Fußball, eine männliche Domäne | OneFootball

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·6. März 2025

Fußball, eine männliche Domäne

Artikelbild:Fußball, eine männliche Domäne

Am Samstag ist der 8. März, feministischer Kampftag. Der Fußball ist noch lange nicht befreit von Sexismus und Diskriminierung. Immer wieder sehen wir es in den Kurven und im Frauenfußball. Sprechen wir mehr darüber.Titelfoto: Stefan Groenveld

Ein Ort für alle?

Fußball, unser liebster Sport. Ein Ort an dem wir laut sein, mitfiebern, supporten und vielleicht auch ein bisschen die Sau rauslassen können. Ein Ort, an dem wir uns sicher fühlen, all diese Emotionen zu zeigen, ein Ort für alle, der verbindet. Wirklich? Sicher? Für alle?  Oder doch nur für… Männer?Während Männer all ihren Emotionen freien Lauf lassen können, stehe ich als Frau im Stadion und frage mich, ob ich grade zu laut gepöbelt habe, meine Stimme zu schrill ist, ob ich zu viel Platz einnehme… Bin ich als Frau hier überhaupt willkommen?


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Am Stadioneinlass, vor allem auswärts, bereits die ersten Hürden: Muss ich zu einem Fraueneinlass? Wie viele weibliche Ordnerinnen gibt es? Dauert es eventuell lange, bis ich im Stadion bin, weil Vereine schon wieder nicht darauf vorbereitet sind, dass Frauen/FLINTA* (Frauen, Lesben, Inter, Trans, Agender) zum Fußball fahren? Wie viele Toiletten sind im Stadion, muss ich auch da ewig Schlange stehen? Welche Kommentare kann ich mir heute wieder von Männern anhören? Alles, weil ich als Frau zum Fußball gehe.Versteht mich nicht falsch, ich liebe es, zum Fußball zu gehen. Im Millerntor fühle ich mich weitestgehend sicher. Aber nur, wenn ich mit meinen Leuten, an meinem regulären Platz stehe. Ich fühle mich dort inzwischen sicher genug, um laut zu sein, zu pöbeln, zu springen, wütend oder überglücklich zu sein. Ich liebe Fußball und ich liebe meine Leute, weil ich weiß ich kann dort all diese Sachen sein. Aber es hat auch eine Weile gedauert, bis ich diese Sicherheit verspüren konnte. Doch wenn ich diesen Ort verlasse, sei es ein anderer Teil der Kurve oder ein Auswärtsblock, kommt immer ein Gefühl von Risiko mit. Das Risiko, wer hätte es gedacht: Männer.

Kein Safe Space für FLINTA*

Wenn man aktiv in der Südkurve ist, so kommt es auch mal vor, dass man bei einer Choreo mithilft. So schwenkte ich am Samstag gegen Dortmund eine Schwenkfahne auf den Sitzplätzen der Süd, für ein schönes Fahnenmeer. Ich war bereits darauf eingestellt, dass einem auf den Sitzplätzen gerne mal eine Ungeduld entgegenschlägt, wenn eine große Fahne für einen Moment die Sicht einschränkt. Aber wenn es eine Frau macht, fällt anscheinend zusätzlich die Hemmschwelle für dumme und sexistische Kommentare.

Artikelbild:Fußball, eine männliche Domäne

Das Fahnenmeer der Süd am Samstag gegen Dortmund // (c) Stefan Groenveld

So hörte ich hinter mir nur ein „Spätzchen, jetzt reicht es auch mal“. Ich sagte ihm, er soll mich nicht so nennen und schwenkte noch einen Moment weiter. „Wie soll ich dich denn sonst nennen? Fahnentante?“ Kurze Pause. „Spätzchen, reicht jetzt… Hallo, Fahnentante“.Und in mir hat es nur gebrodelt. Das Gefühl von Risiko, das mich begleitet, wenn ich nicht an meinem gewohnten Platz stehe, war kein Gefühl mehr, sondern Realität. Ich nahm meinen Schwenker runter und wies ihn nochmals zurecht, dass er mich nicht so zu nennen hat und ich als Person ganz einfach respektiert werden möchte und verließ voller Wut den Sitzplatzbereich. Spieltag ruiniert. Stimmung im Arsch. Warum? Wegen Männern.

