90PLUS
·7. Mai 2024
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·7. Mai 2024
Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen. In dieser Aufgabe blicken wir auf die Meisterschaften von Sporting und der PSV Eindhoven, die vor allem für Peter Bosz besonders war, sowie auf einen Machtwechsel in Österreich.
Die Primeira Liga hat einen neuen Meister gefunden. Sporting feierte seinen 20. Meistertitel, und zwar auf der Couch. Am Samstag gab es einen souveränen 3:0-Heimerfolg über Portimonense, zu dem neben Torjäger Viktor Gyökeres auch Paulinho und Trincao Tore beisteuerten. Einen Tag später leistete sich Stadtrivale Benfica, der zumindest auf dem Papier letzte verbliebende Verfolger, einen weiteren Patzer auf fremden Platz. Gegen Famalicao (0:2) setzte es die bereits vierte Auswärtsniederlage, sodass die beiden führenden Lissabonner Klubs zwei Spieltage vor Schluss acht Punkte trennen und die Sporting-Fans am späten Sonntagabend die Straßen fluteten.
Die Sporting-Meisterschaft kommt keineswegs überraschend, obwohl Benfica unter Roger Schmidt im Vorjahr eine herausragende Saison spielte und gleich 13 Punkte vor Sporting lag. Die Leoes zogen die richtigen Schlüsse – und vertrauten vor allem weiter auf Trainer Rúben Amorim, der mit Angreifer Gyökeres ein entscheidendes Puzzleteil für das Offensivspiel hinzubekam. Sporting erzielte in den 32 Ligaspielen satte 92 Tore. Zum Vergleich: In der Spielzeit 2022/23 standen lediglich 71 Tore zu Buche. Gyökeres traf gleich 27-mal. Zudem legte er neunmal für einen Mitspieler auf.
Zum besten Vorlagengeber avancierte logischerweise bei der flügellästigen Ausrichtung von Amorim, einst als Profi übrigens bei Benfica aktiv, ein Außenspieler: Pedro Goncalves, der zudem auch noch elfmal einnetzte. Das fulminante Angriffsspiel brachte besonders in den Heimspielen den ersehnten Erfolg. Sporting gewann alle 16 Ligaspiele im Estádio José Alvalade mit einem höchst beeindruckenden Torverhältnis von 54:11. Darüber hinaus führt es mit 36 Punkten auch noch die Auswärtstabelle an. Gekrönt werden soll die jetzt schon herausragende Saison am 26. Mai: Dann steigt das Pokalfinale gegen den FC Porto, der im Ligabetrieb satte 18 Zähler Rückstand besitzt.
(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP via Getty Images)
Im Anschluss an das Pokalfinale dürften Zukunftsfragen im Vordergrund stehen. Coach Amorim traf sich erst jüngst mit West Ham United, das mit Julen Lopetegui einen neuen Trainer gefunden zu haben scheint, zu Gesprächen, wofür er sich anschließend öffentlich entschuldigte. Sein Name dürfte jedoch mit weiteren Klubs in Verbindung gebracht werden. Eine neue Herausforderung ist nach der zweiten Meisterschaft unter Amorims Leitung durchaus realistisch.
Ebenso könnte der erst im Sommer für rund 24 Millionen Euro aus Coventry verpflichtete Gyökeres weiterziehen. Sein bis 2028 laufender Vertrag beinhaltet eine Ausstiegsklausel von über 100 Millionen Euro. Der spielstarke Stürmer wird Sporting also definitiv viel Geld einbringen, allerdings auch kaum zu ersetzen sein. Angesprochen auf seine Zukunft sagte er: „Das ist Fußball, ich kann nichts versprechen. Ich bin wirklich gerne hier, aber im Fußball passiert alles sehr schnell und wir müssen uns anpassen.“ Gut möglich, dass der Schwede in der kommenden Saison in der Premier League auflaufen wird. Denn vor allem dort gibt es Vereine, die Ablösesumme und Gehalt stemmen können.
In den Niederlanden war frühzeitig abzusehen, wer die Meisterschaft gewinnen wird. Seit Sonntag besteht auch rechnerische Klarheit. Die PSV Eindhoven krönte eine überragende Eredivisie-Saison in gewohnt spektakulärer Weise. Ein 4:2-Erfolg über Sparta Rotterdam brachte die 25. Meisterschaft – und zugleich den ersten großen Titel für Peter Bosz, dem immer wieder – gerade während seiner Zeit in der Bundesliga – nachgesagt wurde zwar sehr unterhaltsamen, aber nicht immer gewinnbringenden Fußball spielen zu lassen.
Bosz wehrte sich auch nicht gegen dieses Vorurteil. So ließ er erst vor eineinhalb Woche nach dem 8:0 in Heerenveen – zugleich der höchste Saisonsieg – verlauten: „Ich bin viel glücklicher, dass wir so tollen Fußball spielen und die Leute unterhalten. Das ist für mich viel wichtiger und schöner als ein solcher Titel, auch wenn ich mich sehr darüber freue.“ In dieser Spielzeit kam alles zusammen. Denn von Beginn an griff die stets offensive Spielidee des erst im Juli 2023 installierten Trainers. Die PSV rollte durch die Eredivisie und gewann alle 17 Hinrundenspiele. Erst in der Rückserie leistete sich den ein oder anderen Ausrutscher. Das 1:3 in Nijmegen ließ zudem den Traum von einer ungeschlagenen Meisterschaft platzen.
Die Zahlen unterstreichen dennoch die Eindhovener Dominanz. So kann der niederländische Meister noch den Punkterekord von Ajax – aufgestellt in der Saison 1971/72, als noch ein gewisser Johan Cruyff gegen den Ball trat – einstellen. Zudem spricht das Torverhältnis Bände. Die PSV erzielte bereits unfassbare 107 Tore. Routinier Luuk de Jong netzte 27-mal ein. Nur zwei weitere Akteure trafen zweistellig, was wiederum die Ausgeglichenheit des Kaders unterstreicht.
Trotzdem musste sich der Meister nicht auf die Offensive verlassen. Denn er konnte auch auf eine sehr gute Defensive zurückgreifen, da der radikale Gegenpressing-Ansatz von Bosz ohne Anlaufzeit funktionierte. Schlussmann Walter Benítez musste lediglich 19-mal hinter sich greifen. In den verbleibenden zwei Ligaspielen soll gegen Sittard und Waalwijk nun der Punkterekord eingestellt werden. Vieles spricht dafür: Die Hinspiele gewann Eindhoven mit 3:1 bzw. 4:0.
(Photo by MAURICE VAN STEEN/ANP/AFP via Getty Images)
Gewohnheitsgemäß dürfte die PSV im Sommer manchen Stammspieler verlieren. So wird der Weg von Flügelspieler Johan Bakayoko wohl ins Ausland führen oder die Leihe von Malik Tillman enden. Doch die Achse der Meistermannschaft dürfte bestehen bleiben. Olivier Boscagli dürfte weiter das Kommando im Abwehrzentrum besitzen, der vor rund einem Jahr verpflichtete Jerdy Schouten und Joey Vermaan weiter die Fäden im Mittelfeld ziehen und de Jong, der auch noch satte 15 Treffer vorbereitete weiter auf Torejagd gehen.
Historisches bahnt sich in Österreich an. Erstmals seit 2013 könnte der Meister nicht Red Bull Salzburg heißen. Damals wurde der Konzernklub übrigens noch von Roger Schmidt trainiert und musste sich dem von Peter Stöger gelenkten Austria Wien geschlagen geben. Aktuell weilen die „Veilchen“ in der Abstiegsrunde und sind von der Meisterschaft meilenweit entfernt. Abgelöst werden die Salzburger vom SK Sturm Graz, der zuletzt zweimal Vizemeister war und sich Schritt für Schritt dem österreichischen Primus näherte.
