
Miasanrot
·9. April 2025
FC Bayern: Was das drohende Champions-League-Aus für den Transfersommer bedeutet

Miasanrot
·9. April 2025
Der FC Bayern München steht nach der 1:2-Niederlage gegen Inter Mailand in der Champions League mit dem Rücken zur Wand. Was bedeutet das für den Transfersommer?
„Kings of the Cup“ war in der Südkurve der Allianz Arena groß als Teil einer schönen Choreografie zu lesen, als die Mannschaften des FC Bayern München und von Inter Mailand das Spielfeld kurz vor 21 Uhr am Dienstagabend betraten. Knapp zwei Stunden später folgte große Ernüchterung: Der Weg zur Krone ist für die ehemaligen Könige des Wettbewerbs nochmal weiter geworden.
Es war eine schwierige Ausgangslage für den FCB. Vincent Kompany musste auf sieben Spieler verzichten, die je nach Form und Saisonverlauf allesamt eine realistische Chance gehabt hätten, in einem Champions-League-Viertelfinale in der Startelf zu stehen. Fünf dieser Spieler sind in München sogar mehr oder weniger klare Stammspieler: Manuel Neuer, Dayot Upamecano, Alphonso Davies, Jamal Musiala und Aleksandar Pavlović. Hinzu kommen Hiroki Ito und Kingsley Coman.
Man stelle sich vor, andere Mannschaften aus den Top-8 in Europa müssten auf sieben Spieler mit diesem Stellenwert verzichten. Eigentlich war vor dem Duell mit Inter bereits klar, dass diese Liste an Ausfällen die Chancen auf ein Weiterkommen enorm verringert. Zumal die Italiener zu Recht als einer der Geheimfavoriten auf den Titel gelten.
Und trotzdem hatten die Münchner mehrere Punkte im Spiel, in denen sie dem Abend eine andere Pointe hätten ermöglichen können. Klammert man das Ergebnis für einen Moment aus, standen zwei hervorragend eingestellte Teams auf dem Rasen, die sich mit jeweils unterschiedlichen Stärken ein tolles und offenes Fußballspiel geliefert haben.
Den Bayern gelang es anders als im Achtelfinale nicht, die eigenen Druckphasen in ausreichend Tore umzumünzen und Inter tat genau das: Ihre stärkste Phase im Spiel in den letzten 15 bis 20 Minuten der ersten Halbzeit nutzten sie zur Führung.
Das sind die Details, die auf diesem Niveau den Unterschied machen. Keiner wird rekonstruieren können, wie diese Details sich mit Musiala, Davies und vor allem Upamecano verteilt hätten. Aber es lässt sich erahnen, dass vor allem diese drei Spieler in den entscheidenden Situationen des Spiels gefehlt haben.
Und die Rückschlüsse, die man daraus für den kommenden Transfersommer ziehen kann, werfen einige Fragen auf. Die dringendste Frage ist nicht etwa die, ob Florian Wirtz im Sommer zu haben ist. Würde der Noch-Leverkusener die Offensive des FC Bayern auf ein neues Level heben? Ganz sicher. Muss der FCB alles probieren, um ihn nach München zu holen? Höchstwahrscheinlich schon. Und fehlt dem deutschen Rekordmeister ein Unterschiedspieler im offensiven Mittelfeld, wenn Musiala nicht da ist? Ja.
Fast alles an einem Transfer von Wirtz wäre sinnvoll. Nur es gibt einen großen Haken: Wie viele Spieler können die Münchner dann noch verpflichten? In der Regel bekommt die sportliche Leitung für einen Transfersommer ein Grundbudget zwischen 60 und 90 Millionen Euro. Dieses Budget kann sie durch Verkäufe weiter anheben.
Als man Harry Kane für etwas weniger als 100 Millionen Euro verpflichtet hat, konnte man 175 Millionen Euro Transfereinnahmen verbuchen, die es erlaubten, Minjae Kim (50 Millionen Euro) und später Sacha Boey (30 Millionen Euro) zu holen. Da die Transferausgaben in der Regel über mehrere Jahre abgeschrieben werden, ist die Rechnung intern noch etwas komplizierter. Angesichts der letzten Jahre lässt sich aber grob abschätzen, wo das Startbudget der sportlichen Leitung lag.
