FC Bayern München
·3. März 2025
Das verschollene Wappen
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FC Bayern München
·3. März 2025
Das Markenzeichen des FC Bayern ist der rote Kreis mit den weiß-blauen Rauten. Doch das war nicht immer so. Im Laufe von 125 Jahren Clubgeschichte gab es immer wieder neue Wappen – jetzt ist das allererste aufgetaucht.
Noch immer bergen die Gründerjahre des FC Bayern Überraschungen und Geheimnisse. Erst kürzlich tauchte ein Hemd auf, das sich als das älteste noch erhaltene FCB-Trikot erwies (zum Bericht aus dem Mitgliedermagazin „51“); auch die Lokalisierung des ersten eigenen Fußballplatzes des Clubs an der Clemensstraße ist erst ein paar Jahre her; selbst die 17 Gründerväter des Vereins geben noch so manches Rätsel auf. Und jetzt machte man wieder eine Entdeckung: ein Wappen des FC Bayern, von dem man bisher nichts wusste.
Treffpunkt Allianz Arena. In einem Besprechungszimmer sitzen Alexa Gattinger und Dr. Michael Hellstern vom FC Bayern Museum mit Georg Mooshofer von der Kurt Landauer Stiftung zusammen. Auf dem Tisch vor ihnen sind allerhand historische Dokumente ausgebreitet: Fotos, Kneipzeitungen, Chroniken und einiges mehr. Gemeinsam geht man noch einmal alles durch. Welche Nachweise gibt es für das Wappen? Wie ist es zeitlich einzuordnen?
Interessantes Detail: Was trägt Kapitän Karl Köpplin (unten links) auf diesem Mannschaftsfoto des FC Bayern auf seiner Brust?
Mooshofer deutet auf ein Foto. Es stammt aus dem Münchner Stadtarchiv und zeigt die Mannschaft des FC Bayern im Jahr 1901. Entscheidend ist der Mann, der unten links auf dem Boden sitzt. Karl Köpplin, der Kapitän. Auf seinem Trikot sieht man etwas auf der Brust. „Dieses Foto hat mich zum ersten Mal stutzig gemacht“, erzählt Mooshofer. Details sind allerdings nur zu erahnen. Zu unscharf ist die Schwarz-Weiß-Aufnahme. Sieht man da ein Wappen mit den Buchstaben F, C und B? Was man ganz gewiss erkennt: Es ist keine weiß-blau gestreifte Fahne, die bislang als erstes Bayern-Wappen galt.
Georg Mooshofer legte seinen Fund Experten vor. Die tippten aber eher darauf, dass es sich um ein Wappen des FC Basel handelt. Denn Köpplin stammte aus Basel. „Ich fand diese Erklärung aber immer komisch“, meint Mooshofer. Warum sollte sich Köpplin als Bayern-Spieler ein Wappen des FC Basel auf die Brust heften? Obwohl die Initialen des FC Bayern und des FC Basel die gleichen sind, ließ diese Frage Mooshofer keine Ruhe. Es dauerte jedoch, bis wieder Schwung in die Sache kam.
Einige Zeit später entdeckte er auf einem Foto von der FCB-Reserve aus dem Jahr 1904 erneut eine Art Wappen auf der Brust des Kapitäns. Es ist noch verschwommener als das auf dem Foto von 1901. Aber eins war jetzt klar: Da es sich beim Kapitän der Reserve nicht um Köpplin handelt, ist die Erklärung mit dem FC Basel hinfällig. Jetzt wollte es Mooshofer genau wissen. Er bestellte beim Stadtarchiv einen hochauflösenden Scan des Fotos von 1901, und als er den Scan am Computer schließlich eingelesen und Köpplins Brust vergrößert hatte, pochte ihm das Herz bis zum Hals. „Ich saß da und war schweißgebadet“, erzählt er. Vor ihm auf dem Bildschirm sah er tatsächlich ein bisher unbekanntes Bayern-Wappen.
Elegant integriert: An zwei Stellen in der Kneipzeitung von 1902 finden sich Belege für das Wappen.
