90PLUS
·7. August 2019
90PLUS
·7. August 2019
Nach einer der spannendsten Spielzeiten, die die Fußballinsel je erlebte, startet die Premier League am Freitag, den 9. August mit dem Spiel zwischen dem FC Liverpool und Norwich City in die Saison 2019/2020. In unserer fünfteiligen Vorschau analysieren wir alle 20 Teams.
(Letzte Saison: 3. Platz)
Die „Blues“ blicken auf eine Saison voller Höhen und Tiefen zurück, die am Ende mit dem dritten Platz und der damit verbundenen Qualifikation für die Champions League durchaus ein positives Ende fand. Lässt man die in der letzten Spielzeit einfach unerreichbaren Teams von Liverpool und Manchester City einmal außen vor, hat Chelsea es geschafft, den Vierkampf um die begehrten Plätze drei und vier für sich zu entscheiden, wenn auch denkbar knapp. Erst am vorletzten Spieltag konnten sich die Londoner wieder in die Top-3 zurückarbeiten, in die sie zuvor seit dem 14. Spieltag nicht mehr vordringen konnten und beendeten die Saison mit nur zwei Punkten Vorsprung auf den fünften Platz.
Trotzdem gab es immer wieder Probleme zwischen Maurizio Sarri und den Anhängern der “Blues”, die sich mit dessen Spielstil nicht identifizieren konnten. “Fu** Sarriball” hallte es durch die Stamford Bridge – und das nicht selten. Das große Highlight der Saison war ein Finale, nämlich das der Europa League. Dort konnte man in einem Endspiel, in dem man deutlich überlegen war, den Stadtrivalen Arsenal bezwingen und den Titel feiern. Auch für Sarri selbst, der seine schwere Zeit in London zu einem versöhnlichen Ende bringen konnte, war dies eine Art persönlicher Triumph.
Mit Eden Hazard hat Chelseas absoluter Top-Spieler den Vereins in Richtung Madrid verlassen, ein Verlust, der nun aus den eigenen Reihen heraus kompensiert werden muss. Denn obwohl die „Königlichen“ eine Ablöse in Höhe von rund 100 Millionen Euro für den Belgier gezahlt haben, können die „Blues“ sich aufgrund der von der Fifa verhängten Transfersperre nicht durch Neuzugänge verstärken. Immerhin wurde Mateo Kovacic fest verpflichtet, der bereits in der vergangenen Saison auf Leihbasis für Chelsea spielte und somit bereits beim Verein gemeldet war. Man wird also auf die eigene Jugend setzen müssen, in der er es glücklicherweise nicht an Qualität mangelt.
Die Eigengewächse Callum Hudson-Odoi (18) und Ruben Loftus-Cheek (23) haben sich in der letzten Saison bewiesen. Hudson-Odoi wurde lange vom FC Bayern umworben, soll sich aber doch für einen Verbleib entschieden haben. Mit Christian Pulisic (20) wurde bereits im Winter eines der größten Talente für die Außenbahn verpflichtet, der US-Amerikaner spielte aber in der Rückrunde noch für Borussia Dortmund. Spieler wie Tammy Abraham (21), Tiemoué Bakayoko (24) und Mason Mount (20) kehren nach Leihe zurück zu den Londonern und haben bei ihren jeweiligen Stationen in der letzten Saison bewiesen, dass sie das Zeug dazu haben, sich auch bei einem Verein wie Chelsea mittelfristig in den Vordergrund zu spielen.
Mit Frank Lampard hat man außerdem einen Trainer gefunden, der durch seine persönliche Geschichte bereits ein starkes Standing bei Fans und Verein hat. Und vielleicht ist gerade das notwendig, denn der Kader konnte wie bereits erwähnt nicht runderneuert werden, viele Fragen sind offen. Bei Derby County sammelte Lampard wertvolle Erfahrungen und spielte mit dem Team auch in der Spitzengruppe der Championship. Die ganz großen taktischen Finessen waren aber nicht zu erkennen. Das muss sich bei den “Blues” ändern.