Halbzeitpause. Ich ging mit zwei Freundinnen nochmals hoch, um zu erklären, was das Problem war und ich eine Entschuldigung verlange. Die Reaktion: keine Spur von Einsicht, keine Entschuldigung, weitere grenzüberschreitende Kommentare, vom Sitznachbarn ein „Beruhig dich mal“, ein weiteres provokantes „Spätzchen“. Lange Rede kurzer Sinn, er wurde im weiteren Verlauf von Ordner*innen rausgeworfen. Ich hatte meine Genugtuung. Aber meine Stimmung war trotzdem im Eimer, weil ich weiß, dass ich mit solchen Situationen nicht alleine bin. So etwas passiert regelmäßig in allen Stadien Deutschlands. Von sexistischen Kommentaren, Beleidigungen bis hin zu Übergriffen und K.O.-Tropfen in Getränken, und das in vielen Fällen ohne Konsequenzen für die Täter.

Das Millerntor ist noch lange kein Safe Space für FLINTA*-Personen, alle anderen Stadien auch nicht. Was wir im Millerntor aber vorweisen können: Ein Awareness-Konzept. Das ist nicht in allen Stadien vorhanden. Laut Recherchen der ARD-Sendung „Vollbild“, haben 23 von 36 Vereinen der 1. und 2. Bundesliga ein Schutzkonzept. Seit 2022 ist dies eigentlich von der DFL vorgegeben. Sanktionen, wenn es kein Konzept gibt? Keine. Die Clubs sollen die Möglichkeit haben ihre „Strukturen fortlaufend und zukunftsgerichtet auf- und auszubauen“. So die Antwort der DFL auf die Anfrage von Vollbild. Repräsentative Zahlen über sexuelle Übergriffe in Stadien gibt es keine. Nach einer Vollbild-Umfrage habe schon jede vierte Frau einen Übergriff im Fußballstadion erlebt. Die Dunkelziffer ist hoch.

Ein Safe Space für weiße, heterosexuelle Männer

Mia Guethe beschreibt es in ihrem 11-Freunde Artikel zu dem Vorfall der Sängerin Mine, als Fußballfans von Hertha BSC sie in einem ICE sexistisch beleidigten, gut: „Die Ursachen liegen auf der Hand. Der (Männer-) Profifußball ist eine maskuline Domäne. […] Jeden Samstag um 15:30 Uhr treffen sich also jede Menge Y-Chromosome, trinken massig Alkohol und verstecken dabei weder ihren Rausch noch ihre Ekstase oder, man kann es Woche für Woche im Fernsehen beobachten, ihren nackten Oberkörper. Ob sie dabei andere Stadionbesucher – erst recht Frauen und andere Minderheiten, die sich gegen die schiere Masse der Männer nicht wehren können – gefährden oder belästigen, fällt vielen dabei nicht einmal auf.“

Und solange der Fußball kein Safe Space für FLINTA*-Personen ist, sind Schutzkonzepte dringend nötig. Denn der einzige Safe Space, den der Fußball gerade hergibt, ist der für weiße, heterosexuelle Männer. Und diese Merkmale bestimmen die Machtverhältnisse. Im Awareness-Konzept vom FC St. Pauli steht es gut beschrieben: „Diskriminierung und Machtverhältnisse begründen und begünstigen sich gegenseitig. Zum einen führen gesellschaftliche Machtverhältnisse zu stärkerer Verbreitung von Diskriminierung, zum anderen bestärkt Diskriminierung bestehende Machtverhältnisse“. Und so wird es auch nicht hinterfragt, wenn man den Gegner zum zehnten Mal als „Fotze“ oder „Hurensohn“ betitelt, wenn es der Nebenmann doch genauso tut. Und so entsteht ein hegemoniales Verständnis von Männlichkeit: Indem man seinem Gegenüber die Männlichkeit abspricht, durch Diskriminierung, durch Sexismus, um sich selbst in seiner Männlichkeit zu bestärken, für ein Machtgefühl.

