90PLUS
·1. April 2022
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·1. April 2022
Spotlight | In dieser Ausgabe unserer Serie „Deutsche Exportschlager“ werfen wir einen Blick auf einen Legionär und zwei in Deutschland etwas unbeschriebenere Talente. Nick Bätzner und Frederik Jäkel versuchen ihr Glück in Belgien, Vitaly Janelt mischt als Sechser die Premier League auf.
Nur ein kleiner Prozentsatz der vielen talentierten Jugendkicker Deutschlands schafft es, sich nachhaltig bei den Profis durchzusetzen. Vitaly Janelt (23) hat es bereits geschafft und dürfte damit den meisten Fußball-Fans und Kennern ein Begriff sein. Bei Nick Bätzner (22) und Frederik Jäkel (21) könnte das (noch) anders aussehen. Das junge Duo geht aktuell seine ersten erfolgreichen Schritte im Herrenbereich beim belgischen Klub KV Oostende. Währenddessen hat Janelt bereits eine turbulente Zeit in Deutschland hinter sich und wagte im Sommer 2021 den Schritt in die große englische Premier League.
„Mein persönliches Ziel ist es, Bundesliga-Profi zu werden“, sagte einst ein 15-jähriger Bätzner, damals noch im Trikot und der Jugend des VfB Stuttgart unterwegs. Auch einen Titel setzte er sich damals zum Ziel, den er wenig später sogar mit der U19 des VfB gewinnen sollte. Bätzner kam mit 12 Jahren zu den Schwaben und durchlief in der Folge alle Jugendmannschaften des aktuellen Bundesligisten. Der Höhepunkt war 2018/2019 der Triumph im DFB-Pokalfinale der Junioren gegen die U19 von RB Leipzig. „Das war mein bisher bester Moment meiner Karriere“, sagte Bätzner über den Titelgewinn in einem Interview mit seinem aktuellen Klub Oostende. „Es war eine tolle Erfahrung und ein wunderbares Gefühl.“
Der Durchbruch bei den Profis blieb ihm allerdings verwährt. „Das Jahr war überragend und ich hatte mir Hoffnungen gemacht, dass ich mit den Profis ins Trainingslager darf, um mich zu zeigen. Das war leider nicht der Fall“, erinnerte sich Bätzner in einem Interview mit SWR Sport. Der VfB hatte offensichtlich andere Pläne. Für Bätzners Position wurden mit Philipp Förster (27) und Philipp Klement (29) zwei gestandene Profis mit Zweitligaerfahrung verpflichtet.
Im Prinzip durchaus nachvollziehbar, war der VfB doch gerade in die 2. Bundesliga abgestiegen. Statt in der zweiten Reihe aber auf die eigene Jugend zu setzen, wurde unter anderem ein Mateo Klimowicz (21) verpflichtet. „Ich bekam natürlich mit, dass für die eigene Position Jungs im selben Alter geholt wurden“, sagte Bätzner. „Da macht man sich Gedanken und fragt sich: Warum?“ Denn bei den Junioren zählte er zum Stammpersonal.
Statt zu den Profis verschlug es den Rechtsfuß also zunächst in die Zweitvertretung der Schwaben. Dort wusste er durchaus zu überzeugen, steuerte in 25 Einsätzen 15 Torbeteiligungen bei (fünf Treffer, zehn Vorlagen). Da er aber keine langfristige Perspektive sah, entschied er sich für einen Wechsel. Zugute kam ihm dabei das bereits angesprochene Pokalfinale von 2019. Denn Alexander Blessin (48), damals Coach der U19 RB Leipzigs, trat im Sommer 2020 seinen neuen Trainerjob bei KV Oostende an und war noch auf der Suche nach einem passenden Mittelfeldspieler. Dabei schien er sich offensichtlich an Bätzner erinnert zu haben. Für den Mittelfeldakteur war es ein großer Schritt aus der Reserve zu den Profis.
Photo: JOHN THYS/BELGA MAG/AFP via Getty Images/Imago
Das spiegelte sich zu Beginn auch in den Einsatzzeiten wider. Entweder kam Bätzner nicht zum Einsatz oder aber nur wenige Minuten. In der zweiten Saisonhälfte foglte dann der Durchbruch und er absolvierte jede Partie, viele auch über fast die gesamte Spieldauer. Für den Verein war es eine traumhafte Saison. Die junge Mannschaft schwang sich zum Überraschungsteam auf und verpasste nur knapp die Qualifikation für die Europa Conference League. Darum wurde der Trainer auch zum „Trainer des Jahres“ in Belgien gekürt.
