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Rund um den Brustring

·31. März 2025

Der Bock steht noch

Artikelbild:Der Bock steht noch

Der VfB kann an die gute Leis­tung in Lever­ku­sen nicht anknüp­fen und ver­liert nicht nur das Spiel in Frank­furt, son­dern auch immer mehr den Anschluss nach oben. Das logi­sche Ziel Euro­pa­po­kal soll jetzt am Mitt­woch über das zum “Spiel des Jah­res” erko­re­nen Pokal-Halb­fi­na­le erreicht wer­den.

Dass sei­ne Mann­schaft “den Bock umsto­ßen” wol­le und müs­se gehört seit Neu­es­tem zum Sprach­ge­brauch von Sebas­ti­an Hoe­neß und dass er zu die­sem, wie er sel­ber fin­det, abge­dro­sche­nen Bild greift, ver­deut­licht, in wel­cher Posi­ti­on sich der VfB aktu­ell befin­det. Vor dem Sams­tag­abend-Spiel zeig­te die erschre­cken­de Bilanz  nur einen Sieg aus den letz­ten acht Spie­len, nach Abpfiff der Par­tie in Frank­furt war aus der Acht eine Neun gewor­den und die Mann­schaft mit dem Brust­ring in der Rück­run­den­ta­bel­le auf den dritt­letz­ten Platz abge­stürzt. Es gilt zwar wei­ter­hin das Bon­mot Otto Barics, dass der VfB zeit­lich mit dem “Frieh­ling” in Schwung kommt, das muss man aber aller mäßi­gen Tem­pe­ra­turenz zum Trotz mitt­ler­wei­le see­ehr weit aus­le­gen. Nach den ent­täu­schen­den Ergeb­nis­sen im Febru­ar mit Heim-Nie­der­la­gen gegen Mön­chen­glad­bach und Wolfs­burg sowie dem pein­li­chen Unent­schie­den in Hof­fen­heim war die Devi­se für den März, die Top­spie­le gegen Mün­chen und Lever­ku­sen sowie in Frank­furt mög­lichst unbe­scha­det zu über­ste­hen und min­des­tens in Kiel drei­fach zu punk­ten. Jetzt haben wir im April genau zwei Punk­te mehr als Mit­te Febru­ar.


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Dabei hat­te der Trai­ner zuletzt immer­hin einen spie­le­ri­schen Fort­schritt sei­ner Mann­schaft beschwo­ren und dabei ledig­lich die ers­te Hälf­te in Kiel aus­ge­klam­mert. Und er hat­te ja nicht unrecht. Gegen Lever­ku­sen mach­te der VfB über sehr wei­te Stre­cken ein sehr gutes Spiel, bevor er gegen Ende kom­plett die Kon­trol­le ver­lor. Die ein­hel­li­ge Mei­nung: Wenn wir so in Frank­furt auf­tre­ten, holen wir auch dort etwas. Aber in Bad Cannstatt ist man lei­der momen­tan voll im Retro-Modus, wenn auch in etwas ent­spann­te­ren Tabel­len­si­tua­tio­nen. Nicht nur, dass man jede Woche eine neue Metho­de fin­det, um den eige­nen Anhang zu quä­len, nein der VfB hat auch die Schau­fens­ter-Spie­le wie­der für sich ent­deckt: Gegen den amtie­ren­den Dou­ble-Sie­ger und Tabel­len­zwei­ten warf man alles rein und hät­te einen Sieg ver­dient gehabt, zwei Wochen spä­ter ließ man die­se Inten­si­tät wie­der ver­mis­sen und ging das Spiel in Frank­furt ängst­lich und umständ­lich an — und war am Ende mit dem 0:1 noch gut bedient.

Die Angst vor dem Fehler

Und das hat­te nicht nur mit dem nächs­ten Platz­ver­weis, dem zwei­ten in den letz­ten drei Spie­len, von Ameen Al-Dak­hil zu tun. Gan­ze zwei Schüs­se muss­te Ein­tracht-Kee­per Kaua San­tos parie­ren, wenn man die­se so nen­nen will: Jamie Lewe­ling spiel­te in der frü­hen, kur­zen Drang­pha­se des VfB einen hal­ben Rück­pass auf den kur­zen Pfos­ten und Ata­kan Kara­zor ver­such­te es nach 22 Minu­ten mit einem zen­tra­le Drop­kick. Jeg­li­che wei­te­re Angriffs­be­mü­hun­gen ver­san­de­ten in end­lo­sen Quer- und Rück­päs­sen oder zu zöger­li­chen Abschlüs­sen, die geblockt wur­den — und auch das waren nur sechs an der Zahl. Der Mann­schaft war die Angst vor dem Feh­ler und das Ver­lan­gen nach Sicher­heit anzu­mer­ken und genau dadurch ent­stan­den die Feh­ler. Fast jede Ecke wur­de kurz gespielt und nahe­zu jede Ecke aus dem Halb­feld geschla­gen. Nicht bes­ser sah es vor dem eige­nen Tor aus: Immer wie­der bra­chen die Frank­fur­ter durch, beim hoch­ver­dien­ten Sieg­tref­fer von Mario Göt­ze stürm­ten nach jedem Pass gleich drei VfB-Spie­ler auf den Ball zu — und kamen natür­lich zu spät.