Machtverhältnisse bestimmen den Fußball

Und diese Machtverhältnisse und dieses Verständnis von Männlichkeit findet nicht nur in der Fankurve statt. Sie fassen ihre Wurzeln bereits beim Fußball als Sport an sich. Denn wenn ich, wie den ganzen Text bisher, von Fußball rede, an welchen Fußball denkt ihr? Frauenfußball? Ich glaube nicht. Das Machtverhältnis zeigt sich schon alleine an der Tatsache, dass wir den Frauenfußball als Frauen-Fußball betiteln müssen und Männerfußball als Norm gilt. Es zeigt sich an der Tatsache, dass Frauenfußball bis 1970 vom DFB verboten war. Es zeigt sich an der Tatsache, dass Frauenfußball bis heute von Männern verspottet wird (der australische Radiomoderator Marty Sheargold würde sich lieber einen Nagel in die Spitze seines Penis hämmern, als australischen Frauenfußball zu schauen). Es zeigt sich an der Tatsache, dass Fußballerinnen, selbst vor laufender Kamera, Opfer von sexuellen Übergriffen werden. Die Liste ist länger. Und immer geht es um Macht und Kontrolle.

Ein kurzer Exkurs in die Geschichte des Frauenfußballs

Holen wir mal etwas weiter aus und schauen uns kurz die Geschichte des deutschen Frauenfußballs an. Fußball galt für Frauen als ein Gesundheitsrisiko, es könne zur Vermännlichung führen und sei einfach nicht ästhetisch. Trotzdem spielten Frauen Fußball, zum Beispiel die Frauen des 1. DDFC Frankfurt, der 1930 von Lotte Specht gegründet wurde. Aber wegen Spott und öffentlichem Druck hatte der Verein nur ein Jahr bestand. Zur NS-Zeit wurde der Fußball für Frauen ganzheitlich verboten. aber auch nach dem zweiten Weltkrieg galt der Fußball als Männersport. Doch Frauen spielten trotzdem Fußball. Vor allem nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer 1954 wurde der Sport auch bei Frauen wieder beliebter. Der Deutsche Fußball Bund hatte allerdings was dagegen. Das Verbot, Frauenabteilungen zu gründen oder ihnen Plätze zur Verfügung zu stellen, wurde 1955 in Kraft gesetzt. Die Begründung erneut: ästhetische und gesundheitliche Bedenken. Aufgehalten hat es die fußballspielenden Frauen nicht und es gründeten sich trotzdem unabhängige Frauenfußballvereine und -verbände. Aufgehoben wurde das Verbot erst 1970. Die Geschichte des Frauenfußballs zeigt erneut, es ging immer um die Kontrolle der gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Ein Zitat von Gertrud Pfister beschreibt es ziemlich genau: „Fußballspielende Frauen überschreiten die gesellschaftlich fixierten Grenzen zwischen den Geschlechtern, bedrohen Männlichkeitsideale und Männlichkeitsmythen und stellen die herrschende Geschlechter- und damit auch die Gesellschaftsordnung in Frage. Bei den Versuchen, Frauen von den Fußballfeldern zu halten, ging es also um weit mehr als nur um den Sport: es ging um die Struktur und Legitimation der Gesellschaft als Ganzes.“ (Pfister 2012, 49)

