Augenthaler über Beckenbauer: „Seine Aura hat jede Mannschaft verändert“ | OneFootball

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FC Bayern München

·13. März 2025

Augenthaler über Beckenbauer: „Seine Aura hat jede Mannschaft verändert“

Artikelbild:Augenthaler über Beckenbauer: „Seine Aura hat jede Mannschaft verändert“

Klaus Augenthaler wurde mit seinem letzten Länderspiel 1990 in Rom Weltmeister. Er wurde siebenmal Deutscher Meister mit dem FC Bayern, bestritt über 500 Pflichtspiele für den Rekordmeister. Das Tor des Jahrzehnts erzielte der heute 67-Jährige, als er Frankfurts Torwart Uli Stein aus über 50 Metern überwand. Beim „Beckenbauer Cup“ steht Augenthaler noch einmal für seinen FC Bayern im SAP Garden auf dem Feld. Im Interview erinnert sich „Auge“ an Franz Beckenbauer als Mitspieler, als Trainer, als Chef und als Präsident. Ein Gespräch über einen besonderen Menschen, einen großen Trainer und gemeinsame Zigaretten mit dem Kaiser.

Klaus Augenthaler im Interview

Herr Augenthaler, was ist die allererste Erinnerung, wenn Sie Franz Beckenbauer hören? „Da gibt’s ganz viele Erinnerungen. Die allererste ist das Finale gegen Atlético 1974 in Brüssel. Das habe ich im Vereinsheim meines FC Vilshofen geguckt. Ich bin ehrlich: Ich war damals kein Beckenbauer-Fan, ich war Fan von Borussia Dortmund, von Siggi Held – der hatte die gleiche Frisur wie ich. Drei Wochen später bekam ich aber mit zwei Mitspielern die Einladung zum Probetraining beim FC Bayern. Plötzlich stand ich auf dem Trainingsplatz mit all den Stars und eben auch mit Franz Beckenbauer. Den kannte ich nur aus der Sportschau. Das war ein Erlebnis, das vergisst man so schnell nicht mehr.“


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Weil Beckenbauer Sie gleich als jungen Spieler an die Hand nahm? „Nein, gar nicht, dafür waren andere da – ich war 17 Jahre alt, ich war vor allem ehrfürchtig. Werner Olk, der Ex-Kapitän und Co-Trainer, hat zu mir gesagt: Klaus, wenn du nicht Gas gibst und die Ellenbogen ausfährst, dann kannst du wieder nach Hause gehen. Das habe ich mir dann zu Herzen genommen – nicht, indem ich Franz Beckenbauer umgegrätscht hab, sondern den Jupp Kapellmann.“

Sie hatten kaum Kontakt zu Beckenbauer? „Das erste Mal war bei einem Freundschaftsspiel in Zürich. Da musste der Franz wegen Vereinbarungen mit irgendeinem Sponsor die vollen 90 Minuten durchspielen. Ich bin eine Viertelstunde vor Schluss eingewechselt worden und hab nur gesehen, wie er in meine Richtung abwinkt und sagt: ‚Jetzt kommt schon wieder so ein Blinder…‘ Ich war so verunsichert, dass ich gehofft habe, niemand gibt mir den Ball.“

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Sie hatten also eher Angst vor ihm, als sich etwas von ihm abzuschauen? „Abgeschaut hab ich mir wenig. Wobei: doch, seine beeindruckende Geduld bei Autogrammen. Wenn Schulferien waren, hatten wir 3.000 Zuschauer an der Säbener Straße. Er hat jedem Kind, jeder Frau, jedem Mann ein Autogramm gegeben – und seinen Namen dabei ganz ausgeschrieben: Franz Beckenbauer, das konnte man lesen. Heute, da geben die ja Unterschriften, die erkennt niemand mehr. Dann hat sich nach wenigen Jahren unser Weg getrennt…“

Beckenbauer ging nach New York, Sie blieben beim FC Bayern. „Er spielte dann mit Pelé zusammen, mit Carlos Alberto – lauter namhaften Spielern. Dann ging er noch nach Hamburg, da haben wir nochmal gegeneinander gespielt.“

