor dem erneuten Abstieg in die 3. Liga. Die Bayern spielten eine schwache Hinrunde und stehen mit nur elf Punkten auf Platz 18. Dass der Rückstand auf den Relegationsrang nicht noch größer ist, darf angesichts der zahlreichen Regensburger Nicht-Leistungen schon fast als glückliche Fügung bezeichnet werden.
Der Jahn erzielte in 17 Spielen mickrige neun Tore, fing sich im Gegenzug allerdings satte 39 Gegentreffer. Angesichts dieser Statistiken ist die eigene Punkteausbeute schon fast schmeichlerisch. Tiefpunkt der bisherigen Saison war zweifelsohne die krachende 3:8-Niederlage beim Lokalrivalen aus Nürnberg. Zwischenzeitlich blieb die Mannschaft von Andreas Patz, der im November von Joe Enochs übernahm, ganze 722 Minuten ohne eigenes Tor und stellte damit einen neuen Zweitliga-Negativrekord auf. Etwas Hoffnung macht der 2:1-Sieg über den SV Darmstadt am vergangenen Spieltag.
Die großen Mannschaften: Durch den Abstieg des 1. FC Köln gesellte sich vor Saisonbeginn ein weiterer der größten Vereine Deutschlands zu den Herthas, Hamburgs und Schalkes dieser Welt. Ihrer fast schon naturgemäßen Favoritenrolle wurden die Traditionsklubs in den letzten viereinhalb Monaten allerdings nur bedingt gerecht. Trotz des starken Schlussspurts steht S04 weiterhin nur sechs Punkte vor dem Relegationsrang.
(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)
Ebenfalls zu wünschen übrig ließ die Hertha, die zur Winterpause von einem ungenügenden zwölften Platz grüßt. Vor allem im heimischen Olympiastadion enttäuscht die Alte Dame regelmäßig auf ganzer Linie und holte aus acht Partien kümmerliche zwei Siege. Beim HSV fällt die Einordnung da schon schwerer. Die Hanseaten werden angesichts ihrer Punkteausbeute unzufrieden sein, befinden sich im Aufstiegsrennen dennoch in einer hervorragenden Situation. Und dennoch: Dass der HSV die schlechteste Hinrunde seiner mittlerweile sieben Jahre andauernden Zweitliga-Geschichte spielte, ist ein nicht zu leugnender Fakt.
Verletztensituation: Die aktuell im Weltfußball kursierende Verletzungsflut macht auch vor der 2. Bundesliga nicht Halt. Fast alle Mannschaften sind im Laufe der Hinrunde von teils heftigen Personalproblemen zurückgeworfen worden. Beim HSV sind es die Leistungsträger Robert Glatzel und Ludovit Reis, auf Seiten von Hertha fehlen unter anderem Jeremy Dudziak und Linus Gechter. Dazu verpasste Fan-Liebling Fabian Reese große Teile der Halbserie.
Eine solche Liste könnte man für sämtliche Mannschaften aufstellen, fast kein Klub kam sorgenlos durch die vergangenen Monate. Die heftige Inkonstanz vieler Top-Teams lässt sich zumindest teilweise auch mit ihren überbordenden Lazaretten begründen. Es bleibt daher nur zu hoffen, dass spätestens in der entscheidenden Saisonphase alle Stars zurück sind und der Ausgang dieser Saison nicht allzu sehr von Verletzungen beeinflusst wird.
(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)