liga3-online.de
·11. November 2024
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Die Platzverweise gegen Gaudino, Brumme und Zwarts, die gelbe Karte gegen Schikora, das 3:0 für Sandhausen, die nicht gegebenen Elfmeter für Köln (2), Cottbus, Aue (2) und 1860, der Strafstoß für Bielefeld, eine Unsportlichkeit von Gyamfi, das Tor für Wiesbaden, sowie Foulspiele von Foti, Paschke und Wallbrecht. Am 14. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 17 strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Für ein Foulspiel gegen Lucas Wolf (Sandhausen) sieht Gianluca Gaudino (Aachen) von Schiedsrichter Lukas Benen nach nur drei Minuten die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]
Babak Rafati: Gaudino grätscht im Zweikampf mit gestrecktem Bein und offener Sohle und trifft Gegenspieler Wolf am Schienbein. Zudem ist das Bein über dem Boden in der Luft und nicht am Boden, sodass die Aktion noch unkontrollierter wird. Das ist eine brutale Spielweise und stellt billigend eine Gesundheitsgefährdung des Gegenspielers dar. Somit ist die rote Karte die einzig richtige Entscheidung des Schiedsrichters, der eine sehr gute Sicht auf den Zweikampf hat.
Szene 2: Bei einem Konter wird Soufiane El-Faouzi (Aachen) im Duell mit Marco Schikora (Sandhausen) von hinten in die Beine getroffen und zu Fall gebracht. Benen zeigt Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 22:25]
Babak Rafati: El Faouzi wird von hinten von Gegenspieler Schikora zwar attackiert, allerdings liegt ein sauberes Tackling vor. Es wird der Ball gespielt, sodass sowohl der Freistoßpfiff als auch die gelbe Karte gegen Schikora eine Fehlentscheidung sind. Womöglich hat der Schiedsrichter die Szene mit der roten Karte kurz zuvor im Hinterkopf und will auf der anderen Seite auch etwas besänftigen. Dass es auch zum Kontakt kommt, nachdem der Ball gespielt wurde, ist naturgemäß und absolut im Rahmen des Erlaubten und somit nicht regelwidrig. Wenn man die Szene mit der vorherigen vergleicht, muss man auch festhalten, dass die Aktion von Schikora absolut kontrolliert ist (Beine am Boden und Körperbeherrschung) , sodass nicht einfach hereingesprungen wird und alles in Kauf genommen wird, sondern der Ball Spielobjekt und die Aktion somit nur ballorientiert ist. In der Szene zuvor war es ein unkontrolliertes Reinspringen ohne Rücksicht darauf, ob der Ball oder der Gegner getroffen wird, daher lag eine Gesundheitsgefährdung des Gegenspielers vor.
Szene 3: Im Mittelfeld kommt es zu einem Luftzweikampf zwischen Lucas Wolf (Sandhausen) und Kevin Goden (Aachen). Beide gehen zu Boden, das Spiel läuft weiter. Aus dem Angriff fällt das 3:0. [TV-Bilder – ab Minute 3:30]
Babak Rafati: Bei diesem Luftzweikampf ist Goden zuerst am Ball und kann das Spielgerät wegköpfen. Sein Gegenspieler Wolf kommt etwas zu spät und hat an sich keine Chance mehr, den Ball zu erreichen und springt daher nur seinen Gegenspieler an. Man sieht auch sehr gut, dass er nur die Intention hat, Goden zu attackieren, da er den Blick nicht zum Ball, sondern vielmehr auf den Gegenspieler hat. Hier hätte es einen Freistoß für Aachen geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.
Szene 4: Im Strafraum wird Said El-Mala (Köln) von Maximilian Großer (Köln) am Fuß getroffen, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Cristian Ballweg nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf legt sich El-Mala den Ball am Gegenspieler Großer vorbei. Dieser kann sich nur noch durch ein Foulspiel durch Beinstellen helfen und bringt dadurch El-Mala zu Fall. Das ist ein klares Foulspiel, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.
