Die UEFA krempelt königlich um: Pro und Contra der neuen CL-Reform | OneFootball

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·18. September 2024

Die UEFA krempelt königlich um: Pro und Contra der neuen CL-Reform

Artikelbild:Die UEFA krempelt königlich um: Pro und Contra der neuen CL-Reform

Mehr Spiele, mehr Mannschaften, mehr Geld – und viel Kontroverse. Die Champions-League-Reform stieß auf viel Kritik, doch der neue Modus birgt auch Positives. Ein Blick auf einige Pro- und Contra-Argumente der weitreichenden Änderungen. Von Tim Illigens und Maximilian Dymel.

So funktioniert der neue CL-Modus

Am Dienstagabend war es wieder so weit: Zum ersten Mal in der Saison 2024/25 erklang in sechs europäischen Stadien die – nun leicht veränderte – Hymne, die jedes Fußballfan-Herz höher schlagen lässt. Die – wie es im Liedtext so schön heißt – „große sportliche Veranstaltung“ von Europas Spitzenmannschaften geht wieder los: die Champions League. Doch in dieser Spielzeit ist einiges anders.


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Die klassische Gruppenphase mit acht Gruppen zu je vier Teams, sechs Duellen in Hin- und Rückspielen und der Sicherheitsstufe Europa League ist Geschichte. Das charmante Auslosen der Paarungen mittels Loskugeln wurde durch einen Computer und den Knopfdruck durch einen mehr oder weniger motivierten Cristiano Ronaldo ersetzt. Sonst hätte alles etwas zu lange gedauert. Denn die Champions League ist vor allem eines geworden: größer.

Mehr Spiele, mehr Spannung, mehr Geld?

Zu „les meilleurs équipes, den Besten, the Champions“ auf dem Kontinent zählen fortan 36 statt 32 Mannschaften. Anstelle von Gruppenspielen gibt es ein Ligasystem, bei dem jede Mannschaft gegen jeweils zwei Gegner aus allen vier Lostöpfen antritt. Sprich: Acht Gegner für jede Mannschaft, sowie vier Heim- und Auswärtsspiele. Am letzten Spieltag finden alle 18 Spiele gleichzeitig statt. Nach der neu strukturierten Gruppenphase ziehen die besten acht Mannschaften direkt ins Achtelfinale ein. Die Plätze 9 bis 24 der Ligatabelle spielen in Play-offs um die verbleibenden acht Achtelfinalplätze. Die restlichen Teams scheiden direkt aus. Danach wird die K.o.-Phase in einem bereits festgelegten Turnierbaum wie gewohnt zu Ende gespielt.

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Die neue CL: Neues System, mehr Teams und ein Knopf. Foto: Valery Hache/AFP via Getty Images

Die UEFA erhofft sich von der Reform mehr direkte Duelle zwischen Top-Teams, mehr Spannung – vor allem in der Ligaphase – und mehr Einnahmen durch satte 189 statt bisher 125 Paarungen. Bei vielen Fans stoßen die Neuerungen auf Kritik. Andere halten die erste weitreichende Reform seit der Saison 1999/2000 für bitter nötig. Doch was sind die Argumente für und gegen das neue System, das vorerst bis 2027 in Kraft treten soll?

Pro: Die Königsklasse brauchte Veränderung

Das höhere Verletzungsrisiko, die finanziellen Absichten der UEFA sowie ihr Entgegenkommen für Top-Mannschaften lassen sich nicht leugnen. Aber die Champions League hatte in ihrer alten Form, die viele Fans aufgrund von Bequemlichkeit und Tradition unterstützten, keine langfristige Zukunft. Eine Reform des Modus war bitter nötig. Auch wenn sie noch Mängel aufweist, ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Karl-Heinz Rummenigge sagte einst: „Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind.“

Die alte Gruppenphase war gegen Ende oft langweilig. Viele Top-Teams hatten sich bereits vorzeitig ihr Achtelfinalticket gesichert. Teilweise konnten sie sich bereits nach dem vierten Gruppenspiel entspannt zurücklehnen. Wenn ein Gigant doch mal stolperte, war die Europa League ein sehr weiches Fangnetz. Zwar waren die finanziellen Abstriche immens, doch man war prompt Top-Favorit auf einen europäischen Titel. Durch die neue Reform wurde der Abstieg in die Europa League komplett abgeschafft. Und das ist gut. Niemand mag Europa-League-Sieger, die aus einem großen Wettbewerb kommen und kleinen Mannschaften ihren Ruhm auf europäischer Bühne nehmen. Das geschah in den letzten 20 Jahren sieben Mal.

Mehr Spannung statt öde letzte Gruppenkicks

Auch für öde Gruppenspiele bietet das Ligasystem weniger Potenzial. Statt 16 Fixplätzen sind nur noch acht Teams sicher für das Achtelfinale qualifiziert. Die Königsklasse wird ihrem Namen gerecht. Bis zum achten Vorrundenspiel muss um jeden Punkt und Rang gekämpft werden. Die zeitgleiche Ansetzung des letzten Spieltags am 29. Januar 2025 sorgt auf 18 Plätzen für Spannung im Minutentakt – ähnlich wie an einem am 34. Bundesliga-Spieltag. Wer rutscht kurz vor Schluss noch auf Rang 25 ab und scheidet aus? Wer sichert sich vielleicht einen Glückspunkt für Platz acht und vermeidet zwei Play-off-Duelle? Diese Änderung verspricht definitiv mehr Spannung. Und wohl auch jede Menge Spaß.

Auch die vielfältigeren Gegner sind vielversprechend. Anstatt zweimal gegen dieselben drei Gegner anzutreten, spielt jedes Team gegen acht Mannschaften. Dies führt zu einem größeren Showdown zwischen den einzelnen Ligen. Die neu geschaffenen Duelle sorgen für mehr Abwechslung und Frische. Darüber hinaus können Mannschaften erstmals auf Teams aus dem eigenen Lostopf treffen. Das war bisher nicht so. Vor allem kleinere Klubs könnten davon profitieren.

Mehr Spannung statt öde letzte Gruppenkicks

Man erinnere sich nur an die Todesgruppe F für Slavia Prag in der Saison 2019/20, als ein Underdog alle sechs Duelle gegen europäische Riesen bestritt und schon in der Loskugel chronisch ausschied. Auch wenn die Slavia-Verantwortlichen es damals mit einem Lächeln quittierten – sportlich war es nicht ganz so lustig. Diese Szenarien sind nun Geschichte. Denn die Top-Klubs gehen sich in der Gruppenphase nicht mehr aus dem Weg und können sich gegenseitig Punkte wegnehmen. Auf dem Papier haben kleinere Klubs dank mehr Spielen auf Augenhöhe größere Chancen, mehr Punkte zu holen und das Achtelfinale zu erreichen.

Ein weiter Pluspunkt für die neue Reform: Neue Champions League heißt keine Super League. Ex-BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke war ein sehr offener Befürworter des sogenannten „Schweizer Modells“, weil es „der einzige Weg ist, um eine Super League der internationalen Topklubs zu verhindern.“ Nach großen finanziellen Verlusten für die Vereine während der Corona-Pandemie „musste schon ein Format gefunden werden, dass eine Super League abwendet.“ Zum ersten Mal? Nein. Pläne für eine Super League in abgewandelter Form waren bereits der Hauptinitiator der letzten großen CL-Reform im Dezember 1998. Da bleiben wir lieber königlich. Kommentar von Maximilian Dymel.

Contra: Brauchte die Königsklasse Veränderungen?

Der Hauptkritikpunkt vieler Fans richtet sich zunächst gar nicht zwingend an die Veränderungen selbst. Viel problematischer ist für einige die Frage, warum diese Veränderungen stattfinden. Die Champions League hatte nie das Problem, dass zu wenige Mannschaften teilnehmen. Dennoch wollte die UEFA ursprünglich sogar noch stärker vergrößern. Die jetzige Reform ist also eine Art Kompromiss. Dass die Ausstrahlung von mehr (Top-)Spielen, mit denen sich Profit generieren lässt, ein gewisser Motivationsfaktor ist, ist sicherlich kein Geheimnis.

