Die Hausaufgaben bis zur EM: Drei Baustellen der DFB-Frauen | OneFootball

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·24. Februar 2025

Die Hausaufgaben bis zur EM: Drei Baustellen der DFB-Frauen

Artikelbild:Die Hausaufgaben bis zur EM: Drei Baustellen der DFB-Frauen

Fehlender Einsatz war Christian Wück nicht vorzuwerfen. An der Seitenlinie litt er mit seinem Team, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, legte die Stirn in Falten - kein Auftritt als Rumpelstilzchen, eher sah er aus wie ein gequälter Parteichef nach der Wahlniederlage. Schaute man im niederländischen Breda bloß auf den Trainer, dann hätte man vermuten können, die DFB-Frauen hätten gerade eine handfeste Abreibung bekommen.

Ganz so schlimm kam es nicht, aber Bundestrainer Wück hatte dennoch seine Gründe, mit dem 2:2-Unentschieden gegen Oranje unzufrieden zu sein. Aus den großen Ambitionen bei der Europameisterschaft 2025 in der Schweiz machen Wück und sein Team keinen Hehl. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, braucht es, um im Politiksprech zu bleiben, aber noch einiges an Ärmel-Hochkrempeln und Anpacken.


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Generell teilen Politik und Fußball in Krisenzeiten überraschend viele Phrasen: Eine klare Linie soll wieder gefunden werden, gar eine Philosophie, die Kommunikation soll verbessert werden und gerne auch die Angriffslust gesteigert. Immerhin werden Wücks Halbzeitansprachen nicht bald als 15-Sekunden-Schnipsel auf TikTok gepostet.

So oder so bleibt für den Trainer und sein Team einiges zu tun, um die DFB-Frauen als, äh, Spitzenkandidatin für die Europameisterschaft zu platzieren. Drei Baustellen, an denen bis zum Juli gearbeitet werden muss.

Giftiger in den Zweikämpfen sein und die Zuordnung verbessern

Das Abwehrverhalten stimmte gegen die Niederlande erneut in mehreren Situationen nicht. Ein Einzelfall ist das nicht, vielmehr gelang es dem DFB-Team schon oft nicht, Zugriff auf die gegnerischen Stürmerinnen zu bekommen. Besonders ärgerlich war das gegen die Niederlande, weil Doppelpackerin Lineth Beerensteyn aus der Frauen-Bundesliga eigentlich bestens bekannt ist.

Aber die Probleme starteten nicht erst, als der Ball ihre Füße erreichten. Die Zuordnung war in vielen Situationen etwa so undurchsichtig und chaotisch wie die Fahrpläne der Deutschen Bahn. Nach dem Motto "Nimm du sie, ich hab sie sicher!" konnten oft Gegenspielerinnen der deutschen Verteidigung entwischen - die zudem immer wieder in überraschende Anfälle des Sekundenschlafs verfiel.

Eine ganze Fehlerkette machte Wück beim 2:2 aus. "Man darf außen die Flanke nicht zulassen, man darf außen nicht so passiv dastehen mit zwei Spielerinnen und in der Mitte müssen wir einfach zugeordnet sein“, sagte er - durchgefallen auf allen Positionen also.

Das galt insbesondere auch für die Verteidigung von Steilpässen: Hier hatten die Deutschen mehrmals Temponachteile, aber konnten die für sie unangenehmen Duelle auch nicht verhindern. Steilpässe waren schon länger eine Achillesferse des Nationalteams, woran auch das Mittelfeld nicht unschuldig ist, das den Gegenspielerinnen zu viel Zeit lässt, um ganz in Ruhe den perfekten Korridor für den Pass zu finden.

Ohne das verletzte Innenverteidigungs-Duo Hendrich und Doorsoun war die Zuordnung naturgemäß schwieriger. Aber trotzdem hätte von den DFB-Frauen etwas mehr Giftigkeit in den Zweikämpfen kommen dürfen. Es dürfte keine sehr steile These sein, dass das Problem das Nationalteam noch länger verfolgen wird.

