OneFootball
Jan Schultz·30. Dezember 2020
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Jan Schultz·30. Dezember 2020
Hand aufs Herz: 2020 war ein beschissenes Jahr und wir alle sind froh, dass es sich dem Ende zuneigt. Dabei gab es im Schatten der weltweiten Pandemie auch die eine oder andere Geschichte, die unser Herz erwärmt hat. Hier kommt eine kleine Auswahl.
Da wäre etwa Christian Groß, der vor nicht allzu langer Zeit außerhalb Bremens kaum bekannt war. Ach was, selbst in Bremen dürfte der Defensivmann nur den wenigsten etwas gesagt haben. Nach einigen Jahren in der 3. Liga sowie in der Regionalliga steuerte er vor zwei Jahren schließlich schon auf ein wenig spektakuläres Karriereende hin.
So wechselte Groß im Sommer 2018 als Routinier zur zweiten Mannschaft von Werder Bremen. In der Regionalliga lieferte er in der Folge solide Leistungen und spielte sich damit plötzlich in den Fokus der ersten Mannschaft. Die hatte in der abgelaufenen Spielzeit schließlich nicht nur massive sportliche, sondern auch personelle Probleme.
Der Routinier landete letztlich als Notnagel bei den Profis, wo er seine Chance nutzte. Auf seine späten Tage stieg der mittlerweile 31-Jährige nicht nur zum Bundesliga-Profi auf, sondern ist mittlerweile sogar mehr oder weniger gesetzt. So kommt er in der laufenden Spielzeit bereits auf zwölf Einsätze im Oberhaus. Es ist ein Aufstieg, den er so wohl selbst nicht mehr für möglich gehalten hatte.
Es ist ein Bild, das sich bei vielen, auch aufgrund entsprechender Berichterstattung, eingebrannt hat: Ultras sorgen in den Stadien zwar für Stimmung, stehen ansonsten aber eigentlich nur für negative Dinge. Prügeleien auf den Rängen, Platzstürme, hässliche Banner oder Pyrotechnik. Doch dieses Bild zielt weit an der Realität vorbei, das wurde gerade in diesem Jahr mal wieder deutlich.
Denn bereits während des ersten Lockdowns bewiesen Fangruppen von Hamburg bis Freiburg, wie viel Herz sie haben. Mit tollen Aktionen unterstützten und unterstützen sie Benachteiligte, Abgehängte und Risikopatienten.
Im Winter legten diverse Gruppierungen mit (herz-)erwärmenden Aktionen nach. Es wären genug, um ein ganzes Buch zu füllen. Twitter-User @ftamsut hat in diesem Thread zusammengefasst, welche Bemühungen die Fans deutschlandweit unternommen haben.
Sadio Mané steht generell nicht unter dem Verdacht, abgehoben zu agieren. Der Superstar des FC Liverpool, im vergangenen Jahr als Afrikas Fußballer des Jahres ausgezeichnet, finanzierte etwa schon mal den Bau einer Schule in seinem Heimatdorf. Ganz volksnah zeigt er sich allerdings auch in England.
Dort überraschte er zunächst Reds-Fan Lee Swan mit einem ausgiebigen Video-Call, bei dem er unter anderem ein Versprechen gab: Nämlich einen Torjubel Lees zu Ehren dessen verstorbenen Großvaters umzusetzen. Mané hielt sein Wort und lieferte die entsprechende Geste beim 7:0-Erfolg gegen Crystal Palace.
Im Kampf gegen die Langeweile, die der Lockdown im Frühjahr in den eigenen vier Wänden ausgelöst hatte, war Italiens Zweitligist Delfino Pescara mit einer besonderen Idee um die Ecke gekommen. Der Klub aus der Serie B hatte einen Wettbewerb gestartet, bei dem Fans ein Trikot für den Verein zeichnen durften. Dessen Gewinner war der gerade einmal sechs Jahre alte Luigi.