Es wird sehr interessant werden, ob man es beim FC Chelsea schafft, die hochbegabte Jugend entsprechend einzusetzen und trotz erzwungener Auszeit aus dem mittlerweile „normalen Transferwahnsinn“ eine erfolgreiche Saison zu spielen. Mit Frank Lampard hat man zwar einen Trainer geholt, der in vielerlei Hinsicht ins Profil passt, aber noch unerfahren ist. Der Sprung zu einem internationalen Topteam wie Chelsea ist daher ein sehr großer und es wird sich erst zeigen müssen, ob Lampard diesem Druck gewachsen ist und den hohen Erwartungen gerecht werden kann. Das Ziel ist klar, die Champions League soll erreicht werden. Dafür muss aber alles passen!
Ruben Loftus-Cheek hat in diesem Jahr bewiesen, dass er das Zeug zum Topspieler hat. Der 23-Jährige ist ein klassischer Box-to-box-Spieler, agiert am liebsten im zentralen Mittelfeld und stößt immer wieder zum gegnerischen Strafraum vor. Er bringt eine hervorragende Mischung aus Physis und Technik mit, profitierte zudem von dem Jahr unter Maurizio Sarri.
Der bei den „Blues“ ausgebildete Engländer konnte in der vergangenen Saison besonders in der Europa League glänzen, in der er im Halbfinale das wichtige 1:0 gegen Eintracht Frankfurt erzielte und mit insgesamt vier Treffern und drei Assists in elf Einsätzen einen maßgeblichen Teil dazu betrug, das Chelsea den Titel mit an die Stamford Bridge nehmen konnte. Auch in der Liga bekam Loftus-Cheek mehr Einsätze, stand bei seinen insgesamt 24 Auftritten jedoch nur drei Mal über die vollen 90 Minuten auf dem Feld. Das könnte sich in der kommenden Saison ändern, auch wenn man zunächst abwarten muss, wie Frank Lampard im Mittelfeld plant.
Ein wirklicher Newcomer ist der dribbelstarke Flügelspieler nun nicht. Dennoch steht Callum Hudson-Odoi in der kommenden Saison unter besonderer Beobachtung. Denn nach vielen Abwerbungsversuchen stehen die Zeichen nun auf Vertragsverlängerung in London, sicher auch bedingt durch Frank Lampard. Es wird spannend zu sehen sein wie sich der Youngster mit der höheren Erwartungshaltung und vor allem nach seiner schweren Verletzung (Achillessehnenriss) präsentiert.
Hudson-Odoi besticht vor allem durch sein Tempo und seine Fähigkeiten im Dribbling. Dazu kann der Youngster auf beiden Flügeln spielen, schlägt als Rechtsfuß auch sehr präzise Flanken mit links und ist für sein Alter bereits erstaunlich abgeklärt auf dem Feld, auch wenn ihm noch die Konstanz fehlt. Noch ist unklar wann “CHO” wieder bei 100 % ist, aber wenn er wieder voll angreifen kann, dann will er sich einen Platz im Team von Frank Lampard erkämpfen.
(Letzte Saison 9. Platz)
Nach 27 Spieltagen der Saison 2018/2019 war auch für den dritten Trainer in zwei Jahren Schluss. So sehr Leicester City unter Claude Puel Fortschritte im Ballbesitz machte, so sehr bremste das Team die anhaltenden Defensivprobleme und die fehlende Kreativität im Angriffsdrittel. Der Abgang Riyad Mahrez’ zu Manchester City machte die Arbeit des Franzosen nicht leichter. Dass in dem Kader nicht nur offensiv mehr steckt, bewies allerdings Brendan Rodgers, der am 28. Spieltag für Puel übernahm. In den zehn Spielen unter der Leitung des Nordiren verbesserten sich die Foxes in den Kategorien Torausbeute pro Spiel (1,2 auf 1,7), Gegentore pro Spiel (1,4 auf 0,9) und auch Punkte pro Spiel (1,19 auf 1,7). Letztendlich erreichte Leicester Platz neun.