Bätzner kam unter Blessin vorwiegend auf der Sechs oder den Flügelpositinen zum Einsatz und ist grundsätzlich auf allen Positionen in der zentrale des Mittelfelds zu Hause.Während er in der Jugend eher offensiv agierte, hat sich der 1,70 Meter große Rechtsfuß bei Oostende vor allem defensiv weiterentwickelt. Seine Leistungen wurden im Oktober 2021 mit der Nominierung für die deutsche U21-Nationalmannschaft belohnt. In der EM-Qualifikation kam Bätzner sowohl gegen Ungarn als auch gegen Israel auf seine Minuten und das sogar auf seiner „Lieblings-Position“ der Zehn. Vorbild und deutscher Lieblingsspieler war schon immer Mesut Özil (33). „Als er in seiner besten Zeit war. Ich mochte die Art und Weise seines Spielstils“, sagte Bätzner.
Während es für ihn persönlich gut läuft, gilt selbiges nicht für seinen Verein. Wie es scheint, hat die Mannschaft in der vergangenen Spielzeit überperformed. Wenngleich sich Bätzner zwar als absoluter Stammspieler etablieren konnte, rangiert die Mannschaft momentan nur auf dem 14. Platz. Nach dem momentanen Stand hat Oostende weder etwas mit dem Abstieg noch mit den Playoffs um Meisterschaft oder internationale Startplätze zu tun. Erschwerend kommt auch der Abgang von Blessin hinzu, der im Januar den Trainerposten beim CFC Genua in Italien antrat. Sollte Bätzner sich weiter so entwickeln, wie er es aktuell tut, steht seinem vor sieben Jahren formulierten Ziel nicht mehr viel im Weg. Vor allem für Zweitligisten mit Aufstiegsambitionen wäre Bätzner wohl interessant.
Frederik Jäkel, den Bätzner aus Jugend-Duellen noch gut kennen dürfte, versucht sich ebenfalls für höhere Aufgaben zu empfehlen. Der Innenverteidiger zog damals, zusammen mit Blessin, im DFB-Pokalfinal gegen Bätzner den Kürzeren. Jetzt sind sie Teamkollegen und ziehen am selben Strang. Auch Jäkel ging im Sommer 2020 den Schritt nach Belgien, mit dem klaren Ziel, sich für seinen Stammklub RB Leipzig zu empfehlen. Damals wurde mit Oostende eine zweijährige Leihe bis 2022 vereinbart. Und genau wie bei Bätzner folgte im Oktober 2021 die erste Nominierung für die U21-Auswahl. Die Stärken des Abwehrhünen liegen in der Zweikampfführung. „Ich bin groß und habe meine Stärken im Eins-gegen-Eins“, sagte Jäkel über sich selbst.
Ex-Coach Blessin hält große Stücke auf den 21-Jährigen. Die beiden kennen sich seit fast sieben Jahren. „Ich habe mich damals auch wegen ihm für KVO entschieden“, sagte Jäkel. Sein ehemaliger Coach ist von dessen Qualitäten überzeugt. „Es ist ein weiter Weg, aber ich bin weiß, dass er das Potenzial hat. Die Frage ist nur, wann er diesen nächsten Schritt macht“, sagte Blessin in einem Interview mit rblive. „Es ist wichtig, dass er auf hohem Niveau spielt und nicht auf der Bank sitzt.“
Photo: KURT DESPLENTER/BELGA MAG/AFP via Getty Images/Imago
Der Start in Oostende 2020/2021 verlief eher schleppend, eine Rückenverletzung bremste den Rechtsfuß für mehrere Wochen aus. Einmal auskuriert, stand Jäkel in fast jeder Partie über 90 Minuten auf dem Rasen. In der Folgesaison etablierte er sich wie sein deutscher Teamkollege in der Startelf und feierte sogar sein Tordebüt. Mit seinem Kopfballtor gegen Favorit KRC Genk markierte er den wichtigen 4:3-Siegtreffer.