Dessen Kunstwerk schaffte in der Folge tatsächlich den Sprung vom Papier auf die Oberkörper der Pescara-Profis. Die trugen das Sondertrikot nämlich vor einer Partie beim Aufwärmen. Der Verein verkaufte die Shirts in der Folge ebenso wie Trikothändler ‚Classic Football Shirts‘. Das britische Unternehmen spendet pro verkauftem Trikot zudem fünf Pfund an Stiftungen, die sich im Kampf gegen COVID-19 engagieren.
Damit hat der kleine Luigi, dessen Name übrigens auch auf sein Trikot gedruckt wurde, nicht nur etwas Schönes geschaffen, sondern zugleich auch noch den Kampf gegen die Pandemie unterstützt. Bravissimo!
Wer gerne die Simpsons schaut, wird Schotten eher als knorrige, abweisende und misanthropische Personen kennengelernt haben. Vielen Dank, Hausmeister Willie! Mit Blick auf unsere schottischen Kollegen in der Redaktion können wir dieses Klischee nicht bestätigen – und auch der Ross Country FC rüttelte in diesem Jahr gewaltig daran.
Aufgrund der weltweiten Ausnahmesituation, die durch das Coronavirus ausgelöst wurde, kümmerte sich der Klub aus der Premiership im Frühjahr vorrangig um seine ältesten Anhänger. Schließlich sind die einem ganz besonderen Risiko ausgesetzt. So riefen Trainer und Spieler des RCFC jeden einzelnen Dauerkarteninhaber, der älter als 65 Jahre ist, an, um sich nach dem Wohlergehen zu erkundigen oder Hilfe zu offerieren. Von dieser schönen Aktion sind nicht nur wir, sondern auch die Enkel der Fans angetan.
Auf dem Platz ist Marcus Rashford trotz seiner gerade einmal 23 Jahre schon lange für viele Fans ein Held. In diesem Jahr hat er sich auch abseits des Rasens einen starken Ruf erarbeitet. Denn der Angreifer von Manchester United setzt sich mit enorm viel Nachdruck für Kinder aus ärmlichen Verhältnissen ein.
So appellierte er im Juni mit einem bewegenden Schreiben an die Regierung, kostenlose Schulessen für bedürftige Kinder auch während der Ferien anzubieten. Und zwar mit Erfolg! Die Regierung verteilte Essensgutscheine im Wert von 120 Millionen Pfund. Rashford sprach dabei aus eigener Erfahrung, denn in jungen Jahren musste er einst selbst oft hungern.
„Meine Mutter tat ihr Bestes. Sie kaufte bei Poundworld ein, wo alles unter einem Pfund kostete. Da haben wir für eine Woche sieben Joghurts bekommen, du konntest jeden Tag einen essen. Es ist doch verrückt, dass das immer noch so ist. Wir haben 2020. Und ich denke einfach, das sollte nicht passieren“, berichtete der 23-Jährige.
Im Herbst sah sich die Regierung dann nicht mehr in der Verantwortung und löste damit einen Sturm der Entrüstung aus. Wohl auch bei Rashford, der sich aber nicht nur ärgerte, sondern erneut handelte. Auf Twitter rief er alle Engländer zur Unterstützung auf. Es folgte ein gewaltiges, durchweg positives Echo. Restaurants, Supermärkte, Hilfsorganisationen, viele Städte und Gemeinden posteten Hilfszusagen, der Nationalspieler retweetete einen ganzen Tag lang sämtliche Meldungen.
Neben mehreren Würdigungen, etwa von der Universität Manchester oder auch der Queen, kassierte der 23-Jährige auch ein gewaltiges Lob von Jürgen Klopp: „Was Marcus da losgetreten hat, ist unglaublich. Dass die Verantwortlichen nicht ordentlich regieren und ein Junge aus einfachen Verhältnissen für sie handeln muss, ist zwar beschämend. Aber es ist auch toll, dass er das tut. Ich hoffe, seine Mutter ist stolz auf ihn. Ich kenne ihn nicht mal persönlich. Aber ich bin’s jedenfalls.“ All die Kinder, denen Rashford geholfen hat, dürften dasselbe denken.