Der Frauenfußball ist finanziell abhängig vom Männerfußball

Die ganze Geschichte des Frauenfußballs, die Versuche, die Machtverhältnisse in Stand zu halten, Fußball als Männersport zu behandeln und zu fördern, beeinflusst den Frauenfußball bis heute. Und das merkt man an den oben bereits genannten Beispielen. Und um noch etwas weiter auszuholen: Der Frauenfußball ist finanziell abhängig vom Männerfußball, weil auch nach der Aufhebung des Verbots kaum Förderung des Frauenfußballs stattfand. Schauen wir jetzt in die Tabelle der Frauenbundesliga sehen wir nur noch Namen, mit großen Vereinen des Männerfußballs an der Spitze der Liga. Und ja es ist gut, dass diese Vereine den Frauenfußball fördern, und ja es macht den Frauenfußball beliebter, wenn Vereine der Männer-Bundesliga in den Frauenfußball investieren und ja, teilweise existieren Frauenteams dieser Vereine schon lange (teilweise aber auch nicht). Was dabei verloren geht sind traditionsreiche Frauenfußball-Vereine. In der 1. Frauen Bundesliga sind es nur noch SGS Essen und Turbine Potsdam, die allerdings wieder vor dem Abstieg stehen. Und dabei darf man nicht vergessen: Turbine Potsdam war lange das erfolgreichste Frauenfußball-Team der Liga. Oder der 1. FFC Frankfurt, der nun als Eintracht Frankfurt aufläuft. Die Förderung reiner Frauenfußball-Vereine ist mager und sie hinken finanziell und infrastrukturell den großen Namen hinterher. Und dabei stellt sich mir die Frage, ob der Weg, den der Frauenfußball grade geht, der richtige ist. Gleichzeitig habe ich auch keine andere Lösung, damit der Frauenfußball nicht wieder an Beliebtheit verliert. Denn die Zahlen zeigen es: der Frauenfußball ist so beliebt wie noch nie und das ist auch gut so.

Wie geht es weiter?

Es gibt noch so einige Baustellen. Im Frauenfußball und in den Fankurven. Um zurück zu meinem Punkt zu kommen: Um FLINTA*-Personen in den Fankurven und um den Frauenfußball zu bestärken, müssen wir davon wegkommen, den Fußball als eine männliche Domäne anzusehen, denn das ist der Fußball schon lange nicht mehr und war es auch nie. Dennoch wurden immer wieder Frauen vom Fußball ausgeschlossen, verspottet, verpönt, sexualisiert, verboten. Von Männern. Der Hintergrund: Kontrolle, Macht, Männlichkeit. Aber diese Kontrolle wird brüchig durch die Präsenz von Frauen/FLINTA* im Fußball. Die Geschichte des Frauenfußballs zeigt, Männer wollten in diesem Sport die Kontrolle und Macht behalten. Der Weg: Der Ausschluss und die Diskriminierung von Frauen/FLINTA*. Frauen/FLINTA* hören aber nicht einfach so auf, Fußball zu spielen, sie hören nicht einfach so auf, als Fan ins Stadion zu gehen. Fußball war und ist nie rein männlich gewesen.

Was brauchen wir noch, damit sich diese Verhältnisse ändern? Männer, die Frauen/FLINTA* zuhören. Männer die ihre Rolle und ihre Männlichkeit hinterfragen. Männer, die Frauen/FLINTA* verdammt nochmal respektieren. Gerechte Bezahlung für Spielerinnen. Verbesserung der Infrastruktur im Frauenfußball. Menschen, die einschreiten, wenn sie Diskriminierung beobachten (!!). Bessere und mehr Schutzkonzepte. Auch hier, die Liste ist länger. Und das gilt nicht nur für den Fußball, es gilt für unsere gesamte Gesellschaft. Dieser Text, so lang er schon ist, könnte noch viel länger sein. Im Fußball gibt es viele Missstände und es zeigt wie politisch er ist. Denn Fußball bildet immer wieder das ab, was in unserer Gesellschaft los ist. Also wenn ihr am Samstag in Hamburg bleibt, dann geht auf die Straße und kämpft mit für einen lauten und kämpferischen 8. März.

Football has no gender.// Nina

Quelle: Pfister, Gertrud (2012): „Warum ist Fußball Männersache? – Fußballspielerinnen sind ‚Trouble makers‘“ in Sinning, Silke (Hrsg.) (2012): „Auf den Spuren des Frauen- und Mädchenfußballs“ (S. 48-50). Weinheim Basel: Beltz Juventa

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