
Rund um den Brustring
·18. März 2025
Rund um die Mitgliederversammlung: Im Gespräch mit Präsidentschaftskandidat Jochen Haas

Rund um den Brustring
·18. März 2025
Der Vereinsfußball pausiert und der VfB nutzt diese Pause für seine Mitgliederversammlung. Am Samstag wählen die Mitglieder einen Präsidenten und ein Präsidium. Wir haben mit Präsidentschaftskandidat Jochen Haas über seine Kandidatur und seine Ziele gesprochen.
Rund um den Brustring: Wie ist der Entschluss entstanden, für das Amt des VfB-Präsidenten zu kandidieren?
Jochen Haas: Ich war grundsätzlich immer am Thema Sportmanagement interessiert und mich vor allem die letzten Jahre gereizt. Noch ein gutes Stück vor dem Ende meiner beruflichen Laufbahn im Februar 2024 waren Überlegungen da, wie ich meine beruflichen Erfahrungen mit meiner Leidenschaft verbinden kann. Leider war zu diesem Zeitpunkt bei meinem Herzensverein VfB Stuttgart keine für mich in Frage kommende Stellen frei. Ich wollte aber auch zu keinem anderen Fußballclub gehen, denn man muss diesen Job mit Herz und Seele ausfüllen – das geht für mich nur beim VfB. Im Verlauf der darauffolgenden Monate schien sich ein Fenster zu öffnen, leider dann eben verbunden mit der Abwahl des Präsidiums, was sicherlich keine schöne Situation für alle war. Ab dem Zeitpunkt wurden meine Überlegungen konkreter und ich begann mir damals Gedanken zu machen, wie eine Strategie aussehen könnte, um dem VfB zu helfen. Sommer 2024 war dann der Startschuss für mein Team und mich, das Ganze mündete dann in meiner Bewerbung für das Amt des Präsidenten im November 2024. Einmal entschieden kam mir auch niemals der Gedanke nochmal über meine Kandidatur nachzudenken – ich wollte und will dies von ganzem Herzen.
Was wollen Sie anders und/oder besser machen als der letzte gewählte Präsident, Claus Vogt?
Ich tue mich immer sehr schwer zu sagen, was macht man besser als der oder diejenige Person. Vor allem wenn man kein Insider ist und Umstände bzw. Hintergründe nicht kennt, entstehen schnell Fehleinschätzungen und falsche Urteile über eine Person und ihre Arbeit. Das ist überhaupt nicht meine Art. Zu einigen Punkten habe ich meine eigenen Ideen und Vorstellungen – ich würde hier gerne die 3 oder 4 wichtigsten Punkte anführen:
1. Ich habe die Möglichkeit, mich im Grundsatz jeden Tag um die Belange des Vereins und damit auch um die Mitglieder zu kümmern. Dies ist aus meiner Sicht bei der Anzahl der Mitglieder wie auch der Dynamik der Vereinsbeitritte absolut notwendig. Die Aufgabenfülle innerhalb des Vereins ist riesengroß geworden und das tägliche Geschäft unter dem aktuellen Setup fast nicht mehr zu bewältigen. Da ist es gut wenn eine weitere helfende Hand dazukommt, vor allem dann eben in dieser exponierten Position. Neben dem Tagesgeschäft warten ja noch viel mehr Aufgaben wie die Abteilungen, das NLZ, die Jugendmannschaften, Management der Mitarbeiter, Infrastrukturprojekte wie ein neues Stadion, Aufsichtsratssitzungen und die Übernahme von Repräsentationsaufgaben auf einen. Und auch diese Aufzählung ist sicher bei weitem nicht vollständig. Sie sehen – es gibt sehr viel zu tun und die Mitglieder dürfen auch erwarten, dass sich die Gremien inklusive dem Präsidenten zeitnah und verbindlich um die Sorgen der Mitglieder kümmern.
2. Das Thema rund um unsere Abteilungen ist ein sehr wichtiger Punkt für mich. Einerseits haben wir zu wenig Sportstätten oder ‑hallen, andererseits ist ihre Weiterentwicklung über die letzten Jahre ins Stocken geraden. Hier spielt das Thema Wertschätzung, Interesse und Verbindlichkeit eine große Rolle. Auch hier will ich mich dafür einsetzen, unseren aktiven Sportlern die entsprechenden Umstände ermöglichen, dass sie einerseits ihre Sport mit noch größerer Freude ausüben und ihre Leistung zu 100% für den VfB abrufen können. Andererseits will ich sie direkt in die Weiterentwicklung miteinbinden und ihnen nicht das Gefühl geben sie sind nur dabei – sondern dass sie eben im Mittelpunkt stehen. Auch hier werde ich mich persönlich und an vorderster Front für sie einsetzen und wenn gewünscht, bei jedem wichtigen Gespräch dabei sein. Zudem sollten wir uns nicht verschließen, weitere Sportarten ins Programm aufzunehmen oder zumindest mal antesten, ob eine Nachfrage innerhalb des Vereins besteht. So schaffen wir es mehr aktive Sportler und vor allem auch junge Sportler für uns zu gewinnen. Sie stärken unsere Basis und vertreten unseren Verein im VfB Trikot mit Leidenschaft nach außen. Der VfB steht für aktiven Sport. Win-Win für uns alle.
3. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Mitbestimmung innerhalb des Vereins. Sehr oft habe ich festgestellt, dass der Verein die Mitglieder vor vollendete Tatsachen stellt und man keine Chance hat, sich irgendwie einzubringen oder aktiv mitzubestimmen. Diesen negativen Eindruck der Mitglieder würde ich gerne ins Positive drehen. Ich will den Mitgliedern die Möglichkeit geben, mitzudiskutieren welchen Programme und Aktionen wir anpacken, um uns für die Zukunft fit zu machen. Ich wünsche mir auch eine lebendigere, durchaus auch positiv kritischere Mitgliederversammlung. Mitglieder die sich einbringen, anpacken und was bewegen wollen. Kombiniert mit einem hochmotivierten, gut aufgestelltem Präsidium bzw. Gremien ist das der Schlüssel, um zu der alten Stärke des e.V. zurückzukehren. Mit dieser breiten Unterstützung können wir dann die Interessen der Mitglieder auch würdig vertreten und durchsetzen – die Mitbestimmung steigt.
Wo sehen Sie die wichtigsten Handlungsfelder im VfB e.V. in den nächsten Jahren?
Meine wichtigsten Handlungsfelder sind hier finanzielle Stabilität, Steigerung der Mitbestimmung durch aktive Zusammenarbeit, die Weiterentwicklung des tollen Weges unseres NLZ, Steigerung der Wertschätzung der Mitglieder und der Abteilungen. Und da beziehe ich die Ehrengarde und die Schiedsrichter explizit mit ein — nicht dass da ein falscher Eindruck entsteht. Miteinbindung von Mitgliedergruppen, die sich aktiv in Think Tanks neuen Ideen einbringen (wie eben gerade beispielsweise einem VfB Museum) und auch, gemeinsam mit den Gremien, umsetzen. Ich wünsche mir eine verbesserte interne Kommunikation in den Gremien und gegenüber den Mitglieder oder die Einführung von neuen Sportarten bzw. Abteilungen beim VfB. Auch die Knappheit an Sportstätten oder Hallen ist ein wichtiges Thema, genauso wie die Überlegung zusätzlich ein kleineres Stadion zu bauen. Sie sehen, es ist eine unglaublich große Zahl an Zielen, aber diese Zeit nehme ich mir gerne, um eine Großteil in der Zukunft mit Elan und Leidenschaft umzusetzen. Ich will mit allen zusammen mehr Miteinander, mehr Vertrauen, mehr Verständnis und damit mehr „Schwaben Spirit“ erzeugen.
Und was sind Ihre Ziele für die Präsidentschaft?
Ich bin bei den vorangegangenen Fragen eigentlich sehr detailliert auf meine Ziele eingegangen. Das für mich über allem stehende Ziel ist aber eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten beim VfB, um den Verein mit Ruhe, Kontinuität und Stabilität in die Zukunft zu führen. Da müssen wir hin.
Halten Sie die Einrichtung eines festen Vereinsmuseums für sinnvoll und umsetzbar?
In vielen meiner Gespräche mit den Fanclubs wurde dieser Wunsch geäußert. Der VfB hat fußballtechnisch eine sehr lange Tradition, viele und große sportliche Erfolge, sensationelle Fans mit einer außergewöhnlichen Unterstützung für den Verein und fantastischen Choreographien weit über die Kurve hinaus. Und das darf man gerne mit breiter Brust nach außen in einem Museum zeigen. Genauso sollten wir unsere tollen Abteilungen miteinbinden — auch hier haben wir absolute Spitzensportler — national wie international. Zudem könnten wir den Besuchern unser aktives Sportangebot näher bringen, erklären und vielleicht dadurch auch ihr Interesse wecken. Das Vereinsmuseum muss allumfassend und ein Platz des Wohlfühlens sein. Leider gibt es auch hier zwei Restriktionen, die aufgelöst werden müssen. Platzangebot — ich glaube nicht, dass unsere MHP Arena das hergibt und die Finanzierung. Aber das ist nur der momentane Status Quo. Ich würde auch hier versuchen alles dafür tun, um den Mitgliedern und Besuchern einen Ort zu geben, wo man historische Erfolge nochmal aufleben lassen kann, wo man sich untereinander austauscht, wo man sich über die Entstehung und Entwicklung des VfB informiert, wo die Tradition nicht nur spürbar sondern auch erlebbar ist, um diese Tradition bei einem Besuch auch an weitere Generationen weiterzugeben.
Der VfB hat über 120.000 Mitglieder. Wie wollen Sie diese in das Vereinsleben einbinden?
Das Ziel sind nicht 120.000 Mitglieder sondern so viele einzubinden wie wir können und vor allem, wenn möglich, so viel wie auch tatsächlich wollen. Zudem stellt sich die Frage wie man Vereinsleben definiert. Für mich ist die Grunddefinition des Vereinslebens, eine aktive Teilnahme am Sportgeschehen innerhalb einer Abteilung. Nur dann entsteht diese spezielle Verbundenheit, der Teamgeist, die Begeisterung und der Zusammenhalt auf, der für ein gesundes Vereinsleben notwendig ist. Nur ein kleiner Bruchteil, ich schätze maximal 1.500 Mitglieder sind in unseren Abteilungen aktiv – beginnend von top Leistungen auf Bezirksebene, Verbands- und Oberligen, auf deutscher Ebene bis hin zu Sportlern auf europäischem oder gar Weltklasseniveau. Hier geht’s weniger um die Einbindung ins Vereinsleben sondern um die Aufmerksamkeit und Wertschätzung die ihnen entgegengebracht wird.
Wir haben natürlich sehr viele Mitglieder auch aufgrund der Tatsache, dass wir beim VfB schon seit längerem sehr attraktiven Fußball spielen und nur über eine Mitgliedschaft die Chance besteht, an Eintrittskarten zu kommen. Die dann vielleicht auch nicht aktiv Sport beim VfB treiben wollen oder können. Für diese tolle aber auch große Anzahl von Mitgliedern sind Events, die man persönlich besuchen kann, natürlich sehr schwierig auf die Beine zu stellen. Es bleiben da als Möglichkeit nur rund um die Spiele des VfB oder eben auch mal ein großes Sommerfest für alle Mitglieder, warum nicht auch mal mitten im Stadion.
Ansonsten gibt es vielzählige Möglichkeiten, damit die Mitglieder mehr am Vereinsleben teilnehmen oder zu partizipieren können. Ich will hier nur ein paar Ideen nennen, die ich dazu im Kopf habe:
✓ Online-Foren oder regelmäßige Diskussionsrunden über aktuelle Themen des Vereins könnten den Austausch zwischen den Mitgliedern fördern und sie in Entscheidungsprozesse einbinden.
✓ Gamification: Ein System, bei dem Mitglieder durch bestimmte Aktivitäten (z.B. Teilnahme an Veranstaltungen, Engagement in sozialen Medien, Teilnahme an Abstimmungen) Punkte sammeln können, die gegen Prämien eingelöst werden können.
✓ Jugend- und Bildungsprojekte: Projekte, die Mitglieder in Bildung und Jugendarbeit einbinden, könnten besonders für jüngere Mitglieder interessant sein. Der Verein könnte z.B. eine Schulungsreihe für junge Mitglieder zu Themen wie Sportmanagement, Ehrenamt oder soziale Verantwortung anbieten.
✓ Digitale Mitglieder-Events und Webinare: Die Mitglieder könnten durch Webinare, Podcasts oder digitale Meet-Ups mit Vereinsikonen, ehemaligen Spielern oder der Vereinsführung in Kontakt kommen. Und für mich der allerwichtigste Punkt:
✓ Crowdsourcing von Ideen: Der VfB könnte ein System einführen, bei dem Mitglieder ihre Ideen für Vereinsprojekte einreichen können, und die besten Vorschläge dann in kleinen Gruppen gemeinsam mit einzelnen Personen aus Vereinsbeirat und Präsidium realisiert werden. Gemeinsam den VfB weiter nach vorne bringen
Und es gibt noch viel mehr Ideen, die man, immer unter der Bedingung Sinnhaftigkeit und der begrenzt zur Verfügung bestehenden Ressourcen versucht umzusetzen.
Wie stehen Sie zur Möglichkeit einer hybriden Mitgliederversammlung?
1. Es sind im Schnitt zwischen 1600 und 2500 Mitglieder bei der Mitgliederversammlung anwesend. In anderen Vereinen sind es sogar noch weniger. Mein Ziel ist es die MGV wieder deutlich attraktiver zu machen, d.h. kürzere Dauer und auch günstigeres Catering für die Mitglieder. Die Leute müssen wieder gerne kommen, sich auf den Event freuen und sich dann dort auch wohlfühlen.
2. Eine hybride MGV bringt meines Erachtens nicht sehr viel mehr Mitglieder dazu, sich aktiv zu beteiligen. Der Aufwand dazu ist a) relativ groß, da man „fälschungssichere“ Vorkehrungen treffen muss, um entsprechend abstimmen zu können, ohne dass dabei Manipulationen möglich sind b) muss dies dann ja für alle knapp 130.000 Mitglieder möglich sein. Ich denke der Aufwand sprich Kosten im Grundsatz, Kosten für die Einrichtung der Abstimmungsmöglichkeit plus die sich daraus ergebende Unsicherheit bzgl. Manipulation von Daten oder Abstimmungen sind sehr hoch. Mir würde dann auch die persönliche Interaktion fehlen, zudem könnte ein Austausch vor Ort durch diese Form der MGV beeinträchtigt werden. Auch eine stabile Internetverbindung und geeignete Endgeräte wären Voraussetzung für eine vernünftige Teilnahme.
Ich denke für ein Mitglied des VfB, der am Ende mitbestimmen will, wer in den Gremien sitzt und welche Ausrichtung der VfB in der Zukunft hat, sollte es möglich sein, diese zukünftigen, hoffentlich nur 3–4 Stunden dauernde MGV wahrzunehmen. Es ist für unseren VfB. Stuttgart ist eine so tolle Stadt, da lässt sich einiges um die MGV herum planen, so dass es auch ein toller Familientag werden kann. Zudem ist ein Stadionbesuch beim VfB für viele nicht weniger aufwändig und da geht man auch mit Freude hin. Es besteht ja auch die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag bei der MGV einzureichen, um dann über die zukünftige Art der Sitzung abzustimmen – das ist ja dieses Mal auch schon der Fall.
Welches Verbesserungspotenzial sehen Sie noch bei der Satzung des e.V.?
Ich bin der Meinung, dass die Satzung den entsprechend der sich ändernden Anforderungen und Umstände kontinuierlich überprüft und angepasst werden muss. Dies ist ja auch momentan der Fall. Mit aktuellem Bezug würde ich mir konkret nochmal das Wahlverfahren des Präsidenten anschauen wollen, ich finde die drei Stimmmöglichkeiten pro Kandidat bei drei Kandidaten für die Wahl etwas zu komplex und würde gerne dieses Verfahren mit dem des Präsidiums vereinheitlichen. Zudem könnte man auch für die Zukunft über einen Teamansatz für das Präsidium inklusive des Präsidenten nachdenken. Für mich ein wenig effizienter und es stellt den Teamgedanken mehr in den Vordergrund. Diesen „Versuch“ gibt es schon bei anderen Vereinen.
Wie ist Ihre Haltung zum Aufsichtsratsvorsitz der VfB AG: Sollte dieser nur vom Präsidenten des e.V. gestellt werden oder kann es auch ein Präsidiums-Mitglied sein? Oder muss es überhaupt ein/e Vertreter/in des Vereins sein?
Ich bin der Überzeugung, dass der Präsident auch immer Aufsichtsratsvorsitzender sein muss. Deshalb ist es auch vor einer Wahl wichtig, sich die Profile und Stärken der Präsidentschaftskandidaten genau anzusehen. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass am Ende jeder Vertreter des Vereins die Leidenschaft und Kompetenz mitbringen sollte, um mit allen AR Mitgliedern auf Augenhöhe zu diskutieren bzw. die Interessen des Vereins und der Mitglieder würdig vertritt. Und ja, unumstößlich, der AR Vorsitzende muss immer ein Vertreter eines Vereins sein — das ist aber durch meine eingangs getätigte Aussage damit auch garantiert.
Aktuell ist der Aufsichtsrat der VfB AG mit 10 Personen besetzt, wovon fünf den VfB e.V. vertreten (Dietmar Allgaier, Andreas Grupp, Beate Beck-Deharde, Tanja Gönner und Alexander Kläger) je zwei den Investor Mercedes (Peter Schymon und Franz Reiner), je zwei den Investor Porsche (Lutz Meschke und Albrecht Reimold) sowie mit Tobias Röschl ein Vertreter des Investors JAKO. Ein weiterer Platz ist noch frei. Wie ist Ihre Haltung zur Sitz-Verteilung im Aufsichtsrat? Sollte dieser dem Verhältnis der Anteile an der VfB AG entsprechen (78,2 Prozent VfB e.V., 10,4 Prozent Porsche, 10,4 Prozent Mercedes, 1 Prozent JAKO) oder reicht eine einfache Mehrheit des e.V.?
Aus meiner Sicht sollte grundsätzlich das komplette neue Präsidium im Aufsichtrat sitzen, denn sie wurden von den Mitgliedern gewählt und genießen außerordentliches Vertrauen, gleichzeitig verbunden mit einer Erweiterung des AR auf 12 Sitze. Damit wäre laut der Fragestellung noch ein zusätzlicher Platz im Aufsichtsrat frei, für aus meiner Sicht einen Experten für den Profifußball aus den Reihen des VfB. Diesen Sitz können wir für uns nutzen um a) die Mehrheitsverhältnisse besser widerzuspiegeln und b) um mehr professionelle Expertise bezüglich Profifußball einzubringen. Auch hier gilt für mich, die entsprechende Person muss dann diesen Job mit Leidenschaft für den VfB ausfüllen und absoluter Teamplayer sein. Hochkaräter aus der Wirtschaft haben wir — an diesem Know How mangelt es wahrlich nicht und das ist ebenfalls eine unserer Stärken.
Daran anschließend: Sollte der Aufsichtsrat in seiner jetzigen Größe beibehalten, vergrößert oder verkleinert werden?
Am Ende geht’s innerhalb des AR um die Praktikabilität, die Ergebnisorientierung, den Zeitaufwand der Vorbereitung, die Anzahl der zu führenden Einzelgespräche und vor allem der Interessenvertretung unseres Vereins. So lange all dies zu einem positiven Ergebnis führt, muss man über eine Verkleinerung meines Erachtens nicht nachdenken. Aber wie in der Frage davor ausgeführt, bin ich definitiv für einen Aufsichtsrat mit 7, wenn nicht vielleicht sogar mit eher 8 Vertretern des Vereins, um die Mehrheitsverhältnisse entsprechend abzubilden.
Sollte der Präsidialausschuss die Mehrheitsverhältnisse ebenso widerspiegeln oder sind Sie mit der derzeitigen Besetzung (zwei e.V.-Vertreter, je ein Investoren-Vertreter, Mehrheit des e.V. ist durch doppeltes Stimmrecht des Präsidenten gewahrt) zufrieden?
In meinen Augen ist bei Besetzung des Präsidialausschusses der e.V. trotz eines doppelten Stimmrechtes des Präsidenten nicht angemessen stark vertreten. Und folglich ja, die Mehrheitsverhältnisse werden derzeit nicht korrekt widergespiegelt.
Sehen Sie die Notwendigkeit, den Aufsichtsrat vor Ablauf der Amtszeit 2027 neu zu besetzen, was die Vertretung des VfB e.V. angeht?
Ich denke hier ist es wichtig zu hinterfragen, aus welchen Gründen die derzeitigen VfB Mitglieder in den AR berufen worden sind. Diese Entsendungen wurden meines Erachtens leider nicht genug transparent seitens des Vereins kommuniziert.
Ich will nicht alles in Frage stellen und umkrempeln, wo nicht notwendig. Ich würde mich dazu mit allen AR- Mitgliedern des e.V. einzeln zusammensetzen um sie a) besser kennenzulernen und b) auch ihre Sichtweise und Ziele einer Zusammenarbeit zu erörtern. Das Ganze soll dann in einer Strategie, einem geschlossenen Mannschaftsdenken münden. Jeder muss für sich entscheiden, ob er diesen gemeinsamen Weg mitgehen will. Sonst muss man aber tatsächlich über eine Neubesetzung sprechen. Diese sollte sich dann am Prozess des Wahlausschuss für die Präsidenten- und Präsidiumswahl orientieren. Am Ende geht es für mich wie bei vielen anderen Themen nur um eins: Nur das Beste für unseren VfB.
Sehen Sie die Notwendigkeit, die Mitglieder über einen Verkauf von Anteilen über die 2017 beschlossenen 24,9 Prozent abstimmen zu lassen? Warum oder warum nicht?