Bei noch zwei ausstehenden Spieltagen besitzt der Traditionsklub aus der Steiermark vier Punkte Vorsprung und könnte schon am Sonntag mit einem Sieg beim formstarken LASK die Meisterschaft eintüten. Anders als im Vorjahr, wo Sturm im Saisonendspurt einbrach, legte es diesmal zu. Dabei schaute es noch am Osterwochenende nach dem üblichen Lauf der Dinge aus. Graz unterlag im eigenen Stadion Salzburg mit 0:1, startete aber beginnend mit dem spektakulären 4:3-Revanche im Pokalviertelfinale einen Lauf, der in der Bundesliga den Sprung an die Spitze brachte.
Das mit vierfach höheren Marktwert ausgestattete Red Bull Salzburg strauchelte nämlich und gewann nur eines von sechs Ligaspielen. Auch der Trainerwechsel von Gerhard Struber, der erst kurz vor Saisonbeginn für den nach Saudi-Arabien abgewanderten Matthias Jaissle einsprang, zu Onur Cinel verpuffte. Der vom FC Liefering beförderte, auch als Co-Trainer der österreichischen Nationalmannschaft fungierende Cinel gewann lediglich sein Auftaktspiel und blieb anschließend dreimal sieglos. Die 0:2-Niederlage bei Rapid Wien ließ die letzten realistischen Hoffnungen auf die Meisterschaft platzen.
Rapid Wien nahm in der laufenden Woche ein zentrale Rolle ein. Denn am 01. Mai stieg in Klagenfurt das ÖFB-Cup-Endspiel zwischen Rapid und Sturm Graz. Bei prächtiger Atmosphäre entwickelte sich eine intensiv geführte Begegnung, die Fußballerisch aber nur selten zu gefallen wusste. Der Spielverlauf hatte es aber in sich. Noch zur Pause führten die Wiener mit 1:0, ehe ein Eigentor von Leopold Querfeld die Partie kippen ließ. Neun Minuten vor Ende der regulären Spielzeit erzielte Tomi Horvat das 2:1-Siegtor für den SK Sturm, der zum zweiten Mal hintereinander den ÖFB-Cup gewann.
Das Double liegt also in Reichweite. Es ist der Lohn für die kontinuierliche Weiterentwicklung unter Christian Ilzer, der seit knapp vier Jahren die Rolle des Cheftrainers einnimmt und eine Mannschaft formte, die neben dem hohen Pressing auch das Spiel mit dem Ball beherrscht. Entscheidend zum Erfolg trugen die Transfers von Andreas Schicker, dem Geschäftsführer Sport, bei. Exemplarisch für seine Arbeit steht die Verpflichtung von Rasmus Hojlund, der noch 2022 das Trikot von Sturm Graz trug und inzwischen für Manchester United aufläuft.
Im vergangenen Sommer lieh der österreichische Tabellenführer unter anderem Keeper Kjell Scherpen (Brighton) oder Verteidiger Dimitri Lavalée (Mechelen), die eine eingespielte Mannschaft nochmals verstärkten. Trotz des sich anbahnenden Meistertitels werden Leistungsträger, wie der zum österreichischen Nationalspieler aufgestiegene Alexander Prass, den Verein aller Voraussicht nach verlassen. Doch angesichts von winkenden 25 Millionen Euro Antrittsprämie in der Champions League dürfte Schicker, der den Kader mit wesentlich geringerem Budget zusammenstellte, die richtigen Lösungen präsentieren – und womöglich bald selbst in einer größeren Liga auftauchen.
Die Tabellen der anderen Ligen:
Belgien: Jupiler Pro League
Schottland: Premiership
Schweiz: Super League
(Photo by OLAF KRAAK/ANP/AFP via Getty Images)