90PLUS
·28. April 2025
DFB rückt in den Fokus: Wende im Sommermärchen-Prozess

90PLUS
·28. April 2025
Wenn alles nach Plan läuft, darf Theo Zwanziger am Mittwoch den „heißen Stuhl“ räumen. „Sie sind dann Öffentlichkeit – das heißt, Sie müssen hinten sitzen“, belehrte die Vorsitzende Richterin Eva-Marie Distler den früheren Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zuletzt über den weiteren Verlauf des Sommermärchen-Prozesses. Doch obwohl nach über einem Jahr der dritte und letzte Beschuldigte die Anklagebank wahrscheinlich verlassen wird, geht das Verfahren weiter. In den Fokus rückt nun der DFB.
Falls Zwanziger wie erwartet eine Geldbuße akzeptiert und es damit zur Einstellung des Verfahrens gegen ihn kommt, wird der Verband als „juristische Person“ im Prozess um die dubiosen Zahlungsflüsse rund um die WM 2006 vor dem Landgericht Frankfurt/Main vom bisherigen „Nebenbeteiligten“ zum Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft hat den entsprechenden Antrag für ein Bußgeldverfahren bereits angekündigt, um so ein Urteil gegen den DFB zu erwirken.
Distler deutete am zurückliegenden Verhandlungstag das weitere Prozedere an. Sobald Zwanziger entlassen sei, werde das Verfahren „gegen den DFB e.V. aus Gründen der Prozessökonomie zur Vermeidung der Durchführung einer erneuten Beweisführung“ fortgeführt. Im Juni könnte das Verfahren dann endgültig enden.
Für das Gericht steht schließlich schon seit längerer Zeit fest, wofür die ominösen 6,7 Millionen Euro, die vom DFB als Ausgabe für eine nie stattgefundene WM-Gala deklariert wurden, verwendet worden sind: Demnach handelte es sich um eine von WM-Chef Franz Beckenbauer im Dienste des DFB veranlasste Schmiergeldzahlung an einen oder mehrere Mitglieder der damaligen FIFA-Finanzkommission um Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam. So wollten sich die damaligen Spitzenfunktionäre des DFB den am Ende tatsächlich gewährten WM-Zuschuss des Weltverbands in Höhe von 170 Millionen Euro sichern.
Die 6,7 Millionen wurden 2005 vom deutschen Organisationskomitee (OK) über die FIFA an den früheren adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überwiesen. Exakt diese Summe war drei Jahre zuvor offenkundig in Form von Vorleistungen von Louis-Dreyfus an bin Hammam nach Katar geflossen. Nach Ansicht des Gerichts war der ganze Ablauf ein „Scheingeschäft“ zwischen der FIFA und dem deutschen OK, um die „Schmiergeldzahlung nach Katar zu verschleiern“.
Der DFB verbuchte dies im Jahr 2006 unter dem damaligen Präsidenten Zwanziger als Betriebsausgabe. Die Staatsanwaltschaft wertete dies bisher als Steuerhinterziehung in Höhe von 13,7 Millionen Euro. In der Folge wurde dem Verband rückwirkend die Gemeinnützigkeit aberkannt, 22 Millionen Euro musste der DFB an Steuern nachzahlen. Mittlerweile relativierte Oberstaatsanwalt Jesco Kümmel seine Wertung: „Der Steuerschaden ist zu reduzieren, doch nicht unter 2,7 Millionen.“
Mit Blick darauf wird der juristische Streit in jedem Fall weitergehen. Der Verband will nach SID-Informationen vor dem Finanzgericht Kassel um die Rückerstattung seiner Steuernachzahlung kämpfen. Zur Sicherheit hat der DFB auch Zwanziger verklagt, was wiederum zu gerichtlichen Auseinandersetzungen mit dem ehemaligen Präsidenten führen könnte.
Im aktuellen Prozess geht es für Zwanziger „nur“ noch darum, wie hoch seine Geldbuße ausfallen wird. Kümmel hatte ursprünglich etwa 25.000 Euro gefordert, da für diese Summe das Verfahren gegen den anfangs ebenfalls angeklagten Ex-Präsidenten Wolfgang Niersbach eingestellt worden war. Die Zwanziger-Seite wies diese Forderung als zu hoch zurück, das Gericht hatte daraufhin eine Geldbuße in Höhe von 10.000 Euro ins Spiel gebracht.
Ursprünglich musste sich neben Zwanziger (79) und Niersbach (74) auch der ehemalige DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt (83) verantworten. Er schied wegen gesundheitlicher Probleme aus dem Verfahren aus. (SID)
(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)