90PLUS
·20. Juli 2023
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·20. Juli 2023
Spotlight | Am heutigen Donnerstag hat Borussia Dortmund die Vertragsauflösung in beiderseitigem Einvernehmen mit Nico Schulz bekannt gegeben. Damit endet eine kostspielige Liaison ohne echte Liebe. Was bleibt von vier gemeinsamen Jahren haften? Sportliche Erwartungen, Missverständnisse und ein Schattendasein als Profi.
3. August 2019: Nico Schulz betritt erstmal in einem Pflichtspiel, infolge seines 25,5 Millionen Euro schweren Wechsels von der TSG 1899 Hoffenheim zu Borussia Dortmund, den Rasen des Westfalenstadions. Während der BVB den deutschen Rekordmeister FC Bayern München im DFL-Supercup mit 2:0 bezwingt, überzeugt der designierte Linksverteidiger der Zukunft (Vertrag bis 2024) über die komplette Spieldauer und wird mit langgezogenen „Schuuulz“-Sprechchören, in Anlehnung an den Ex-Dortmunder Michael Schulz, frenetisch gefeiert. Es sollte sich rückblickend als eine der wenigen Sternstunden des mittlerweile 30-Jährigen im schwarz-gelben Dress herausstellen.
Am heutigen Donnerstag hat der Vizemeister der vergangenen Bundesliga-Saison die vorzeitige Vertragsauflösung im beiderseitigen Einvernehmen per Pressemitteilung publiziert. Schulz, mit einem Salär von kolportierten 5,5 Millionen Euro per annum fürstlich entlohnt, erhält dafür eine Abfindung in Höhe von 2,5 Millionen Euro. Gleichzeitig können Kehl, Watzke und Co. einen Haken hinter eines der größten Missverständnisse der Vereinsgeschichte respektive medial ausgeschlachteten Neverending-Story machen. Doch was hat diese Liaison derart scheitern lassen?
Die Leistungen des introvertierten gebürtigen Berliners wurden während seines BVB-Kapitels fortwährend mit der astronomischen Ablösesumme von 25,5 Millionen Euro in Relation gesetzt. Dass jedweder Profi allerdings per se nichts für seinen Marktwert respektive einen überwiesenen Geldbetrag kann, sollte selbsterklärend sein. Nach einem soliden Start unter Trainer Lucien Favre hatte der zwölffache deutsche Nationalspieler Schulz (letzter Einsatz im DFB-Trikot am 11. November 2020 beim 1:0-Sieg gegen Tschechien) zunehmend mit langwierigen Muskelblessuren zu kämpfen und infolgedessen stagnierten ebenso seine sportlichen Darbietungen.
Dass sich die Dortmunder Borussia zudem seit Jahren im Umbruchs-Marathon befindet, trug ebenfalls nicht zur Stabilisierung des angeknacksten Selbstbewusstseins und einer sportlichen Renaissance bei. Fatal: Der 1,80 m große Schulz wurde, nach einer formidablen Bundesliga-Saison 2018/19 im beschaulichen Hoffenheim (30 Partien/ ein Tor/ sechs Assists), von Beginn an unter falschen Voraussetzungen gescoutet beziehungsweise verpflichtet. Im Kraichgau konnte er sein Tempo als offensiv positionierter Schienenspieler in der Dreier- respektive Fünferkette progressiv ins Gefüge einbringen.
(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)
Beim BVB sollte Schulz dagegen in einer Viererkette den deutlich defensiver gestaffelten, positionsgebundenen Linksverteidiger verkörpern. Doch schnell wurden die bekannten (!) Schwächen im Rückwärtsgang sowie Zweikampfverhalten offensichtlich, sodass sich der Protagonist zunehmend in der Rolle des Bankdrückers wiederfand. Neben der schwierigen sportlichen Situation wurde 2022 zudem eine Anschuldigung seiner Ex-Freundin wegen körperlicher Gewalt publik. Es folgten scharfe Anfeindungen über Social-Media, infolgedessen der Profi exemplarisch seinen Instagram-Account löschte.
Die Einsatzzeiten des einstigen Hoffnungsträgers wurden überdies immer sporadischer – letzter (Kurz-)Einsatz für Borussia Dortmund am 7. Mai 2022 im Bundesliga-Auswärtsspiel bei Greuther Fürth – und spätestens seit dem Trainerwechsel zu Edin Terzic wenige Wochen danach war augenscheinlich, dass Schulz keine fußballerische Zukunft mehr bei den Westfalen haben würde. Die Funktionäre und Schulz‘ Berater Roger Wittmann versuchten fortan den Defensivakteur zu veräußern, doch aufgrund der geringen Spielpraxis, einem hoch dotierten Vertrag und der privaten Anschuldigungen gab es nur loses Interesse anderer Vereine.
Nach einem Jahr Schattendasein als Profi sollte die aktuelle Transferperiode zum Neuanfang dienen. Als der seit einigen Wochen freigestellte Schulz erneut keinen Abnehmer präsentieren konnte, entschloss sich der BVB für den letztmöglichen Schritt, nämlich das kostspielige Kapitel per Vertragsauflösung endgültig zu beenden. In Anbetracht der fortwährenden Häme und des Unmuts der Fans die beste Entscheidung für Verein wie Spieler. Ob und wie es mit Schulz im Business Profifußball weitergeht, steht derweil in den Sternen.
(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)