OneFootball
OneFootball·18. Oktober 2024
OneFootball
OneFootball·18. Oktober 2024
Sollte der FC Bayern das Topspiel heute Abend gegen den VfB Stuttgart nicht gewinnen, müsste der nächste Punkt auf der Tagesordnung in München eigentlich klar sein: Weltuntergang. Schließlich wäre man dann wettbewerbsübergreifend ganze vier Spiele in Folge sieglos geblieben. In der titellosen Katastrophen-Vorsaison unter Thomas Tuchel gab es eine solche Serie nicht ein einziges Mal.
Auf den ersten Blick gibt es in München also ein Problem und zwar eins, das ganz offensichtlich in der Defensive liegt. In keinem der drei nicht gewonnenen Spiele schaffte man es nämlich, hinten die Null zu halten. Und trotzdem werden diejenigen, die man dafür verantwortlich machen möchte, selbst Im Fall einer Niederlage gegen Stuttgart, auch in der nächsten Woche ziemlich sicher noch dort zu finden sein, wo man sie heute Abend sehen wird: Vincent Kompany auf der Trainerbank und Minjae Kim und Dayot Upamecano in der rekordmeisterschen Innenverteidigung. Und das wohl absolut mit Recht. Denn das ist das Erstaunliche an der aktuellen Sieglos-Serie mit zu vielen Gegentoren: Sowohl der Trainer als auch das seit Monaten viel kritisierte Abwehrduo machen gerade einen herausragenden Job.
Beginnen wir bei Kim und Upamecano und schauen dafür mal etwas genauer auf die drei nicht gewonnenen Spiele. Im Top-Spiel gegen Bayer Leverkusen kassierte man zwar ein Tor und konnte das Spiel nicht gewinnen, allerdings ließ das bayrische Abwehrduo dabei auch lediglich drei Schüsse auf das eigene Tor zu, bei der 0:1-CL-Niederlage gegen Aston Villa waren es dann sogar nur zwei. Selbst vom auf dem Papier heftig daherkommenden 3:3 gegen Eintracht Frankfurt darf man sich bezüglich der Abwehrleistung nicht täuschen lassen. Auch hier wurden lediglich vier Schüsse auf’s Tor zugelassen.
Dass das so viel kritisierte Duo gerade eigentlich zu den besseren Bayern-Spielern gehört, wird mit ein bisschen Kontext klar, den ein Teamkollege der beiden zuletzt lieferte: “Es ist brutal, wie die beiden in den letzten Wochen gespielt haben, was die da wegbügeln. Die müssen unfassbare Räume verteidigen“, sagt Joshua Kimmich nämlich über Kim und Upamecano verweist dabei darauf, dass es eine besondere Aufgabe sei, „wenn man als Verteidiger 50, 60 Meter vor dem eigenen Tor verteidigt und so einen riesigen Raum im Rücken hat. Da muss man schon eine extrem große Qualität haben.“
Natürlich darf man solche Lobeshymnen einschränken, indem man darauf verweist, dass Dayot Upamecano beim zweiten Frankfurter Treffer gegen Omar Marmoush alles andere als gut aussah und Minjae Kim beim dritten Tor deutlich zu früh aus der Kette herausrückte. Doch Kimmichs Verweis auf die riesigen Räume, die die Bayern-Abwehr abdecken muss, entschuldigt die beiden größtenteils. Mit der vorgegebenen Spielweise müssen sie eigentlich permanent ins Risiko gehen, was nicht immer klappt. Aber eben verdammt oft, was die zugelassenen Schüsse zeigen.
Dabei scheint aber nicht nur Jo Kimmich die Leistungen richtig einzuordnen, auch Trainer Kompany lässt sich von den schlechten Ergebnissen der letzten Wochen nicht täuschen. Denn: Trotz der Gegentore setzt er weiter auf die beiden als Stamm-Innenverteidigung. Damit unterscheidet er sich klar von Thomas Tuchel, der nach schwächeren Partien immer wieder Wechsel in der Viererkette vornahm.
Womöglich spielt dabei auch Kompanys eigene Erfahrung als Innenverteidiger eine Rolle. Nicht nur insofern, dass der Mann weiß, dass ein Innenverteidiger kaum konstant gute Leistungen abrufen kann, wenn er sich wöchentlich auf einen neuen Partner einstellen muss. Sondern auch in der Hinsicht, dass er durch seine Zeit als City-Abwehrchef unter Pep Guardiola selbst am allerbesten weiß, dass der Fußball, den er spielen lässt, für Innenverteidiger nunmal sehr anspruchsvoll ist. Er verzeiht den beiden gelegentliche individuelle Fehler, weil sie sein aggressives Pressing abseits dieser kleineren Unsicherheiten konsequent durchziehen.
Kompanys großes Glück dabei: Auch seine Vorgesetzten scheinen sich nicht täuschen zu lassen. Denn genau wie Kompany nicht in Aktionismus verfällt und seine Innenverteidigung wegen ein paar Gegentoren zu viel auseinanderreißt, scheint man auch in der Vereinsführung weit davon entfernt zu sein, den Trainer wegen ein paar nicht gewonnenen Spielen zu viel in Frage zu stellen. Wann immer jemand aus dem Vereinsumfeld öffentlich gefragt wird, überschüttet man den jungen Bayern-Coach mit Lob.
Sogar der sonst in schwierigeren Phasen eher selten um Differenzierung bemühte Uli Hoeneß weiß die jüngsten Misserfolge einzuordnen: “Das 3:3 in Frankfurt hat nichts mit Vincent Kompanys aggressivem Spielstil zu tun, sondern, dass wir in der 93. Minute an der Mittellinie Doppelpass spielen.”
Damit machen die Bayern-Bosse etwas, was mit Blick auf die letzten Jahre mit vielen Trainerwechseln so gar nicht Bayern-like erscheint: Sie schenken Vertrauen, das von kurzfristigen Erfolgen unabhängig ist. Dass man unter Kompany zu dem Fußball zurückfindet, der von Louis van Gaal eingeführt und unter Jupp Heynckes, Pep Guardiola sowie Hansi Flick perfektioniert wurde, zurückfindet, scheint wichtiger zu sein als der unmittelbare sportliche Erfolg.
Eine mittelschwere Vollkatastrophe wäre es natürlich trotzdem, wenn man heute Abend nicht gewinnen sollte. Aber der aktuelle Umgang mit Kompany und wiederum dessen Umgang mit Kim und Upamecano zeigt, wie ernst der FC Bayern es mit der Rückkehr zur eigenen fußballerischen Identität meint. Da nimmt man auch den ein oder anderen Weltuntergang mal etwas gelassener in Kauf.
Live
Live
Live
Live