Besonders interessant ist aber der Blick auf die Verteidigung. Zwischen 2019 und 2021 sind den Bayern mit Mats Hummels, David Alaba, Javi Martínez und Jérôme Boateng nach und nach hochklassige und wichtige Innenverteidiger weggebrochen. Seit der Saison 2019/20 gaben die Münchner 298 Millionen Euro für acht Innenverteidiger aus – zwei davon kamen mit Eric Dier und Tanguy Nianzou ablösefrei.
Die anderen sechs haben jeweils im Schnitt knapp 50 Millionen Euro und in der Spitze 80 Millionen Euro (Lucas Hernández) beziehungsweise 67 Millionen Euro (Matthijs de Ligt) gekostet. Die Ausgaben, so hoch sie auch sind, sind aber nicht das Hauptproblem. Am frappierendsten fiel gegen Inter Mailand mal wieder auf, dass die Münchner es trotz dieser Ausgaben geschafft haben, ihre Verteidigung immer weiter zu schwächen.
Unter all diesen Transfers gibt es nur einen einzigen Spieler, der noch heute im Kader steht, und bei dem man argumentieren kann, dass er sein Geld wert war: Dayot Upamecano. Der Franzose kostete 42,5 Millionen Euro. In den vergangenen Jahren machte er auch einige Fehler, stand oft in der Kritik. Doch in dieser Saison spielte er konstant auf sehr hohem Niveau. Es schien bis zu seiner Verletzung so, als würde der 26-Jährige jetzt auf dem Level ankommen, das man von ihm erwartet.
Herausnehmen muss man gewiss auch Benjamin Pavard, der jetzt zwar für Inter Mailand aufläuft, der seine 35 Millionen Euro Ablösesumme aber ohne jeden Zweifel wert war – auch wenn er meist als Rechtsverteidiger auflief. Alle anderen scheiterten beim FC Bayern aus unterschiedlichen Gründen.
Das jüngste Beispiel ist Kim. Zwar ist es erst seine zweite Saison im Trikot des FCB, doch es zeichnet sich immer mehr ab, dass der 28-Jährige nicht für das allerhöchste Niveau gemacht ist. Zwar konnte der Südkoreaner wie Upamecano große Schritte nach vorn machen im Vergleich zur vergangenen Saison, doch gerade gegen Inter Mailand zeigten sich seine Schwachstellen erneut.
Es scheint, als könne man ihm die vielen kleinen Detailfehler im Stellungsspiel und beim Herausrücken aus der Abwehrkette nicht austreiben. Gegen die Italiener stand er kurz vor einem Platzverweis. Bereits im ersten Durchgang ging er unclever und viel zu aggressiv in einen Zweikampf und hatte sogar etwas Glück, dass es nur die Gelbe Karte gab.
Nicht, weil das Foul eine Rote Karte gerechtfertigt hätte, sondern, weil Kim ungestüm war und eine etwas andere Position des gegnerischen Fußes oder ein anderes Timing um wenige Millisekunden bereits das Trefferbild erheblich hätten verändern können. Als er nach ähnlichem Muster ein weiteres Foul in der zweiten Halbzeit beging, wurde Kompany fast schon dazu gezwungen, seinen Innenverteidiger auszuwechseln.
Obwohl Kim kein gutes Spiel absolvierte, führte das zu einem weiteren kleinen Bruch in der Abwehr. Die Abstimmungsprobleme beim zweiten Gegentor waren der Tiefpunkt einer insgesamt zu wackligen Defensivleistung.
Vorwerfen kann man das den Spielern, die gespielt haben, nur bedingt. Eher muss man die Kritik an die Kaderplaner der Vergangenheit richten. Sicher findet man für jeden der Transfers aus der damaligen Zeit heraus bewertet sehr gute Argumente. Manchmal ist es auch Pech, dass Spieler nicht funktionieren – Hernández ist mit seinen Verletzungen ein gutes Beispiel dafür.
