OneFootball
William Laing·24. September 2022
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William Laing·24. September 2022
20 Jahre alt war Mason Mount, als er für die englische Nationalelf debütierte, Marcus Rashford wiederum war bei seiner Premiere 18, Raheem Sterling und Jude Bellingham jeweils erst 17. Wenn die Three Lions in diesen Tagen in der Nations League nacheinander auf Italien und Deutschland treffen, dann könnte es einen neuen Debütanten geben. Der ist aber lange nicht mehr so jung, wie seine Kollegen es bei ihren ersten Nominierungen waren.
Mit 26 Jahren hat Ivan Toney durch Coach Gareth Southgate erstmals eine Einladung in den Kreis der englischen Nationalelf erhalten. Spät, würden einige sagen, aber deshalb nicht weniger gerechtfertigt. Denn der Stürmer zählt zu den treffsichersten Stürmern der Premier League. Eine Erkenntnis, die im Trubel um die Torpartys von City-Stürmer Erling Haaland oft in Vergessenheit gerät.
In dieser Spielzeit hat Toney bereits fünf Tore für den FC Brentford erzielt. Besonders hervorzuheben ist seine Leistung gegen Leeds United Anfang des Monats. Sie dürfte Southgate den letzten Anstoß gegeben haben, ihn ins Nationalteam zu beordern. Denn beim 5:2 beförderte der Angreifer den Ball gleich drei Mal ins Gästegehäuse.
Dass Toney jetzt erst auf dem Radar der englischen Nationalelf erschienen ist, scheint zunächst verwunderlich, denn es ist gerade einmal zwei Jahre her, da schoss der Stürmer in der Championship, Englands zweithöchster Spielklasse, alles in Grund und Boden. Am Ende führten seine Leistungen Brentford nach 74 Jahren zurück in die erste Liga.
Doch seine Premier-League-Erfahrungen waren zu diesem Zeitpunkt praktisch nicht vorhanden und vielleicht auch ein Grund für Trainer Southgate, erst einmal abzuwarten, wie es mit dem Torschützenkönig der 2. Liga im englischen Oberhaus weitergehen sollte.
Begonnen hatte Toney seine Karriere bei seinem Heimatverein Northampton Town in der League Two. Nach 13 Toren in 60 Einsätzen trat Premier-League-Klub Newcastle United auf den Plan und verpflichtete den 19-Jährigen. Doch der Durchbruch bei den Magpies blieb ihm verwehrt. Vielmehr wurde aus einem geplanten Schritt nach ganz oben eine schier endlose Leih-Odyssee.
In drei Jahren wurde er sechs Mal an unterklassige Vereine verliehen. In einem Interview mit ‚The Athletic‘ sagte der Angreifer, er habe nicht das Gefühl gehabt, man habe ihm eine richtige Chance gegeben. „Ich habe ihn kein einziges Mal trainiert“, behauptete später wiederum Newcastle-Coach Rafa Benítez. „Ich wusste nichts über ihn, bis er sehr gute Leistungen in der Championship gezeigt hat.“ Doch zu diesem Zeitpunkt gehörte Toney nicht mehr Newcastle.
Denn der hatte sich für einen permanenten Schritt in die Unterklassigkeit entschieden und 2018 bei League-One-Team Peterborough United unterschrieben. Eine Entscheidung, die die Karriere wieder in Schwung bringen sollte. 40 Treffer erzielte er in zwei Jahren. 2020 wurde er zum Spieler der Saison in der League One gewählt und ließ damit auf der Insel aufhorchen.
Zwei Klubs aus der Premier League zeigten Interesse an ihm, dazu noch der schottische Serienmeister Celtic Glasgow. Am Ende erhielt jedoch Brentford aus der Championship den Zuschlag. Nach dem 5:2 gegen Leeds United vor wenigen Wochen erzählte Brentford-Coach Thomas Frank einigen Reportern von Zweifeln, die sein heutiger Starstürmer vor dem Wechsel nach London hatte.
„Woran zweifelst du? Ich verspreche dir, mit deiner Qualität und der Art wie wir spielen, wirst du mindestens 25 Tore in der Championship schießen“, soll der Däne daraufhin Toney in einem persönlichen Telefonat gesagt haben. „Es gibt also zwei Möglichkeiten. Entweder, wir steigen auf und alle sind glücklich oder wir verkaufen dich.“ Das überzeugte Toney. Am Ende erzielte er nicht 25 Tore. Es waren 31. Ein neuer Rekord in der Championship.
Seitdem trifft Toney auch in der Premier League regelmäßig. Für den FC Brentford ist er die Lebensversicherung schlechthin und jetzt auch noch Nationalspieler. Sein Werdegang erinnert dabei ein wenig an einen anderen Premier-League-Stürmer, der erst spät zu seinem Debüt kam und zuvor lange Zeit in den unteren Ligen des englischen Fußballs auf Torjagd ging: Jamie Vardy.
Leicesters Meisterschafts-Held von 2016 durfte erstmals mit 28 für die Three Lions auflaufen. Wie Toney war auch Vardy ein Spätzünder. Eine phänomenale Saison für Fleetwood Town hatte ihn 2012 auf die Bildfläche der Foxes katapultiert, die damals ebenfalls wie Brentford in der Championship kickten. Zwei Jahre später gelang der Aufstieg in die Premier League und Vardy traf und traf und traf. So häufig, dass sein Nationalelfdebüt zwar spät, aber wie bei Toney unvermeidbar war.
Toney könnte nun also zu einer Art Vardy 2.0 werden. Die Voraussetzungen dafür könnten jedenfalls besser nicht sein. Denn Vardy gelang sein erster Treffer für das englische Nationalteam im März 2016. England war zu Gast im Berliner Olympiastadion. Der Gegner hieß Deutschland.
Die Geschichte des Debüttreffers eines englischen Nationalstürmers gegen eine DFB-Auswahl könnte sich somit bereits am Montag wiederholen, wenn die Three Lions das deutsche Team in Wembley empfangen. Es wäre erneut die Geschichte eines Engländers, der auf Umwegen in die Nationalelf gelangte. Doch dieses Mal wäre es nicht die Geschichte von Jamie Vardy, es wäre die von Ivan Toney.