FC Bayern München
·2. März 2025
Michael Ballack im Interview: „Ein Duell auf Augenhöhe“
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FC Bayern München
·2. März 2025
Michael Ballack galt in seiner aktiven Zeit als einer der torgefährlichsten Mittelfeldspieler Europas. Unter anderem lief er in 155 Pflichtspielen (42 Tore) für Bayer 04 Leverkusen und 157 (62) Partien für den FC Bayern auf. Verpasste Titel mit der Werkself holte er in München nach, wo er dreimal Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger wurde. Die heutigen Trainer Xabi Alonso („ein Ruhepol, ein immer sehr fairer Spieler“) und Vincent Kompany („seine physische Ausstrahlung war enorm“) kennt der 48-Jährige noch als Gegenspieler – mittlerweile analysiert er das Aufeinandertreffen der beiden im Champions League-Achtelfinale als TV-Experte. Ein Interview über Favoriten, taktische Spielchen und den Reiz nationaler Duelle.
Erstmals seit 2013 gibt es wieder ein deutsch-deutsches Duell in der Champions League. Kribbelt es schon? „Jetzt in der K.o.-Phase geht es ans Eingemachte. Fehler werden nicht mehr verziehen, weil sie gleichbedeutend mit dem Ausscheiden sein können. Von der Attraktivität her ist es natürlich etwas Besonderes, wenn zwei deutsche Teams aufeinandertreffen. Ich freue mich vor allem darauf, das Spiel hautnah begleiten und analysieren zu können. Es ist spannend, die Entwicklung der beiden Mannschaften zu beobachten – sowohl die von Bayern als auch die von Leverkusen.“
Erfolgreiche Zeit beim FC Bayern: Von 2002 bis 2006 wurde Ballack in München drei Mal deutscher Meister und gewann drei Mal den DFB-Pokal.
Als DAZN-Experte müssen Sie neutral sein – oder drücken Sie insgeheim einem der beiden die Daumen? „Die Frage höre ich oft! (lacht) Ich bin da wirklich neutral – und das nicht nur, weil es mein Job als Experte verlangt. Ich habe bei beiden Vereinen gespielt und hatte bei beiden eine großartige Zeit. Ich habe zu all meinen Ex-Clubs ein gutes Verhältnis und sehe das deshalb recht entspannt.“
Abgesehen von den persönlichen Präferenzen – wer ist Ihr Favorit? Bayern hat die jüngsten sechs Duelle mit Leverkusen nicht gewonnen. „Für mich gibt es keinen klaren Favoriten. Viele setzen ja auf Leverkusen. Aber Bayern ist in meinen Augen nie Außenseiter – egal, in welcher Verfassung sie sich befinden. Die letzten Wochen liefen nicht optimal, daher hat sich die öffentliche Meinung etwas verschoben. Unter anderem mit den Siegen gegen Frankfurt und in Stuttgart haben die Bayern zuletzt vieles wieder zurechtgerückt.“
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Thomas Müller hat die Favoritenrolle ja gerne nach Leverkusen abgeben. „Thomas hat das mit einem Augenzwinkern gesagt – aber die Spieler wissen genau, worum es geht. Ich kenne den Verein und weiß, was in der Mannschaft und im Club vor solch wichtigen Spielen passiert. Diese Partien lösen bei den Spielern eine besondere Spannung aus. Es geht ja auch gar nicht darum, wer Favorit ist – das ist völlig uninteressant. Diese Diskussion bringt nur unnötigen Druck und eine höhere Erwartungshaltung mit sich.“
Genau. In Leverkusen wollte man sie auch nicht unbedingt. „Beide Klubs haben große Ambitionen aufs Weiterkommen. Bei Leverkusen ist das spannend, da dieser Anspruch in der Vergangenheit nicht so klar formuliert wurde – vor allem nicht gegen Bayern oder absolute internationale Top-Gegner. Leverkusen hat sich mit dem Double-Gewinn im letzten Jahr enorm stabilisiert. Dass sie es in der Ligaphase unter die ersten Acht schaffen, war nicht unbedingt zu erwarten – aber sie haben es stark gemacht und spielen auch jetzt wieder eine sehr gute Saison.“
Zwei ehemalige Weltklassespieler im Gespräch: Als TV-Experte analysiert Ballack viele Partien des Teams von Vincent Kompany.