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Gemeinsam gegen große Namen haben Sie aber auch gespielt: Im Finale von Rom gegen Argentinien und Diego Maradona zum Beispiel. „Vor dem Endspiel hat er uns dauerhaft stark geredet: ‚Das Spiel können wir gar nicht verlieren, weil wir besser sind als die Argentinier.‘ Er hat schon auch zum Guido Buchwald gesagt, dass er zuständig ist für den Diego. Und ich, ich sollte immer wieder aufpassen, weil man die Argentinier nicht 90 Minuten halten kann. Aber vor allem ging es immer darum, dass wir gar nicht verlieren können, weil wir ja soviel besser wären. Das war so überzeugend, dass wir das irgendwann alle auch geglaubt haben.“

Franz Beckenbauer hat in einem Interview mal erzählt, dass je mehr Druck von außen entstanden ist, desto ruhiger sei er geworden. „Ja. Auch als Co-Trainer ist mir das aufgefallen vor großen Spielen: Franz war total ruhig. Man hat ihm keinerlei Nervosität angemerkt. Das war halt Beckenbauer: ‚Was wollen die? Das Spiel gewinnen wir!‘ Und das hat er mit unglaublicher Überzeugung rübergebracht: Es gibt nur einen Sieger und das sind wir.“

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Die Öffentlichkeit hat ihn immer gutgelaunt erlebt, nie mürrisch. „Wir haben ihn schonmal anders erlebt.“

Ach so? „Im Achtelfinale gegen die Tschechoslowakei, als wir mit einem Mann mehr nur 1:0 gewonnen haben, hatten die nach einem Platzverweis plötzlich vier oder fünf riesige Torchancen. Danach hat der Franz in der Kabine wütend nach allem getreten, was ihm vor die Füße kam. Weil er eben ein Perfektionist war. Er konnte das nicht verstehen. Später hat er jeden einzeln in den Arm genommen, wieder aufgebaut und erzählt, dass jedem nunmal Fehler passieren.“

Beckenbauer ist zweimal beim FC Bayern als Interimstrainer eingesprungen, einmal für Trappatoni, einmal für Rehhagel. In beiden Mannschaften herrschte Unruhe, jedes Mal stand am Ende aber ein Titel. Wie hat er das gemacht? „Weil durch die Anwesenheit seiner Person sofort ein Ruck durch die Mannschaft gegangen ist. Er war eben die Ikone, er war der Kaiser. Jeder Spieler hat ihm geglaubt, was er erzählt hat. Allein der Name, die Ausstrahlung haben gereicht. Dabei hat er sich nie aufgespielt, er ist nie abgehoben. Stattdessen hat der Franz alle ermutigt, ihnen Selbstvertrauen geschenkt. Wie ‘90 in Rom. Das war das Entscheidende.“

War Beckenbauer schon immer so souverän – oder hat sich das erst entwickelt? „In Mexiko bei der WM 1986, da wohnten wir mitten in der Wüste in einer Hacienda zusammen mit der Presse. Mit der hat er sich regelmäßig angelegt, wobei er ihnen doch nur erklären wollte, warum er so und so spielt, warum der und der zum Einsatz kommt. Da ist er in das ein oder andere Fettnäpfchen getreten und hatte bald einen großen Groll auf die Medien. Als wir Spieler dann an einem freien Abend zu spät zurück auf den Zimmern waren, mussten wir am nächsten Morgen um 7 Uhr mit dem Berti Vogts zum Straftraining durch die Wüste rennen. Nur vier Jahre später in Mailand waren wir auch an einem Abend etwas zu spät – und sind wieder dem Trainerteam in die Arme gelaufen. ‚Seids ruhig‘, meinte der Franz diesmal aber nur, ‚trinkts mit uns noch a Bier.‘ Das war eine deutliche Entwicklung.“

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Auch mit der Presse konnte er sich später arrangieren, wurde zu einer wichtigen Medienfigur. „Er hatte ja alles erlebt als Spieler und als Trainer – das war ja nur logisch. Er war im Fernsehen auch sehr authentisch. Der Ausraster gegen die Tschechoslowakei – das war das Einzige in diese Richtung, was ich selbst als Co-Trainer unter ihm erlebt habe. Er hat sich auch bei Niederlagen immer vor seine Mannschaft gestellt, blieb immer souverän, war immer ruhig.“

Konnten Sie sich als Co-Trainer überhaupt entwickeln und entfalten – Beckenbauer war mit seiner Aura, mit seiner Persönlichkeit ja stets die prägende Figur? „Er hat mich immer einbezogen. Wir haben nach dem Vormittagstraining an der Säbener Straße Pizza kommen lassen und dann zwei Stunden mindestens an zwei Tagen in der Woche gemeinsam den Gegner analysiert. Er war froh, dass er jemanden hatte, mit dem er das diskutieren konnte – und da hieß es nie: Ich bin der Beckenbauer, wir machen das so und so, du stellst die Hütchen auf – nein, er hat zugehört, nachgefragt und ist auch auf meine Ideen eingegangen. Wir kannten uns ja gut über all die Jahre.“

„Einen Tag vor dem ersten Spiel klopft der Franz an meine Zimmertür...“

Er hat durchaus überraschend auf Sie gesetzt - schon bei der WM 1986… „In Mexiko spielten wir immer A-Mannschaft gegen B-Mannschaft, wir waren ja Wochen vor dem Turnier schon vor Ort zur Akklimatisierung. Meistens hat die B-Mannschaft gewonnen – wir konnten ja richtig Gas geben, weil wir wussten, die A-Mannschaft, das sind die, die anfangen. Einen Tag vor dem ersten Spiel gegen Uruguay klopft der Franz an meine Zimmertür und sagt mir, dass ich spiele. Das kam völlig überraschend für mich. Leider habe ich mich dann verletzt.“

Sie wollten daraufhin enttäuscht abreisen von diesem Turnier. „Das hat der Franz nicht zugelassen. Du gehörst zur Mannschaft, du bleibst da – wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen. Das war ihm immer am Wichtigsten, dieser Zusammenhalt.“

Haben Sie ihn in all den Jahren nochmal zu Rede gestellt, dass er Sie als 17-Jähriger als Blinden bezeichnet hatte? „Nein, unser Verhältnis war schnell sehr gut. Seine Nummer 5 sollte eigentlich der Georg Schwarzenbeck kriegen, der wollte aber Franz‘ Nummer nicht. Deshalb hab ich die bekommen, weil es war ja damals so: Trikots von Nummer eins bis elf – und die haben gespielt. Mir war das egal. Und wenn ich gespielt habe, dachte ich nicht daran: Oh, jetzt habe ich die Nummer vom Beckenbauer, sondern ich wollte einfach nur spielen. Später wurden wir zusammen Weltmeister. Das war eine wunderschöne Zeit. Er wusste, dass ich Raucher bin – ab und zu ist er gekommen: ‚Klaus, hast Du nicht eine Marlboro?‘ Dann haben wir zusammen geraucht. Das sind lauter so Bilder, die ich im Kopf habe, wenn ich an ihn denke.“

Wie eng war das Verhältnis dann? „Nach 1990 und einem Jahr, in dem ich unter ihm als Co-Trainer arbeiten durfte, war das Verhältnis sehr, sehr eng. Aber stets auch auf Fußball beschränkt. Er war nicht der Franz Beckenbauer, von dem alle gedacht haben, er ist dieser ‚Jetzt geht’s raus und spielts Fußball‘ – nein, er war unglaublich akribisch in seiner Arbeit. Bei Besprechungen wusstest du danach alles über deinen Gegenspieler, sogar, welche Augenfarbe der hat und welchen Bart er trägt. Was ihm zugefallen war darüber hinaus, das war seine Genialität im Fußball.“

Was bleibt Ihnen von Franz Beckenbauer? „Der Anruf von meinem Freund Andi Brehme, wie er mir sagt, dass der Franz gestorben ist, der hat mich sehr betroffen gemacht. Wir haben viel über Franz gesprochen dann. Da gingen mir all die Dinge durch den Kopf, die ich mit ihm erlebt habe: Das erste Mal Franz Beckenbauer live zu sehen beim Probetraining, dann mit Franz Beckenbauer erstmals in einem Kader zu stehen, meine ersten Bundesligaspiele mit ihm zu machen. Ja, das sind alles wirklich schöne Erinnerungen, die mir bleiben an den Franz.“

Hier gibt es alle Informationen zum Beckenbauer Cup:

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