Zugegeben, es war nur eine kleinere Kostprobe. Doch binnen kürzester Zeit war Rodgers’ Handschrift bei Leicester zu erkennen. Das Spiel der talentierten Mannschaft wirkte strukturierter und ausbalancierter. Damit die Foxes allerdings auf einen Europa-League-Platz schielen können, bedarf es im feinen, aber kleinen Kader einiger Verstärkungen. Eine dieser Verstärkungen war schon zur Rückrunde als Leihgabe da, ist dafür aber umso wichtiger: Youri Tielemans (22; AS Monaco). Der Belgier ist der absolute Taktgeber der Mannschaft und konnte für stolze, aber durchaus berechtigte 45 Millionen Euro von den Monegassen abgeworben werden.
Ebenfalls stolz war die Ablösesumme von Ayoze Pérez (25; Newcastle; 33 Millionen Euro). 2018/2019 erlebte der vielseitige Spanier bei den Magpies mit zwölf Toren eine Art Durchbruch. Im Gegensatz zu Tielemanns stellt der inkonstante Pérez allerdings eher eine riskante, wohl überteuerte Verpflichtung dar. Leicesters Offensive um Goalgetter Jamie Vardy (32), Senkrechtstarter James Maddison (22) sowie Demarai Gray (23), Harvey Barnes (21) und Marc Albrighton (29) ist dafür zweifelsohne variabler.
Das Schwerpunktthema des Sommers war allerdings der Abgang von Abwehrchef Harry Maguire (26). So schwer sein Verlust auch wiegt, die Foxes leisteten bei den Verhandlungen mit Manchester United einen hervorragenden Job, wichen nicht von ihren Forderungen ab und kassierten knapp 90 Millionen Euro Ablöse. Einen Nachfolger gibt es einen Tag vor Transferschluss allerdings nicht. Lewis Dunk (27; Brighton) beispielsweise würde nicht mal die Hälfte der Maguire-Ablöse kosten und deutlich mehr als die Hälfte seiner Lücke schließen. Eine weiterer, etwas riskanter Ansatz, Maguire zu ersetzen, wäre Caglar Söyüncü (22). Der Türke, der letzten Sommer wohl nicht ohne Grund verpflichtet wurde, zeigte sich in der Vorbereitung verbessert, muss aber ruhiger und konstanter werden.
Der starke Sechser Wilfred Ndidi (22) sowie die aufspielenden Außenverteidiger Ben Chilwell (22) und Ricardo Pereira (25) werden bei der Integration des Maguire-Nachfolgers jedenfalls ebenso von großer Hilfe sein wie die Routiniers Johny Evans (31) und Kasper Schmeichel (32).
Prognose
Der Abgang von Harry Maguire wiegt zwar schwer, könnte allerdings von dem homogenen wie talentierten Kader Leicesters besser abgefangen werden, als vielleicht befürchtet. Nach einer vollen Vorbereitung unter Brendan Rodgers sollten die Foxes einen Tick höher zielen, als auf den neunten Platz der Vorsaison. Um ein ernstes Wörtchen bei der Vergabe der Europa-League-Plätze mitreden zu können, ist Leicester wohl noch nicht ganz so weit. Dazu ist die Konkurrenz zu groß. Eine konstante Saison wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Bei der starken Rückrunde, die Youri Tielemans während seiner Leihe zeigte, war es sehr verwunderlich, dass sich Leicester scheinbar ohne größeren Konkurrenzkampf seine feste Verpflichtung sichern konnte.
Der hochtalentierte Belgier, der bereits mit 16 sein Profidebüt für Anderlecht gab, war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Ideen von Brendan Rodgers so schnell auf dem Platz umgesetzt werden konnten.
Tielemans beeindruckt mit einer beachtlichen Entscheidungsfindung, tollem Auge, Passsicherheit und Spielintelligenz. Bei einer Ablösesumme von 45 Millionen Euro von einem Schnäppchen zu reden, ist natürlich absurd. Doch auf dem heutigen Markt wäre es kaum verwunderlich, wenn Leicester nächste Saison Angebote für ihn erhält, die deutlich darüber liegen.