Aber auch der teure Transfer von Boey lief mehr als unglücklich. Dass er jetzt gegen Inter einen entscheidenden Stellungsfehler machte, hilft ihm sicher nicht, etwas an den Narrativen zu ändern, die ihn fortan begleiten. Das Gesamtbild des Defensivumbaus ist aber mehr als nur unglücklich. Wenn so viele Transfers nicht den gewünschten Effekt erzielen, reicht fehlendes Glück nicht mehr als Erklärung.
Und wenn man sich ansieht, wie der Kader nach Upamecano und Davies in der Abwehr strukturiert ist, dann kann es für den kommenden Sommer nur eine Schlussfolgerung geben: Es muss investiert werden. In die Spitze, letztlich aber auch in die Breite. Es braucht einen weiteren Innenverteidiger, der neben Upamecano auf Top-Level agieren kann. Und es braucht eigentlich auch einen Spieler, der die Ausfallzeiten von Davies auffangen kann.
Geht man davon aus, dass die Bayern eine echte Chance darauf haben, Wirtz dieses Jahr zu verpflichten, würde dieser wohl zwischen 130 und 150 Millionen Euro an Ablöse kosten. Wie viel Budget bliebe dann noch übrig, das in die weiteren Kaderbaustellen investiert werden könnte? Immer wieder betont der Aufsichtsrat, dass man sparen müsse.
Dabei wäre genau jetzt der perfekte Zeitpunkt für große Investitionen. Denn erstmals seit vielen Jahren scheint in München wieder so etwas wie eine kleine Identität zu entstehen. Selbst wenn es zum großen Wurf am Ende nicht reichen sollte, haben Kompany und sein Trainerteam gemeinsam mit den Spielern für einen Aufschwung gesorgt. Sie haben den Glauben der Führungsspieler an eine positive Entwicklung zurückbringen können.
Der kommende Sommer wäre die ideale Gelegenheit, dieser Entwicklung das nötige Futter zu geben – also jene Schwachstellen des Kaders auszubessern, die es aktuell gibt.
Stattdessen werden sich Max Eberl und die sportliche Leitung jeden Cent hart erarbeiten müssen. Mit Verkäufen von Spielern, mit dem Abwägen, wo man wieder sportliche Kompromisse eingehen kann und mit der Frage, ob es dann nicht sogar sinnvoller wäre, auf den Wirtz-Transfer zu verzichten, um das Geld in einen ausbalancierten Kader zu investieren.
Es ist richtig vom Aufsichtsrat und es ist auch seine Aufgabe, die finanziellen Mittel bedacht einzusetzen. Genauso muss es die Erwartung an Eberl sein, dass er den Aufsichtsrat von einer Vision und von entsprechenden Investitionen überzeugen kann.
Ein probates Mittel für die sportliche Leitung wären Einnahmen. Für Eberl könnte das wiederum bedeuten, dass er einige harte Entscheidungen treffen muss. So sollte der Verkauf von João Palhinha kein Tabu sein, nur weil seine Geschichte in München unglücklich verlief. Der Portugiese scheint schlicht nicht ins System zu passen und könnte je nach Interessent die Kasse ein bisschen füllen.
Zumal es auch in diesem Sommer wieder schwer werden könnte, Spieler mit hoch dotierten Verträgen abzugeben. Mit einem Abgang von Kingsley Coman oder Serge Gnabry lässt sich beispielsweise kaum seriös planen. Neben Boey wäre in der Abwehr zudem auch der Verkauf von Kim eine Überlegung wert. Wenngleich der Südkoreaner als dritter Innenverteidiger beispielsweise durchaus weiter eine gute Rolle im Kader spielen könnte, wäre es vielleicht möglich, mit ihm einen guten Betrag zu erzielen.
All das sind Gedanken, die sich Eberl machen muss. Denn eines ist klar: Alle Pläne für den kommenden Sommer nur auf einen möglichen Transfer von Wirtz auszurichten, wäre fast schon fahrlässig. So respektabel die Leistung gegen Inter mit Blick auf die vielen Verletzungen auch war, so notwendig ist ein neuer Anstrich für den Kader mit mindestens zwei, drei, vielleicht sogar eher vier starken Neuzugängen.