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Paul Witte·16. Januar 2024
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Paul Witte·16. Januar 2024
Vor knapp 30 Jahren sah die Regelwelt des Fußball noch ganz anders aus: Stand es nach dem regulären Spiel unentschieden, wurde die Verlängerung sofort durch das Golden Goal entschieden. Unvergessen bleibt Oliver Bierhoffs Golden Goal im Finale der Europameisterschaft 1996.
Die Golden-Goal-Regel gibt es heute allerdings nicht mehr. Das ist auch gut so, denn beim Spiel zwischen Barbados und Grenada kam es aufgrund der Golden-Goal-Regel zu einem Kuriosum. Um in die K.o-Runde ein zu ziehen, musste Barbados beide Tore verteidigen. Bitte was?!
In der Karibikmeisterschaft von 1994 wurde vonseiten der FIFA ein Regelexperiment durchgeführt: Zur Verlängerung sollte es nicht nur in der K.o-Runde, sondern auch bereits in der Gruppenphase kommen. Außerdem wurde damals das Golden Goal doppelt gewertet, um Nachteile im Torverhältnis in der Gruppenphase auszugleichen.
In der Gruppenphase lag Grenada mit drei Punkten und einer Tordifferenz von +2 an der Tabellenspitze. Barbados hatte null Punkte und eine Tordifferenz von -1. Barbados musste also mit mindestens zwei Toren Unterschied gegen Grenada gewinnen, um sich für die Meisterschaftsrunde zu qualifizieren. Das wurde wegen der angepassten Golden-Goal-Regel ermöglicht, weshalb ein äußerst kurioses Spiel zustande kam.
Für den Kontext: Wenn das Golden Goal doppelt zählt und Barbados dieses in der Verlängerung erzielt, dann würde das Spiel 4:2 gewertet werden. Barbados hätte 3 Punkte und eine Differenz von +1. Grenada hätte eine schlechtere Tordifferenz. Folglich würde das 4:2 Barbados zum Gruppensieg reichen. Was nicht ausreichen würde, wäre eben ein 2:1 oder 3:2 für Barbados in der regulären Spielzeit. In diesem Falle wäre Grenada aufgrund des besseren Torverhältnisses in die Meisterschaftsrunde eingezogen.
Und so kam es zu „einem der seltsamsten Fußballspiele aller Zeiten“, wie es ‚The Guardian‘ am Ende betiteln sollte. Nach 83 Minuten führte Barbados gegen Grenada mit 2:1. Demnach war die Sache eindeutig: Barbados musste zunächst ein Eigentor erzielen, um mit einem Unentschieden in die Verlängerung zu kommen. Deshalb spielten sich die zwei barbadianischen Spieler, Verteidiger Austin Sealy und Torhüter Horace Stoute, kurze Pässe zu, bevor Sealy in der 87. Minute ein absichtliches Eigentor zum 2:2 schoss.
Ab der 87. Minute musste Barbados dann also beide Tore verteidigen, um ein grenadisches Tor oder Eigentor zu verhindern. Das ist besonders kurios, da es für Grenada scheinbar einfacher gewesen sein sollte, ein Eigentor zu erzielen. Barbados schaffte es, das Unentschieden zu halten und so ging es in die Verlängerung. Trevor Thorne erzielte dann das Golden Goal. Barbados gewann mit 4:2 und qualifizierte sich für die Meisterschaftsrunde.
Der Aufschrei war groß. „Ich fühle mich betrogen. Die Person, die diese Regeln erfunden hat, muss ein Kandidat fürs Irrenhaus sein. […] Unsere Spieler wussten nicht einmal, in welche Richtung sie angreifen mussten: unser Tor oder deren Tor. Ich habe noch nie so etwas gesehen. Im Fußball sollte man für den Sieg für die eigene Mannschaft Tore erzielen und nicht für den Gegner“, wütete Grenadas Trainer James Clarkson im Anschluss auf der Pressekonferenz gegenüber ‚Sports Law‘.
Zu diesem seltsamen Spiel kam es also nur, weil das Golden Goal doppelt gewertet wurde. Die originale Golden-Goal-Regel hätte diesen Nachteil nicht gehabt. Bewusst durch Eigentore ein Unentschieden herbeizuführen, um die Verlängerung zu erzwingen, dürfte nicht im Interesse eines sportlich fairen Fußballs sein.
Die Doppelt-Variante der Golden-Goal-Regel wurde insgesamt vier Mal in den Qualifikationsspielen der 1994er Karibik-Meisterschaften angewandt. Zu weiteren Anwendungen sollte es nach dem Vorfall zwischen Barbados und Grenada zum Glück nie wieder kommen.
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