maintracht.blog
·26. Februar 2025
#MyHistory: “Die Sonne scheint bei Tag und Nacht!“
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·26. Februar 2025
Warum eigentlich mauriziogaudino?
Mein erstes Eintracht-Trikot bekam ich im März 1992, knapp ein Jahr nach meinem ersten Stadionbesuch, von meinen Eltern zum siebten Geburtstag. Ich erinnere mich, dass ich Ihnen wochenlang in den Ohren lag, es möge mit der Nummer 7, die damals Andi Möller trug, beflockt sein. Bis heute habe ich ihm nicht verziehen, dass er nur vier Monate später, nach der vergeigten Meisterschaft, zu Juve wechselte.
Die Eintracht verzückte ihre Fans an guten Tagen mit Fußball 2000 und war der Meisterschaft in diesem Jahr näher denn je (worauf hier nicht weiter eingegangen werden soll). Die Mannschaft war gespickt mit Ausnahmefußballern, die allesamt das Potential zum Idol kickendender Grundschüler hatten.
Sie alle begeisterten natürlich auch mich und ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, dass man als Eintracht-Fan jemals eine Mannschaft supporten würde, die um weniger als die ersten fünf Plätze der Bundesliga mitspielt.
Relativ schnell wurde ich eines Besseren belehrt. Es kam die Saison 1995/96 und der erste Abstieg. Ein tiefer Einschnitt. Die Zeiten wurden düsterer, als ich sie mir in meinen schlimmsten Alpträumen hätte ausmalen können.
Dieser Niedergang beeinträchtigte meine enge Bindung zum Verein allerdings, aus heutiger Sicht, erstaunlich wenig. Während sich meine Schulfreunde vorzugsweise anderen Vereinen zuwendeten, besuchte ich, mit meinem Vater, schaurige Zweitligaspiele im Waldstadion. So auch am Abend des 11. April 1997. Es war der 25. Spieltag der Zweitliga-Saison 96/97. Ein Freitag, Anpfiff um 19:00 Uhr. Zuschauer 14.500.
Der 11. empfängt den 13. Eintracht Frankfurt gegen den FC Carl Zeiss Jena. Wobei das Erklimmen von Platz 11 schon als Erfolg zu werten war. Die Winterpause verbrachte man auf einem Abstiegsplatz in der zweiten Liga. Man trennte sich nach Ende der Vorrunde von Stepi, dessen zweites Engagement von überschaubarem Erfolg gekrönt war, und installierte einen gewissen Horst Ehrmantraut. Diesem gelang es die Mannschaft zu stabilisieren und einen zarten Aufwärtstrend einzuleiten. Die Auftritte dennoch weit entfernt von ansehnlich. Genauso an diesem kühlen Frühlingsabend. Meine Erinnerung an Halbzeit eins ist nicht mehr vorhanden. Man ging mit 0:0 in die Pause. In der 62. Minute dann das 0:1 für Jena. Alles deutet auf eine ernüchternde Heimniederlage hin, als sich Maurizio Gaudino, in der 86. Minute ein Herz nimmt. Dunkel sehe ich ihn zwei Verteidiger ausspielen, in den Sechzehner einziehen und den Ball im Tor unterbringen (so oder so ähnlich wird´s gewesen sein). 1:1. Der Ausgleich. Und zum ersten Mal nehme ich das Lied wahr, durch welches sich dieses Spiel so tief in meine Erinnerung eingebrannt hat: ”Die Sonne scheint bei Tag und Nacht! Mariiiziiooo Gaudino! “ Urplötzlich bekommt dieser, bis dahin ausnahmslos triste, Abend etwas Feierliches. Leute setzen sich auf den Zaun der Gegenrade, schwenken Ihre Schals und intonieren minutenlang dieses Lied. Bis heute erinnere ich mich daran, dass ich, als Zwölfjähriger, meine die flehentliche Sehnsucht nach besseren Zeiten, in den Augen vieler Fans zu erkennen.
Das Spiel endet 1:1. Die Eintracht schließt die Saison noch auf Platz sieben ab und wird in der kommenden Saison zum ersten Mal in die Bundesliga zurückkehren. Ohne Maurizio Gaudino, der im Sommer 97 zum FC Basel wechselt.
So viele andere Spieler der letzten 30 Jahre hätten eher als Inspiration für einen nickname dienen können. Maurizio Gaudino ist keine so prägende Figur in der Geschichte des Vereins und auch nicht als Säule der Eintracht am Willy-Brandt-Platz verewigt. Für mich ist er aber Symbolfigur der turbulenten 90er des Vereins und meiner eigenen Bindung zur Eintracht. Gekommen zur Saison 93/94, in der man noch von der Meisterschaft träumte. Nach seltsamen, auch persönlichen Wendungen, die zur Diva, der 90er passen, den Verein verlassen, als dieser auf Platz 7 in Liga 2 einlief. Zwischendrin “Heynckes-Eskalation“, Anklage wegen Versicherungsbetrugs und Leihen nach England und Mexiko.
Erst viel später wurde mir klar, dass Maurizio Gaudino am Tag des traumatischsten Ereignisses meiner Eintracht-Sozialisation die Meisterschale in den Leverkusener Frühsommerhimmel stemmte, im Trikot des VFB Stuttgart. Aber auch das passt irgendwie zur Eintracht jener Zeit und zu meiner eigenen Geschichte.
Titelbild: (Bernd Lauter/Bongarts/Getty Images)