Hamza Choudhurys gab bereits 2017 sein Debüt für die Foxes. Vergangene Spielzeit brachte er es auf knapp 600 Spielminuten. Und 2019/2020? Da könnte der endgültige Durchbruch folgen.
Der zentrale Mittelfeldspieler mit der Afrofrisur scheint in den Plänen von Brendan Rodgers eine bedeutende Rolle zu spielen. In den letzten drei Saisonspielen unter seiner Regie, stand der 21-Jährige gegen Arsenal, Manchester City und Chelsea jeweils in der Startelf.
Der Trend sollte sich nach einer imposanten Vorbereitung fortsetzen. Choudhury überzeugte durch Präsenz, Zweikampfstärke und vor allem durch seinen defensiven Riecher für den Ball.
(Letzte Saison 11. Platz)
Trotz der nur bedingt überzeugenden Ergebnisse zum Ende der Saison 2017/2018 hielt der bekanntlich ungeduldige FC Watford an Trainer Javi Gracia fest. Der Spanier war immerhin der achte Trainer seit 2011. Die neue Geduld zahlte sich aus. Obwohl die Hornets den Kader nur geringfügig verstärkten, gelang es Gracia, die äußerst anfällige Abwehr zu stabilisieren und wichtiger noch, ein homogenes, diszipliniertes Mannschaftsgefüge zu entwickeln. In allen Bereichen, sei es in der Offensive, Defensive, zuhause oder auswärts, war Watford Liga-Durchschnitt. Für einen allgemeinen Abstiegskandidaten war das ein wahrer Erfolg.
2019/2020 soll darauf nun aufgebaut werden. Dabei scheint wie im Vorjahr der Trainer eine entscheidende Rolle zu spielen, denn auf dem Transfermarkt hielt man sich erneut verhältnismäßig zurück. Lediglich ein Talent mit Tom Dele-Bashiru (19; Manchester City, ablösefrei) sowie eine Innenverteidiger-Alternative, Craig Dawson (29; West Bromwich; 6 Millionen Euro), an Land. Einzig die Verpflichtung eines Ismaïla Sarr (21; Stade Rennes) wäre von größerer Bedeutung. Doch der Flügelspieler konnte ein Tag vor Transferschluss noch nicht an Land gezogen werden.
Die verhaltenen Transferaktivitäten waren allerdings wohl auch der Plan, denn im Nordwesten Londons hat man anscheinend festgestellt, dass Kontinuität nicht nur auf dem Trainerstuhl Wunder bewirken kann. An den mittelfristigen Zielen des Vereins, “the best of the rest” zu sein, hat sich dagegen allerdings nichts verändert.
Folglich war es für die Hornets umso wichtiger, dass man die Mannschaft aus dem Vorjahr zusammenhalten konnte. Bis auf Dodi Lukebakio (21; Hertha BSC; 20 Millionen Euro), der trotz überzeugender Leihe bei Fortuna Düsseldorf in den Plänen Gracias keine Rolle spielte, hat Watford keine nennenswerten Abgänge zu vermelden. Watford wird daher auch 2019/2020 in einem stabilen 4-4-2 antreten. Das Herzstück ist dabei natürlich die Doppelsechs, bestehend aus dem erfahrenen Etienne Capoue (31) und dem dynamischen Abdoulaye Doucouré (26), dessen erneuter Verbleib weit mehr wert ist als jeder Neuzugang. Mit Will Hughes (24), der im Zentrum aufblühte, und dem talentierten, aber anfälligen Nathaniel Chalobah (24), stehen weitere gute Optionen parat.
Das kompakte Mittelfeldzentrum erlaubt den kreativen Roberto Pereyra (28) sowie Gerard Deulofeu (25) offensiv zu wirbeln und die eindimensionalen Stürmer Troy Deeney (31) und/oder Andre Gray (28) mit genügend Impulsen zu versorgen. Darüber hinaus ist die durchschnittlich besetzte Abwehr durch die Defensivarbeit Doucourés und Capoues erheblich entlastet.