Dass am Ende noch Maxi Mit­tel­städt und Ange­lo Stil­ler ihre fünf­te gel­be Kar­te sahen und damit neben Al-Dak­hil in Bochum feh­len, pass­te dann zu die­sem erneut gebrauch­ten Spiel­tag. Und auch wenn der Ärger berech­tigt gewe­sen sein mag: Dass ein Krea­tiv­spie­ler wie Enzo Mil­lot mitt­ler­wei­le die meis­ten gel­ben Kar­ten in der Mann­schaft hat und fast alle für Meckern gezeigt bekam, ist kein gutes Zei­chen. Viel schlim­mer wiegt aber der kol­lek­ti­ve Leis­tungs- und Span­nungs­ab­fall nach dem Spiel in Lever­ku­sen. Nie­mand erwar­tet, dass man die Frank­fur­ter, die ihre über­ra­gen­de Sai­son wohl mit der Teil­nah­me an der Cham­pi­ons League beloh­nen wer­den, an die Wand spielt. Aber der VfB war auch weit davon ent­fernt, alles in sei­ner Macht ste­hen­de zu tun, um die­ses Spiel zu gewin­nen. Füh­rungs­spie­ler und Leis­tungs­trä­ger wie Enzo Mil­lot, Deniz Undav, Ange­lo Stil­ler, Alxe­an­der Nübel oder Ata­kan Kara­zor blie­ben erneut blass bezie­hungs­wei­se lie­fer­ten beschei­de­ne Leis­tun­gen ab. Und noch­mal: Wenn dein Ziel der Klas­sen­er­halt oder das gesi­cher­te Mit­tel­feld ist, dann ist in Frank­furt eben nicht mehr drin. Aber die­se Mann­schaft und ihre sport­li­che Füh­rung hat höhe­re Zie­le und muss sie ange­sichts der Inves­ti­tio­nen in Ablö­sen und Gehäl­ter auch haben — mal abge­se­hen von der Tat­sa­che, dass man Ende Janu­ar noch auf Platz 4 stand.

“Das Spiel des Jahres”

Die­ses Ziel — die Teil­nah­me am Euro­pa­po­kal, egal wel­chem — kann man natür­lich auch über den DFB-Pokal errei­chen, und so schwenk­te die Kom­mu­ni­ka­ti­on nach der Aus­wärts­nie­der­la­ge am Main schnell dar­auf um, die Köp­fe frei­zu­be­kom­men für “das Spiel des Jah­res”. Es geht natür­lich um das Halb­fi­na­le am Mitt­woch gegen Leip­zig, die natür­lich, um dem Gan­zen die Kro­ne auf­zu­set­zen, mit neu­em Trai­ner antre­ten wer­den. Es ist aller­dings nicht das ers­te Spiel des Jah­res in die­sem Jahr. Schon im Janu­ar hyp­te sich der gan­ze Ver­ein für das End­spiel in der Cham­pi­ons League-Liga­pha­se gegen Paris St. Ger­main und nahm dabei  — mich ein­ge­schlos­sen — die mitt­ler­wei­le pro­phe­ti­sche Nie­der­la­ge in Mainz als Betriebs­un­fall hin. Natür­lich ist es sinn­voll, der Mann­schaft die Wich­tig­keit die­ses Halb­fi­na­les vor Augen zu füh­ren — eine sol­che Hal­tung hät­te ich mir aber in Spie­len mit weni­ger Gla­mour erwar­tet: In Kiel, in Hof­fen­heim, und so wei­ter. Nach der Klat­sche gegen PSG ver­lor der VfB auch direkt danach gegen Glad­bach, die men­ta­len Nach­wir­kun­gen des Spiels zogen sich durch den gan­zen Febru­ar. Das kön­nen wir uns jetzt nicht mehr erlau­ben.

Die­ser erneu­te Rück­fall in eine Mischung aus Ängst­lich­keit und Fahr­läs­sig­keit lässt mich nicht beson­ders opti­mis­tisch auf den Mitt­woch bli­cken. Immer­hin wäre mit dem Final­ein­zug die Euro­pa­po­kal-Teil­nah­me noch nicht sicher — anders als 2013, als man sich eine durch­wach­se­ne Sai­son mit dem 2:3 in Ber­lin schön­re­de­te. Egal ob man jetzt den Kopf frei­ma­chen, den Schal­ter umle­gen oder den Bock umsto­ßen will: Die Mann­schaft muss den vie­len Wor­ten der ver­gan­ge­nen Wochen, die ziem­lich oft “ler­nen” hie­ßen, end­lich Taten fol­gen las­sen. Ein Sai­son­ende im Tabel­len­mit­tel­feld ohne Pokal­fi­na­le wäre zwar am Maß­stab der letz­ten zehn Jah­re in Ord­nung — aber wir hat­ten auch zehn Jah­re lang nicht mehr eine Mann­schaft mit die­sem Poten­zi­al. Es nur zu haben, reicht aber nicht.

Zum Wei­ter­le­sen: Der Ver­ti­kal­pass kon­sta­tiert: “Der VfB läuft Gefahr, viel von dem zu ver­lie­ren, was er sich in der letz­ten Sai­son auf­ge­baut hat. Das ist beson­ders ärger­lich, weil man den Ein­druck hat, das Team hat das Poten­ti­al, es deut­lich bes­ser zu kön­nen, gera­de beim Start in die­ses Jahr haben wir es gese­hen.”

Titel­bild: © Alex Grimm/Getty Images

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