Diversität im Angriff erhöhen und gleichzeitig die Stärken ausbauen

Donald Trump würde den DFB-Frauen sicherlich prompt die Förderung streichen, wenn er diese Forderung sähe. Mehr Diversität, Hilfe! Keine Sorge: Hier geht es nur um gänzlich unpolitische Themen wie Angriffsdreiecke und Flanken.

Christian Wück überraschte nach dem Abpfiff gegen die Niederlande mit einem überraschenden Appell: "Das muss ein Markenzeichen dieser Mannschaft werden!", sagte der Coach - und bezog sich damit nicht auf das vielzitierte Straßenfußballer-Gen, ein härteres Abwehrverhalten oder mehr Tiki-Taka. Sondern auf, nanu, die Kombination Flanke, Kopfball, Tor.

Eine Äußerung, die ein wenig geschichtsblind anmutet, schließlich war genau das schon jahrelang das Markenzeichen schlechthin des Teams. Nachdem bei der EM 2022 entdeckt wurde, wie erfolgreich dieses Mittel sein kann, wurde mit Vorliebe auf Hereingaben gesetzt. Allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Die WM 2023 zeigte eindrücklich die Probleme des Ansatzes auf, und auch wenn er unter Hrubesch eine Renaissance erlebte: Nur Flanken, das dürfte eine gefährliche Taktik für die EM sein.

Deutschland wird kein Barcelona mehr, aber ein bisschen mehr Flüssigkeit bei der Ballzirkulation und mehr überraschendes Spiel in die Tiefe würden schon viel helfen. Auf der Erfolgskombination Bühl-Schüller aufzubauen, die läuft wie geschmiert, ist natürlich trotzdem eine gute Idee. Die Kombination Flanke-Kopfball kann bei all ihrer Einfachheit schwer zu verteidigen sein, wie sich gegen die Niederlande zeigte, als Bühl ganz lässig im Eins-gegen-Eins war und Schüller perfekt positioniert. Wenn die Flanken so kommen, dann gerne - aber Alternativen braucht es trotzdem.

Den EM-Kader finden und einspielen

Lektionen in Angewandter Geometrie: Nach seinem Amtsantritt im Herbst 2024 sagte Christian Wück zunächst, der Kreis der Nationalspielerinnen solle geöffnet werden. Den Worten folgten prompt Taten, und ein Debüt folgte auf das nächste - ob Alara Şehitler, Cora Zicai oder Sophia Winkler. Nun soll der Kreis aber wieder enger gezogen gewerden, denn es geht langsam auf die Zielgerade zu.

Das Schaulaufen ist somit vorerst beendet, und Wück und sein Team stehen vor einigen wichtigen Entscheidungen. Zeit ist zwar noch, mindestens fünf Nations-League-Spiele und Testspiele stehen noch an. Aber gerade weil Zuordnung und Flüssigkeit aktuell noch ein Thema sind, wäre es wichtig, sich bald auf einen Kreis an wichtigen Spielerinnen festzulegen.

Dabei gibt es viele interessante Personalien. Sydney Lohmann etwa bekam dieses Mal keine Einladung zum Lehrgang des Nationalteams, war aber sehr nah dran, wie Wück es verriet - nach ihren jüngsten starken Leistungen auch verständlich. Alara Şehitler dagegen wurde jüngst nachnominiert, die 18-Jährige könnte das Küken im EM-Kader werden und mit ihrem feinen Fuß einen Unterschied machen.

Eine Baustelle ist diese zu treffende Auswahl vielleicht nicht, auf einigen Positionen gibt es eher ein Luxusproblem - im Tor etwa gibt es viele starke Kandidatinnen. Auf der To-Do-Liste steht das Minimieren des Kreises dennoch weit oben.

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