Momentan gibt es gar keinen Grund über einen weiteren Verkauf in Höhe von 24,9 % der Anteile abstimmen zu lassen. Der Verein besitzt knapp über 78 Prozent der Anteile und die momentan in der Diskussion stehenden Anteile bis zu einer uns allen bekannten und unteren Grenze von 75% sollten, falls notwendig , aus meiner Sicht an einen lokalen Sponsorenpartner vergeben werden. Dadurch wird einerseits eine Einnahme — je nach Bewertung der Anteile — von ca. 15 Mio. EUR erzielt. Plus Sponsorenpackages und eventuellen Prämienzahlungen. Wir sprechen dann, sollte es ein ähnliches Paket sein wie bei Porsche, von einer Gesamtsumme über die Jahre hinweg in Höhe von ca. 25–35 Mio EUR. Inklusive einem weiteren exzellenten Netzwerk in die Wirtschaft, Kultur etc. Neben meinen Argumenten der aktiveren Beteiligung der Mitglieder, dem ganzen zeitlichen Aufwand, den Haftungsrisiken und der Kosten ist dies ein weiterer Grund warum Aktienverkäufe an Mitglieder aus meiner Sicht nicht zielführend sind.
Welche Themen, die Fans abseits des sportlichen Erfolgs bewegen, halten Sie für am wichtigsten?
Aus meinen vielzähligen Gesprächen mit den Fans und Mitgliedern gab es natürlich eine Vielzahl an Themen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Wichtigkeit entsteht immer im Auge des Betrachters und so reicht die Spannbreite von Sammelbechern mit Porträts der Spieler, zügigere Getränkeausgabe, gleiches Essensangebot an allen Ständen im Stadion über ein VfB Museum, längere Öffnungszeiten im Vereinsheim, Angebot von Trikots der Abteilungen im Fanshop bis hin zu den „beliebten“ Themen wie ein Stadion für die VfB Damen und VfB II Herren, mehr Trainings/Wettkampfstätten für die Abteilungen oder das Ticketing. Auch hier ist meine Aufzählung sicherlich unvollständig, aber dies wäre für mich ja auch erst der Anfang. Es ist wichtig, diese Themen nach Wichtigkeit und Umsetzbarkeit zu priorisieren und es wäre doch toll, wenn wir dazu auch die Mitglieder und ihren Ideen mit einbinden könnten. Mehr Zusammenarbeit, mehr Mitbestimmung und selbst bei kleinen Erfolgen auch mehr Motivation und Freude.
Welche Lösungen sehen Sie für eine nachvollziehbare Verteilung von Eintrittskarten?
Der wichtigste Punkt hierbei ist Transparenz und Kommunikation. Dass bei 120.000 Mitglieder und der derzeitig historisch hohen Nachfrage nicht jeder immer zum Zug kommt ist, glaube ich allen klar. Es ist aber trotzdem für die Mitglieder von großer Bedeutung, mit welcher Systematik und Vorgehensweise sie Einzeltickets bestellen können. Wir haben ein Ticketsystem, welches einerseits eine „Warteschlange“ mit konkreter Ordernummer anbietet — d.h. man muss nicht mehr zig Browserfenster öffnen, sondern man wartet eben bis seine Nummer an die Reihe kommt, um dann in einem bestimmten Zeitfenster seine Tickets zu bestellen. Die andere Variante ist die klassische Zuteilung im Losverfahren. Die AG arbeitet extrem hart und mit allen Ressourcen an einer schnellen, transparenten und fairen Verteilung. Meines Wissens besitzt das System von SAP noch viel mehr tolle Features, aber bei dem momentanen Andrang geht Qualität vor Sicherheit. Das ist auf dem absolut richtigen Weg. Hier benötigen wir momentan einfach wenig Geduld.
Etwas anders sieht es für mich bei den Fanclubs aus. Hier ist die Verteilung deutlich intransparenter. Neue Fanclubs werden nur aufgrund des Wunsches nach zusätzlichen Karten gegründet und die Anzahl der Tickets die an die Fanclubs gehen, sind von 10 auf 5 Stück reduziert worden. Hier wäre mein Ansatzpunkt ein Ranking nach Gründungsjahr, Mitgliederstärke, Abnahme von Tickets bei Sonderevents, Beteiligung im Verein und sozialem Engagement zu erstellen. Dieses Ranking soll dann auch veröffentlicht werden, so dass jeder Fanclub genau weiß wo er steht. Eine Verbesserung des Rankings wäre dann durch steigende Mitgliederzahlen in einem Fanclub, mehr Beteiligung im Verein (z.B. durch aktiven Sport in den Abteilungen) oder mehr sozialem Engagement möglich. Ich finde diese Idee sehr interessant. Einerseits schaffen wir mehr Transparenz, mehr Motivation an Karten zu gelangen und zusätzlich steigern wir die direkte Hilfe für Menschen, soziale Einrichtungen, Stiftungen etc. Eine coole Kombination, bei der sich dadurch die Außenwirkung des VfB Stuttgart noch positiver gestaltet. In meinen Augen noch eine weitere Win-Win Situation für alle.