Prognose
Obwohl sich Watford scheinbar auf Kontinuität einlässt, muss Javi Gracia den positiven Trend der Vorsaison bestätigen. Die Vereinsführung um Besitzerfamilie Pozzo möchte sich von dem Durchschnitt der Premier League abheben. Gracias Kompetenz dürfte, und das ist keine Kritik, dazu allerdings nicht genügen. Der Kader ist talentiert, passt durch den Einfluss und das System des Trainers hervorragend zusammen. Viel mehr als der elfte Platz aus dem Vorjahr ist bei der spendierfreudigen Konkurrenz in der oberen Tabellenhälfte allerdings nicht drin.
An Abdoulaye Doucouré kommt man in dieser Kategorie nicht vorbei. Der Franzose ist und bleibt der wichtigste Spieler im Kader von Javi Gracia.
Mit seiner ungebremsten Dynamik, herausragenden defensiven Antizipation, aber auch seinem Einfluss auf das Offensivspiel, ist das Energiebündel für die Hornets auch 2018/2019 unverzichtbar gewesen. Doucouré und Capoue bilden das Rückgrat des Teams, erlauben somit eine gesunde Balance zwischen Offensive und Defensive.
2019/2020 bleibt diese Achse Watford glücklicherweise erhalten. Docuouré wurde mit einigen Teams, darunter dem FC Everton, in Verbindung gebracht. Ein Verkauf konnte allerdings erneut abgewehrt werden.
Der Abgang von Richarlison zum FC Everton ist bereits ein Jahr her. Doch das hat den Einfluss des Brasilianers auf den FC Watford nicht geschmälert, besser gesagt sein Tarnsfer aus dem Jahr 2017.
Damals, als die Hornets nämlich Richarlison für günstige 12 Millionen Euro von Fluminense verpflichteten, machten sie ein weiteres Schnäppchen. Sie sicherten sich eine Option für den 15-jährigen João Pedro, der ebenfalls bei Fluminense unter Vertrag stand. Kostenpunkt? Lediglich 2 Millionen Euro.
Zwei Jahre später gab João Pedro im Alter von 17 Jahren sein Profidebüt für den brasilianischen Klub. Im Ligaspiel gegen Cruzeiro wurde der Angreifer in der 70. Minute eingewechselt und traf prompt zwei Mal. Bei seinem nächsten Spiel, ein Startelfeinsatz in der Copa Sudamericana gegen Atletico Nacional, erzielte er binnen 33 Minuten einen lupenreinen Hattrick.
Seitdem ist João Pedro nicht nur Stammspieler bei Fluminense, sondern auf dem Weg, ein nationaler Star zu werden. Das könnte er ab Winter auch in der Premier League werden, denn letztes Jahr zog Watford in weiser Voraussicht Pedros Option. Das Sturmtalent kommt im Januar an die Vicarage Road.
(Letzte Saison: 2. Platz Championship)
Letztes Jahr waren die Wolverhampton Wanderers der außergewöhnliche Aufsteiger auf der Fußballinsel. Dieses Jahr ist es Sheffield United. Dabei könnten die Klubs nicht unterschiedlicher sein. Gaben die Wolves in den zwei Jahren vor ihrem Aufstieg stolze 60 Millionen Euro für neue Spieler aus, gefolgt von weiteren 110 Millionen Euro vor dem Saisonstart der Premier League, waren es bei Sheffield United lediglich 13 Millionen Euro plus weitere 43 Millionen diesen Sommer.
Warum also sind die Blades so außergewöhnlich? Dazu muss man sich zunächst einmal den Werdegang des Klubs anschauen. Nach dem umstrittenen Abstieg aus der Premier League 2007, den die in verbotener Dritteignung befindlichen Carlos Tevez und Javier Mascherano mit West Ham besiegelten, ging es nach vier Jahren weiter runter in die dritte Liga. Dort steckte das Team aus Yorkshire sechs Jahre fest, ehe Chris Wilder das Zepter übernahm. Der ehemalige Spieler führte Sheffield nach drei gescheiterten Playoff-Versuchen in seiner ersten Spielzeit 2017 als Tabellenführer zurück in die Championship. Zwei weitere Jahre später gelang ihm nach einer sensationellen Rückrunde als Zweitplatzierter gar die Rückkehr in die Premier League.
Außergewöhnlich war in dieser Zeit vor allem die Herangehensweise auf dem Platz. Schon in der dritten Liga ließ Wilder ein 3-5-2 praktizieren. Modern, aber bei Leibe nicht außergewöhnlich. Außergewöhnlich dagegen ist, wie die Formation funktioniert, sind es doch die Innenverteidiger, die die offensiven Außenverteidiger überholen und somit stets Überzahl auf dem Flügel schaffen. Einzig John Egan (26) ist ausschließlich mit defensiven Aufgaben betreut. Es wird faszinierend zu beobachten sein, wie sich Wilders Mannschaft auf diese Art gegen einige der besten Offensivspieler der Welt anstellt. An seiner Ausrichtung, das hat der 51-Jährige bereits angekündigt, werde man jedenfalls auch in der Beletage des englischen Fußballs festhalten.
An seine Herangehensweise auf dem Transfermarkt hielt Wilder vor der Rückkehr in die Premier League ebenfalls fest. Sorgfältig ausgewählte Spieler, besser gesagt Charaktere, die sowohl zum System, vor allem aber zu seiner Philosophie passten, wurden an Land gezogen. Ex-Blade Phil Jagielka (37; ablösefrei) soll dem Team seine Erfahrung aus 360 Erstligaspielen einhauchen. Luke Freeman (27; QPR; 6 Millionen Euro), das einstige Top-Talent Ravel Morrison (26; Östersund; ablösefrei) und Callum Robinson (24; Preston NE; 8 Millionen Euro) sollen für mehr Kreativität sorgen. “Königstransfer” Oliver McBurnie (23; Swansea; 20 Millionen Euro) soll mit 22 Saisontoren im Rücken ebenso wie Lys Mousset (23; Bournemouth; 12 Millionen Euro) dem Angriff um Kapitän Billy Sharp (33) mehr Schlagfertigkeit verpassen.
Prognose
Von allen 20 Klubs der Premier League dürfte Sheffield United die geringste individuelle Qualität vorzuweisen haben. Ob die Blades sich mit ihrem Ensemble aus guten Dritt- und Zweitligaspielern in der Liga halten können, wird davon abhängen, wie Wilders System im englischen Fußballoberhaus funktioniert. Eines ist allerdings sicher, mit dem außergewöhnlichen Aufsteiger sollte es 2019/2020 nicht langweilig werden.
Einer der angesprochenen Innenverteidiger mit Offensivdrang ist Jack O’Connell. Nach einer zuvor unspektakulären Karriere, mauserte sich der Engländer nach seinem Wechsel von Brentford im Sommer 2016 bei Sheffield zu einem absoluten Leistungsträger.
O’Connell ist für diese außergewöhnliche Position im Wilder-System unverzichtbar und maßgeschneidert. Der Linksfuß ist defensiv eine Bank, offensivhungrig und unglaublich laufstark.
Mit 25 Jahren ist O’Connell im besten Alter für einen Innenverteidiger und könnte, bei entsprechender Bestätigung der Entwicklungskurve, sich beim Aufsteiger sogar für Höheres empfehlen.
Für Sheffield United ist Dean Henderson kein Newcomer mehr. Im zarten Alter von 21 Jahren war der Torhüter bereits vergangene Saison der absolute Rückhalt der Blades.
Da sein eigentlicher Arbeitgeber, Manchester United, mit David De Gea im Kasten bestens versorgt ist, stand einer erneuten Leihe nach Yorkshire nichts im Wege. Nun hat der Engländer die Chance, seine Entwicklung in der Premier League zu beschleunigen und sich für kommende Aufgaben zu empfehlen. Bei den Red Devils steht Henderson noch bis 2022 unter Vertrag.
(Photo by OZAN KOSE / AFP)