Szene 5: Said El-Mala (Köln) dringt in den Strafraum ein und geht gegen Mael Corboz (Bielefeld) zu Fall, erneut zeigt Ballweg nicht auf den Punkt. [TV-Bilder – ab Minute 49:25]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf nimmt Corboz den Fuß heraus, trifft El-Mala am Fuß und bringt ihn zu Fall. Auch, wenn der Verteidiger den Ball spielen wollte, kommt er dennoch einen Moment zu spät und kann den Angreifer nur noch durch ein Foulspiel stoppen. Somit hätte es einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.
Szene 6: Mika Schroers (Bielefeld) geht im Strafraum gegen Kevin Pytlik (Köln) zu Boden, es gibt Strafstoß für die Arminia. [TV-Bilder – ab Minute 2:45]
Babak Rafati: Schroers legt sich im Strafraum den Ball am Gegenspieler Pytlik vorbei. Dieser fährt das linke Bein weit heraus, und dadurch kommt der Angreifer über das ausgestreckte Bein des Verteidigers zu Fall. Erst danach kann Pytlik den Ball spielen. Das ist aber Foulspiel und somit liegt eine richtige Entscheidung vor, einen Elfmeter zu geben.
Szene 7: Antonio Foti (Dortmund II) foult Yannik Möker (Cottbus) im Strafraum und verursacht damit einen Elfmeter, kommt bei Schiedsrichter Timon Schulz aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]
Babak Rafati: Der Ball wird von links in den Strafraum geflankt, und ein Cottbuser Spieler verlängert den Ball mit dem Kopf. Dadurch kommt der Ball zu Möker, der in zentraler Position ist und etwa fünf Meter vor dem gegnerischen Tor eine klare Torchance hat. Gegenspieler Foti ist in einer schlechteren Position zum Ball und grätscht von hinten zum Spielgerät, um dieses noch wegzuspitzeln, trifft aber unten mit dem Knie Möker am Fuß und bringt ihn aus dem Gleichgewicht, sodass dieser den Ball verpasst und zu Boden geht. Es gibt kurz danach im Bewegungsablauf auch ein zweites Vergehen, einen Fußtreffer in der Luft. Das ist unstrittig ein Foulspiel, sodass die Elfmeterentscheidung richtig ist. Allerdings wird eine klare Torchance vereitelt, sodass es eine rote anstatt die gelbe Karte gegen Foti hätte geben müssen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor. Hätte es nur den zweiten Kontakt gegeben (Fußtreffer in der Luft), dann hätten beide den Ball nicht erreicht und die gelbe Karte wäre richtig, weil durch das Verpassen des Balles keine klare Torchance mehr vorgelegen hätte. Durch den Treffer zuvor wird aber verhindert, dass der Angreifer überhaupt an den Ball kommen kann, dadurch ist das erste Vergehen eine Vereitelung einer klaren Torchance, was zu einer roten Karte führen muss.
Szene 8: Im Mittelfeld setzt der bereits verwarnte Felix Paschke (Cottbus) zu einer Grätsche gegen Dominik Pelivan (Cottbus) an und trifft ihn auch, kommt aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:25:25]
Babak Rafati: Paschke verliert das Laufduell gegen Pelivan, grätscht von hinten und trifft seinen Gegenspieler. Das ist ein rücksichtsloser Einsatz, für den es die gelbe Karte hätte geben müssen. Das hätte zur Folge gehabt, dass Paschke, der zuvor bereits gelb-verwarnt war, die Ampelkarte hätte sehen müssen. Eine Fehlentscheidung, die fällige Karte nicht auszusprechen.