Die Vergrößerung zeigte nicht nur die Buchstaben F, C und B, sondern auch ein M für München. Alle Buchstaben sind kunstvoll miteinander verwoben, was auch in späteren Bayern-Wappen üblich war, und auf einem Schild angeordnet. Was man außerdem erkennt: Das Wappen ist mit einer Sicherheitsnadel befestigt, so konnte man es entfernen, wenn das Trikot in die Wäsche ging. Im FC Bayern Museum war man nicht schlecht überrascht, als Mooshofer seine Entdeckung präsentierte. Bei den Wappen sei es wie mit vielen anderen Dingen aus der Frühzeit des Vereins, erklärt Alexa Gattinger: „Es gibt nur sehr wenige schriftliche Quellen.“ Denn das Vereinsarchiv wurde 1944 bei einem Bombenangriff zerstört.
Aber ein paar Quellen gibt es doch – und tatsächlich lässt sich dort das Logo nachweisen. In der Kneipzeitung aus dem Jahr 1902, einer humoristischen Zeitung, die zum zweijährigen Clubjubiläum erschien, taucht es an zwei Stellen auf: als Schmuckelement in einer Überschrift sowie im Zentrum einer offenbar englischen Flagge (in dem zugehörigen Text geht es um die Entstehung des Fußballs in England). Für Alexa Gattinger und Michael Hellstern ist klar: Der hochauflösende Scan des Fotos von 1901 und die Kneipzeitung von 1902 belegen, dass das Wappen damals gebräuchlich war. Es ist also das erste Wappen des FC Bayern. Und es stammt offenbar von Karl Köpplin. Die Zeichnungen in der Kneipzeitung tragen nämlich die Signatur „CK“ für Carl Köpplin, sein Vorname wurde damals häufig auch mit C geschrieben.
Köpplin war gelernter Bautechniker und studierte in München Architektur. Er konnte also zeichnen. Auf dem Tisch in der Allianz Arena liegt eine Kopie seines polizeilichen Meldebogens aus dem Stadtarchiv. Von Oktober 1900 bis September 1902 war Köpplin in München. 1901 und 1902 taucht sein Name in Mannschaftsaufstellungen des FC Bayern auf, von Januar bis Oktober 1901 war er sogar Kapitän und gehörte damit der Vorstandschaft an. In den Kneipzeitungen von 1902 und 1903 wird Köpplin an mehreren Stellen erwähnt.
Bislang wurde angenommen, dass diese Fahne das erste Wappen des FC Bayern war.
Und was ist nun mit der weiß-blauen Fahne, die bisher als erstes Wappen galt? Überliefert ist sie als Zeichnung in der 25-Jahr-Chronik. Im Text heißt es: „Im Januar 1901 wurde dann ein von Köpplin vorgelegter Entwurf als erstes Klubzeichen des F.C. Bayern angenommen. Dieses Zeichen lehnte sich stark an die Abzeichen der damals führenden mitteleuropäischen Vereine wie D.F.C. Prag an.“ War damit die Fahne gemeint? Oder das jetzt wiederentdeckte Wappen? Fakt ist, dass der FC Bayern am 9. Dezember 1900 zum ersten Mal ein Spiel im Ausland bestritt, beim Deutschen Fußball-Club Prag, damals ein Top-Team in Europa. Das 0:8 ging als erste Niederlage in die Clubgeschichte ein – aber was an dieser Stelle entscheidend ist: Der D.F.C. hatte damals (und auch heute) ein Schildwappen, in dem die Initialen des Clubs miteinander verwoben sind. Die Ähnlichkeit zum Wappen auf Köpplins Brust ist unübersehbar. Und auch das Fahnenwappen des FC Bayern ähnelt einer weiß-blau gestreiften Fahne des D.F.C. Prag.
War das Fahnenwappen eine Weiterentwicklung des ursprünglichen Schildwappens? Und wie lange war Köpplins Entwurf in Gebrauch? Offenbar nur kurz. Laut 25-Jahr-Chronik befriedigte es „den Geschmack der Allgemeinheit“ nicht und musste bald einem Wappen weichen, das aus der Feder von FCB-Torwart und Kunstmaler Otto Naegele stammte. Dessen Entwurf zeigte ebenfalls die Initialen des FC Bayern München, irgendwann 1902 soll es aufgetaucht sein. Aber warum sieht man Köpplins Logo 1904 auf einem Trikot der Reservemannschaft noch mal? Und wann ist ein Wappen überhaupt ein Wappen? Es bleiben Fragen offen. Die Entdeckung von Georg Mooshofer zeigt wieder einmal: Die Frühgeschichte des FC Bayern ist noch lange nicht auserzählt.
Der Text erschien im Mitgliedermagazin 51.
Besonderer Trikotfund aus den Gründungsjahren des FC Bayern:
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