„Ich weiß, dass ich in allen Belangen noch viel, viel Potenzial habe. Daran arbeite ich jeden Tag“, sagte Jäkel im Interview mit rblive. Vor allem charakterlich habe er sich weiterentwickelt: „Wenn es im Spiel zur Sache geht, versuche ich, meine Mitspieler mit Kommandos zu unterstützen, sie positiv zu coachen. Das gibt ihnen ein gutes Gefühl, wenn jemand, der das Spiel von hinten aus gut im Blick hat, pusht und auch verbal hilft.“ Für ihn persönlich sei das Leihgeschäft bislang ein voller Erfolg gewesen. „Ich habe mich hier in allen Punkten gesteigert – defensives Zweikampfverhalten, Eins-gegen-Eins, Spielaufbau, offensiver Kopfball“, erklärte er. „Für mich war es der perfekte Schritt. Ich bin sehr zufrieden.“
Eine Rückkehr zu Leipzig bleibt bislang noch offen. Momentan ist die Konkurrenz zumindest in puncto Innenverteidigung sehr hoch. „Ich will mich für RB präsentieren, aber auch für andere Vereine“, sagte Jäkel. Dass bereits andere Spieler Belgien als Sprungbrett in die Bundesliga nutzen konnten, weiß der gebürtige Sachse: „Lukas Nmecha (jetzt VfL Wolfsburg) oder Niklas Dorsch (jetzt FC Augsburg) haben es ja vorgemacht.“ Eine Rückkehr zu Leipzig könne er sich nur vorstellen, wenn die Perspektive gut genug sei. „Wenn das gegeben ist, sage ich natürlich nicht ,Nein’ zu RB. Ich bin seit der U13 im Verein, komme aus der Umgebung. Ich würde mich extrem freuen, wenn es mit RB klappt“, verriet er. „Ich halte mir alles offen.“
Innerhalb von zwei Jahren aus der 2. Bundesliga in die Premier League: Im Gegensatz zu seinen zwei Kollegen hat es Vitaly Janelt bereits geschafft. Der gebürtige Hamburger spielt momentan beim FC Brentford, konnte seinen Marktwert mit starken Leistungen um das Vielfache steigern. Zum Zeitpunkt seines Wechsels vom VfL Bochum auf die Insel lag der Martktwert bei 600.000 Euro, mittlerweile sind es ganze zwölf Millionen. Diese Marktwertsteigerung kommt nicht von ungefähr. Schon in Deutschland wusste der Sechser zu überzeugen. Allerdings suchte er im Sommer 2020 eine neue Herausforderung, schloss sich damals dem Zweitligisten Brentford an. Während Bochum den Aufstieg in die Bundesliga feiern konnte, setzte sich Janelt in den Aufstiegs-Playoffs mit den Bees durch, die Premier League wartete.
„Ich mag das Physische hier in England“, sagte der 23-Jährige im Interview mit dem Verein. Die beiden nationalen zweiten Ligen seien vergleichbar, wenngleich in Deutschland der Fokus mehr auf das Spiel mit Ball liegt. „In England geht man häufiger auf zweite Bälle“, erklärte er. Seine größten Stärken seien sein linker Fuß, die Physis und auch der Zug zum Tor. Janelt ist kein typischer Sechser, der nur auf Ballgewinne aus ist. Er weiß auch etwas mit dem Leder anzufangen und will Verantwortung im Spielaufbau übernehmen. „Ich denke das zeichnet mich aus.“
Photo: Justin Setterfield/Getty Images/Imago
Der Schritt des 23-Jährige auf die Insel war überraschend. Denn obwohl er bei Bochum gute Leistungen zeigte, spielte er sich nie dauerhaft in der Startformation fest. Nach kurzer Anlaufphase war er aus der Startelf nicht mehr wegzudenken. „Ich bin damals gewechselt, weil ich eine neue Herausforderung wollte. Ich habe direkt meine Chance bekommen und genutzt“, sagte er im Interview mit dem Sportbuzzer. In die Karten gespielt hat ihm dabei auch die Verletzung von Christian Nørgaard (28), durch die im Mittelfeld ein Loch entstanden war. Aber auch nach der Rückkehr des Dänen hielt sich Janelt in der ersten Elf. In der Aufstiegssaison brachte er es inklusive Playoffs auf 44 Einsätze, so gut wie jeden davon über die volle Spielzeit.
Und auch eine Etage höher spielt er seinen Stiefel souverän runter. Momentan rangiert Brentford auf einem akzeptablen 15. Platz, steht damit als einziger Aufsteiger auf einem Nicht-Abstiegsplatz. Acht Punkte beträgt der Vorsprung auf den ersten Abstiegsrang 18. Das persönliche Highlight nach dem Aufstieg folgte am sechsten Spieltag. Die Bees empfingen daheim den FC Liverpool. In einer temporeichen Begegnung ließ Brentford nicht locker und hielt gut mit. In der 63. Minute, es stand 2:1 für Liverpool, war dann Janelts Moment gekommen.
Nach einer Flanke von rechts in den Sechzehner knallte Kapitän Pontus Jansson (31) den Ball an die Latte. Janelt ging anschließend einmal zum Kopfball, zweimal. Dann war der Ball drin. „Also erstmal konnte ich das gar nicht so richtig realisieren. Es war ein geiles Gefühl, da das 2:2 zu machen. Volles Stadion, Fluchtlicht und dann auch noch gegen Liverpool“, erinnerte sich der U21-Nationalspieler. Das Spiel endete 3:3. Für Janelt war es der erste Treffer in der Premier League.
Mittlerweile zählt er zu einem der wertvollsten deutschen Profis, die im Ausland ihr Geld verdienen. Bei einem so raschen persönlichen Aufstieg und sich forsetzenden Entwicklung stellt sich zwangsläufig auch die Frage nach der Nationalmannschaft. „Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen und glaube, dass wir so schlecht im Mittelfeld nicht besetzt sind“, sagte Janelt gegenüber transfermarkt. „Natürlich würde ich mich extrem freuen, sollte mal eine Einladung kommen. Aber wie gesagt, ich mache ich mir da gar keinen Druck. Wenn es soweit ist, ist es soweit.“
Photo: Imago/Siebenhaar