Vor Jahren war es auch möglich privat Dauerkarten ohne Mitgliedschaft zu erstehen. Hier könnte man eine Analyse erstellen, wieviel Dauerkarten so vergeben wurden und dann darüber nachdenken, dass a) diese Dauerkarteninhaber ebenfalls in den Verein eintreten oder b) falls nicht, im nächsten Jahr eben keine Dauerkarte mehr erhalten. Dies würde dazu führen, dass andere Mitglieder die Chance haben, eine Dauerkarte zu bekommen oder dass diese dann auf Einzelspiele gesplittet werden So könnte man aus einer Dauerkarte pro Saison 17 Einzeltickets mehr vergeben. Leider kann ich nicht sagen ob es fünfzig, hundert oder fünfhundert dieser Dauerkarten gibt, aber ich denke es lohnt sich, sich das genauer anzuschauen. Viele kleine Schritte in die richtige Richtung sind auch ein Erfolg.
Welche Rolle können Sie als Präsident des e.V. im Spannungsfeld zwischen organisierten Fans, der Polizei und der Liga spielen?
Ich kann hier als Präsident des e.V. In Spannungsfeld Fans, Polizei und Liga eine zentrale Rolle als Kommunikator, Vermittler und Krisenmanager einnehmen. Meine Fähigkeit, mit den verschiedenen Interessengruppen auf Augenhöhe zu sprechen, verschiedene Lösungen zu finden und das Wohl des Vereins zu wahren, ist für mich entscheidend, um ein harmonischeres Miteinander und ein positives Image des VfB Stuttgart zu wahren. Diese Rolle erfordert eine ausgewogene, kommunikationsstarke und lösungsorientierte Führung, um den Verein zu leiten und gleichzeitig die unterschiedlichen Bedürfnisse und Anforderungen dieser Gruppen zu berücksichtigen.
Sie betonen, “aufgrund meiner beruflichen Situation kann ich mich unabhängig, neutral und voll auf das Amt des Präsidenten konzentrieren.” Im Dezember war zu lesen, dass sie beim Vermögensverwalter Antecedo Asset Management als “vertraglich gebundener Vermittler” einsteigen würden und dort “das institutionelle Geschäft ausbauen” sollen. Würden Sie diese Tätigkeit im Fall einer Wahl im März wieder aufgeben oder lässt sich beides ihrer Meinung nach zeitlich miteinander vereinen?
Sie haben hier leider den einzigen Artikel zitiert, der die Pressemitteilung von Antecedo völlig falsch interpretiert hat. Die Frage ist aber absolut ok, denn sie steht ja vielleicht auch grundsätzlich im Raum. Zu diesem Artikel gibt es eine Gegendarstellung von Antecedo, die noch am gleich Tag der Erscheinung des Artikels vom mir initiiert wurde. Fakt ist — es handelt sich um eine Kooperation mit Antecedo, bei der ich als vertraglich gebundener Vermittler agiere. Das bedeutet ich berate nicht, sondern bringe nur potentielle Kunden mit dem Asset Manager zusammen. Nicht mehr und nicht weniger. Diese Tätigkeit übe ich ungebunden und selbständig aus, d.h. es gab niemals einen Anstellungsvertrag oder ähnliches. Ich wollte nach dem Ende meiner Karriere bei der HSBC nie mehr in einen ähnlichen Job zurückkehren. Ich wollte eine unabhängige Tätigkeit, die mir Spaß macht und bei der ich meine Erfahrungen und die Beziehungen mit meinen Kunden der letzten 20 Jahre einbringen kann. Zudem ist Antecedo auch schon länger über meine Bewerbung beim VfB informiert. Für mich völlig klar — als Vollzeitpräsident hat der VfB absolut immer Vorrang und mein Augenmerk liegt auf den Themen, die ich gemeinsam mit allen beim VfB umsetzen möchte.
Inwiefern kann ihre berufliche Expertise aus der Finanzwelt im Job als VfB-Präsident und AG-Aufsichtsratsvorsitzender in einem emotionalen Umfeld wichtig sein?