Es kommen nun die Spiele vier und fünf zwischen den beiden Clubs in dieser Saison – man kennt sich. Was wird am Ende den Ausschlag geben? „Es wird auf Kleinigkeiten ankommen. Ein ganz wichtiger Punkt wird natürlich sein, mit welcher Frische die Mannschaften in das Spiel gehen. Ich hoffe, dass beide Teams in Bestbesetzung antreten können, damit wir ein absolutes Topspiel sehen.“
Bei den jüngsten Aufeinandertreffen war die taktische Ausrichtung ein großes Thema, Xabi Alonso ließ sein Team ohne echte Spitze spielen. Was erwarten Sie dieses Mal? „Es gibt ja eine kleine Historie bei diesem Duell. Schon im letzten Jahr haben sowohl Thomas Tuchel (damaliger Bayern-Trainer, d.Red.) als auch Xabi Alonso ihre Defensivformationen von Vierer- auf Dreierkette umgestellt. Alonso hat gezeigt, dass er bereit ist, einen Stürmer draußen zu lassen, um taktische Anpassungen vorzunehmen. Das könnte jetzt erneut ein Faktor sein. Vincent Kompany dagegen hat seine Mannschaft über die Saison hinweg konstant in derselben Formation spielen lassen, da rechne ich nicht mit größeren Umstellungen. Zudem spielt das Format eine Rolle. Gerade im Hinspiel wird Leverkusen wohl nicht voll auf die Offensive gehen, da sie im Rückspiel noch eine Chance haben. Eine solche abwartende Herangehensweise ist typisch für K.o.-Spiele in der Champions League.“
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Aber irgendwann werden beide Teams doch das Visier öffnen müssen, oder? „Nicht unbedingt. Beide Mannschaften haben großen Respekt voreinander – das haben die bisherigen Duelle gezeigt. Ich hoffe nur, dass sich das nicht in eine destruktive Spielweise umwandelt und die Teams zu vorsichtig agieren. Das wäre schade für ein Duell dieser Klasse. In den letzten Begegnungen agierte einmal Leverkusen sehr abwartend, dann waren es die Bayern, die nicht viel ausrichten konnten. Es wäre überraschend, wenn das Spiel plötzlich eine völlig andere Dynamik bekommt.“
Wird es also auf die Ausnahmekönner ankommen, die die taktischen Fesseln mit einem besonderen Moment sprengen können? „Gerade auf diesem hohen Niveau werden enge Spiele häufig durch individuelle Klasse entschieden. Und in diesem Duell gibt es auf beiden Seiten Spieler, die den Unterschied machen können. Daher lastet auf ihnen ein besonderer Druck und eine hohe Erwartungshaltung.“
Sie haben in ihrer Karriere selbst ein deutsches Champions League-Duell gespielt: 1999 im Viertelfinale mit Kaiserslautern gegen die Bayern. „Damals sind wir ausgeschieden.“
In der Addition gewann der FCB 6:0. So eindeutig wird es dieses Mal wohl nicht zugehen? „Die Vorzeichen waren damals ganz andere. Wir waren zwar als Aufsteiger Meister geworden, aber Bayern war klarer Favorit. Kaiserslautern hatte damals nicht die Erfahrung, um in einem solchen K.o.-Duell mithalten zu können. Das spiegelte sich dann auch im Ergebnis wider. Leverkusen ist heute in einer ganz anderen Position und hat sich international etabliert. Letztes Jahr standen sie im Europa-League-Finale und nun haben sie es in der Champions League unter die ersten Acht geschafft. Leverkusen ist mit Bayern auf Augenhöhe.“
Duell mit den Galaktischen: 2002 unterlag Ballack mit Leverkusen Real Madrid nur knapp im Champions League-Finale.
Sie hatten in Ihrer Karriere noch weitere nationale Duelle auf internationaler Bühne. In der Saison 2007/08 haben Sie mit Chelsea erst Liverpool ausgeschaltet und dann unglücklich das Finale gegen Manchester United verloren. Hätte man sich als Spieler lieber andere Gegner gewünscht – oder wollte man gegen die Besten spielen? „Da geht es nicht um Wünsche. Man nimmt es, wie es kommt. Manchmal hat man einen schweren Weg, manchmal fühlt er sich vielleicht etwas leichter an – aber am Ende spielt das keine Rolle. Wenn du in ein paar Jahren zurückblickst und Champions-League-Sieger bist, interessiert es dich nicht mehr, gegen wen du gespielt hast.“
Noch einmal zurück zu Leverkusen. Die Mannschaft, mit der sie 2002 das Champions League-Finale erreicht haben, galt lange als beste Bayer-Elf aller Zeiten. Wie fällt der Vergleich zur heutigen Generation aus? „Sie sind Meister geworden und haben das Double geholt – das ist historisch absolut herausragend für den Verein. Diese Mannschaft steht daher für etwas ganz Besonderes. Natürlich hatten wir damals auch eine herausragende Mannschaft mit großartigen Spielern, die nicht nur in Leverkusen, sondern danach auch bei anderen Top-Vereinen für Furore gesorgt haben. Aber wir hatten es selbst in der Hand und haben es verpasst, uns zu krönen – nicht nur durch Pech, sondern auch durch eigenes Unvermögen in manchen Momenten. Die aktuelle Mannschaft hat es geschafft, Titel zu gewinnen. Und das Wichtigste ist, dass es dem Verein gelungen ist, die Mannschaft weitestgehend zusammenzuhalten und punktuell sogar noch zu verstärken. Das ist ein klares Signal: Sie wollen langfristig oben mitspielen und auch national dem FC Bayern Paroli bieten. Das war nicht immer so in Leverkusen.“
Wagen wir ein Gedankenexperiment. Was wäre, wenn man sich eine Elf der beiden Generationen zusammenstellen könnte? „Ich nehme an, dass Florian Wirtz auf jeden Fall seinen Platz finden wird – dafür ist er einfach viel zu gut. Es ist aber schwer, das objektiv zu bewerten, weil ich mit der 2002er-Mannschaft trainiert und gespielt habe. Da sieht man gewisse Dinge anders als ein Fan, der nur die Leistungen am Spieltag bewerten kann. Ich würde aber sagen, dass sechs oder sieben Spieler aus unserer damaligen Mannschaft auch heute locker in dieser Mannschaft Platz hätten.“
Unter anderem Michael Ballack? „Natürlich!“ (lacht)
Michael Ballack wird das Achtelfinal-Hinspiel als Experte bei DAZN (zum Abo) begleiten. | Anzeige
Hier gibt es weitere Informationen, wie Ihr beim Spiel live dabei sein könnt: