90min
·11. Januar 2024
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·11. Januar 2024
Die Nähe zwischen Fans und Spielerinnen wird gerne als einzigartiges Merkmal des Frauenfußballs genannt. Fans schätzen die Bodenständigkeit der Spielerinnen, die sich nach den Spielen oft viel Zeit für sie nehmen. Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille - ein kleiner Teil der Fans überschreitet die Grenzen der Spielerinnen.
Es ist ein schmaler Grat zwischen Nahbarkeit und Bedrängung: Das sagte auch Nationalspielerin Lena Oberdorf in einem Interview mit der Vogue letztes Jahr. "Einmal ist ein Fan neben mir her gerannt, wir haben uns abgeklatscht und sie hat mich einfach, ohne zu fragen, umarmt. Da meinte ich nur zu ihr, dass so etwas nicht geht. Das wird mir dann einfach zu viel", erklärte Oberdorf.
Damit ist sie nicht die Einzige: Mehrere Topspielerinnen berichteten bereits von ähnlichen Situationen mit Fans. Wo sind die Grenzen der Nähe? Einige Fans warten bei Reisen vor den Hotels der Spielerinnen, um sie für ein Foto oder Autogramm abzupassen.
Andere schmeißen im Stadion ohne Kommentar ihr Handy herunter, damit die Spielerinnen ein Selfie mit ihnen machen - das zeigte ein kürzlich viral gegangenes Video. Aitana Bonmatí und ihre Barcelona-Mitspielerinnen geben da ihr Bestes, um den Fans gerecht zu werden - aber die schmeißen immer weiter Trikots und Handys.
Ein weiteres Phänomen der letzten Jahre: Die Schilder mit Trikotwünschen, die plötzlich in allen Stadien, ob in Deutschland oder England, auftauchten. Oft hatte man dabei das Gefühl: Um wirkliche Nahbarkeit geht es manchen nicht mehr, sondern mehr darum, einen Hauch von Berühmtheit mitzubekommen, sich einen begehrten Gegenstand zu sichern - was im Frauenfußball noch deutlich einfacher ist als im Männerfußball.
Diese Szenen betreffen nur einen Bruchteil der Fans. Aber dieser Bruchteil scheint zu vergessen, dass es immer noch Grenzen im Umgang mit den Spielerinnen gibt, auch wenn sie weniger sichtbar sind als im Männerfußball. Anders als ihre männlichen Pendants verschwinden die Spielerinnen nicht direkt in die Kabinen, sondern nehmen sich Zeit oder reagieren auch mal auf den sozialen Medien.
Diese Nähe führt manchmal zu einer seltsamen Anspruchshaltung: Die Spielerinnen seien es den Fans schuldig, besonders viel mit ihnen zu interagieren und ihnen auf diese Weise etwas für die Unterstützung auf den Rängen zurückgeben. Weil die Spielerinnen sich oft so lange Zeit nehmen, entsteht teils der Eindruck, jeder Zuschauer habe ein Recht auf ein Selfie. Aber dem ist nicht so.
Besonders auf Social Media verschwimmen manchmal die Grenzen, wie Lena Oberdorf sagt: "Klar möchte man den Fans das Gefühl geben, dass sie einen kennen und dass man sich nah ist. (...) Aber ich glaube eben auch, dass das schnell ausarten kann. Dann denken manche Fans oder Follower:innen, man wäre befreundet."
Auf TikTok und Co. ist das noch nicht selbstverständlich. Viele Spielerinnen teilen mehr aus ihrem Leben als die männlichen Fußballer - auch das sorgt für ein Gefühl der Nahbarkeit. Einige Fans überschreiten aber mit Spekulationen über die Beziehungen der Spielerinnen oder Ähnlichem deutlich die Grenzen der Nähe.
Die besondere Nahbarkeit im Frauenfußball ist eigentlich etwas, das beibehalten werden sollte - da sind sich Fans und Spielerinnen einig. Eine Entwicklung hin zur kompletten Abschottung will niemand. Aber wenn das aktuelle Modell weiter funktionieren soll, müssen einige grundsätzliche Regeln und die Privatsphäre der Spielerinnen respektiert werden.
Das ist vor allem für den Großteil der Fans schade. Denn die aktuelle Nähe zwischen ihnen und den Spielerinnen droht an dem Fehlverhalten einiger Weniger zu zerbrechen. Der Trend geht ohnehin zu mehr Professionalisierung, die mit einer größeren Distanz zu den Fans einhergeht - aber trotzdem wäre es möglich, wenigstens einen Teil der aktuellen Nähe beizubehalten. Die Grenzüberschreitungen einiger Fans machen das unwahrscheinlicher.