An den aktuellen Themen und Fragestellungen innerhalb des „Wahlkampfs“ können sie erkennen, wie wichtig es ist sich mit Finanzen auszukennen. Ohne Geld geht’s eben nicht. Einerseits geht es um die Verbesserung der Finanzkraft des e.V., anderseits als AR-Vorsitzender um die langfristige strategische Finanzierung der AG und größeren Investitionen in Spieler. Gerade wenn´s um Finanzen geht und die Emotionen hochkochen ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren und auch offen zu kommunizieren. Vertrauensvolle, ehrliche und transparente Zusammenarbeit habe ich in den vergangenen fast drei Jahrzehnten gelernt und praktiziert. Dabei ging es dann auch um Milliardenbeträge Das ist meine Stärke und dies war auch die Grundlage meines Erfolges. Zudem kommt hier mein weitreichendes Netzwerk innerhalb der Finanzindustrie zum Tragen und somit auch dem VfB zugute.
Sie betonen, dass sie auf offene Kommunikation und Transparenz setzen wollen. Wie wollen Sie in Zukunft verhindern, dass die Mitglieder zuerst über die Stuttgarter Presse über wichtige Sachen erfahren und erst dann aus den Vereinsmedien?
Sie sprechen mit ihrer Frage einen sehr wichtigen Punkt an. In der heutigen Medienlandschaft inklusive Social Media ist es natürlich einerseits ganz einfach, Informationen schnell an viele Personen weiterzuleiten. Allerdings ist es auch sehr schwierig, den Informationsfluss zu kontrollieren und zu kanalisieren. Die Frage ist ja wann und warum werden Informationen vorher an die Presse weitergegeben. Ich habe nur drei Erklärungen dafür. Der bestehende Kommunikationsprozess ist grundsätzlich nicht optimal und der Wille für die schnelle, öffentliche Weitergabe von Informationen des Vereins nicht genug ausgeprägt. Oder es herrscht bei Personen eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit der gemeinschaftlichen Umgangsweise bzw. Kommunikation, vielleicht sogar eine persönliche Antipathie bzw. das eigene Ego von Einzelpersonen verlangt ein wenig nach Bestätigung und Aufmerksamkeit. Die letzten beiden Punkt sind menschlich, aber beide will ich will beide nicht akzeptieren. Ich setze auf eine Kommunikation die auf Respekt und Verständnis basiert, zwischen den Mitgliedern, Medien, Fans und allen Gremien. Und auf die Einsicht, dass wir hier alle unser Bestes geben mit nur einem gemeinsamen Ziel — unseren VfB für die Zukunft noch stärker zu machen. Gemeinsam respektvoll, gemeinsam stark. Hinzukommend soll eine kontinuierliche und transparente Informationspolitik dabei helfen, dass die Mitglieder frühzeitig über Pläne und Entscheidungen informiert werden und sie damit nicht einfach vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Man kann auch durchaus über eine eigene Kommunikationsabteilung des e.V. nachdenken.
Im November gaben Dietmar Allgaier und Andreas Grupp über die Vereinswebseite und in einem Pressetermin des VfB ihre Kandidatur bekannt. Sehen Sie es als legitim an, dass Amtsinhaber die kommunikative Infrastruktur ihres Amtes für eine erneute Kandidatur nutzen, während Sie und andere Bewerber zu diesem Zeitpunkt noch nicht darauf zurückgreifen können?
Hier haben wir meines Wissens ein Novum, dass sich ein Interimspräsident auf eine neue Amtsperiode bewirbt. Natürlich ist es ein Nachteil, denn die Reichweite einer Bewerbung per Video in einer Mail an über 120.000 Mitglieder ist nicht so einfach zu kompensieren. Eine offizielle Stellungnahme dazu wäre gut gewesen, aber auch deshalb gehören Kommunikation und Transparenz zu meinen Themen, die ich angehen will. Ich denke, das Thema um diese Bewerbungsvideos wurde dann intern beim VfB diskutiert und ist damit auch für mich erledigt. In meinem Team haben wir uns nie großartig um die Vorgehensweise und Strategien der anderen Kandidaten gekümmert, das wäre aus meiner Sicht auch völlig falsch. Ich habe meine eigenen Themen, eine eigene Vorstellung meiner persönlichen Präsentation und mein eigenes Angebot für den VfB. Davon habe ich mich nie abbringen lassen, nicht umsonst bin ich furchtlos und neu.
Wir haben zu Beginn meiner Bewerbungsphase privat ein kleines Vorstellungsvideo gedreht, welches über 60.000 mal angeklickt wurde, der Traffic auf meinem Instagram-Account ist durchgehend sehr hoch — damit bin ich extrem zufrieden — vielen Dank an dieser Stelle an mein tolles Team. Die wichtigsten Punkte meiner Strategie und die Gründe warum ich mich bewerbe, habe ich aber dann lieber in unzähligen persönlichen Gesprächen und Gruppentreffen selbst und direkt erläutert.
Vielen Dank für das Gespräch!
Titelbild: © Jochen Haas