Dabei stehen allein die finanziellen Interessen der UEFA im Mittelpunkt. Das neue Format könnte sogar negative Auswirkungen auf nationale Ligen und Vereine haben, da sich die Schwere zwischen gutverdienenden Top-Teams und kleineren Mannschaften durch die veränderten Prämien weiten wird. Zudem gibt es jetzt noch mehr Plätze für Top-Ligen, wodurch einigen Underdogs ebenfalls Geld durch die Teilnahme wegfällt. Stichwort: Zwei-Klassen-Gesellschaft.

Überladener Kalender – drohen Streiks?

Dieses Manko gibt dem zweiten Problem der Reform quasi die Klinke in die Hand: Mehr Spiele bedeuten zwar mehr Geld für die hohen Tiere der UEFA, aber auch mehr Belastung für die Spieler. Mit der Nations League, der Conference League und der 2025 anstehenden Klub-WM wurde der Terminkalender immer weiter überladen. Fans und Vereinstrainer bangen Länderspielpausen mittlerweile fast nur noch entgegen, da sie Angst um ihre Stars haben.

Mehr Spiele, besonders in einem so wichtigen Wettbewerb wie der Champions League, werden Verletzungssorgen tendenziell verschlimmern. Der heiße Ballon d’Or Anwärter Rodri hält sogar Spielerstreiks für denkbar, weil die Spielerbelastung stetig ansteigt. „Ich denke, wir sind dicht davor. Ich denke, Sie können jeden Spieler fragen, wen Sie wollen, er wird das Gleiche sagen“, sagte der Spanier vor dem CL-Auftaktspiel von Manchester City gegen Inter Mailand. Ein Duell zweier Top-Mannschaften. Heutzutage sind diese wirklich rar geworden. (Sarkasmus)

Werden die Spiele wirklich spannender?

Allerdings belastet die erhöhte Anzahl an Spielen nicht nur die Spieler. Auch den Fans und der Umwelt ist mit der Reform nicht geholfen. Manche Fans haben weder die Zeit noch das Geld, um zu zusätzlichen Spielen zu fahren. Außerdem bringen die ganzen zusätzlichen Reisen nicht gerade die „Referenz für die Nachhaltigkeit von Veranstaltungen“, die die UEFA sein will. Sowohl die Fan-Reisen, aber besonders die Privatjets der Vereine sind da problematisch.

Obwohl davon ausgegangen wird, dass der neue Modus für spannendere Partien in der Gruppenphase sorgen wird, muss dies nicht zwingend der Fall sein. Durch die erhöhte Belastung ist es nicht unwahrscheinlich, dass ab einem 1:0 öfter verwaltet wird oder die Schwergewichte gegen kleinere Teams mit einer B-Elf auflaufen. Zudem entgehen einigen Teams die Heimvorteile, die besonders bei ungleichen Duellen eine wichtige tragende Rolle einnehmen können. Ob die Gruppenphase also zwingend spannender wird, bleibt abzuwarten.

Auch wird es immer unwahrscheinlich, dass kleine Klubs überhaupt weit kommen. Die UEFA brauchte einen Kompromiss, um eine Super League abzuwenden. Ein Kompromisshäppchen, das vor allem den großen Fischen im Teich schmeckt. Sensationen wie Apoel Nikosia im Viertelfinale (2011/12), Ajax Amsterdam im Halbfinale (2018/19) oder der CL-Sieg von Porto (2003/04) werden immer seltener. Mehr Spiele führen auch dazu, dass kleinere Klubs häufiger abliefern müssen und sich weniger auf Ausrutscher der Top-Klubs verlassen können. Das lässt sich auf so ziemlich jeden Wettbewerb übertragen. Warum die Champions League diesen Weg gehen musste? Die (Geld-)Summe machts. Kommentar von Tim Illigens.

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