Szene 9: Nach einem Torschuss kommt Hajrulla (Cottbus) gegen Silas Ostrzinski (Dortmund II) zu Fall. Einen Elfmeter gibt Schulz nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:09:40]
Babak Rafati: Hajrulla schießt über das Tor. Bei dieser Aktion kommt Keeper Ostrzinski aus seinem Tor heraus geeilt, um den Torschuss zu blocken, wirft sich in die Füße des Angreifers und trifft ihn klar und deutlich. Auch, wenn die Aktion bereits abgeschlossen ist und der Ball über das Tor befördert wurde, liegt ein Foulspiel des Torhüters vor, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Wenn ein Torhüter so herein springt, nimmt er eben in Kauf, den Gegenspieler zu foulen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Elfmeter nicht zu geben. Allerdings ist es gängige Praxis, dass häufig nicht abgepfiffen wird, wenn die Aktion bereits abgeschlossen ist.
Szene 10: Nach einem Zweikampf deutet Maxwell Gyamfi (Osnabrück) gegen Jonas Oehmichen (Dresden) einen Kopfstoß an, kommt bei Schiedsrichter Wolfgang Haslberger aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 42:10]
Babak Rafati: Dieses Verhalten von Gyamfi stellt regeltechnisch keinen versuchten Kopfstoß dar, vielmehr liegt eine Unsportlichkeit vor, mit dem Kopf so nah an das Gesicht von Oehmichen zu gehen. Dass sich Oehmichen anschließend ein wenig wehrt, ist okay und muss nicht sanktioniert werden. Auch die gelbe Karte gegen Gyamfi ist eine richtige Entscheidung, denn für eine Unsportlichkeit kann man nicht eine rote Karte zeigen.
Szene 11: Für eine vermeintliche Tätlichkeit gegen Lars Bünning (Dresden) sieht Joel Zwarts (Osnabrück) die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 3:45]
Babak Rafati: Diese rote Karte wegen eines vermeintlichen Ellenbogenschlags von Zwarts gegen Brünning kann anhand der vorliegenden TV-Bilder nicht zweifelsfrei bewertet werden.
Szene 12: Bei einem Zweikampf gegen Mika Clausen (Aue) setzt Lucas Brumme (Essen) den Ellenbogen ein. Geahndet wird die Szene von Schiedsrichter Felix Weller nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:18:25]
Babak Rafati: Brumme kommt von hinten angelaufen, und Clausen bekommt den Arm in den Nackenbereich, was sicherlich schmerzlich ist. Allerdings ist ein Foulspiel oder ein aktiver Ellenbogeneinsatz nicht erkennbar, der Treffer ist eher aus dem normalen Bewegungsablauf und somit unglücklich. Daher liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen. Ein Indiz, dass kein Foulspiel vorgelegen hat, ist auch, dass weder Clausen noch einer seiner Mitspieler reklamiert und alle Beteiligten einfach weiterspielen. Clausen gibt lediglich im Anschluss sehr sachlich per Armbewegung in Richtung Schiedsrichter den Hinweis, dass er eine kurze Auszeit oder Behandlung benötigt.
Szene 13: Im Laufduell gegen Joseph Boyamba (Essen) geht Maxim Burghardt (Aue) im Strafraum zu Fall. Kein Elfmeter, sagt Weller. [TV-Bilder – ab Minute 1:59:10]
Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf spielt Boyamba absolut sauber den Ball, sodass die Aktion regelgerecht ist. Auch, wenn im normalen Bewegungsablauf der Ball gespielt wird und es danach zum Kontakt mit Burghardt kommt, ist dieser zu vernachlässigen, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, das Spiel weiterlaufen zu lassen.
Szene 14: Nach Spielende rennt der bereits verwarnte Lucas Brumme auf den Schiedsrichter zu und beschwert sich über den aus seiner Sicht zu frühen Abpfiff. Daraufhin sieht er Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]
Babak Rafati: Womöglich hat sich der gelb-verwarnte Brumme vehement nach Abpfiff beim Schiedsrichter über die Nachspielzeit beschwert, daraufhin hat ihm der Schiedsrichter die gelb-rote Karte gezeigt. Aufgrund der neuen Kapitänsregelung handelt der Schiedsrichter den Regeln entsprechend, weil nur der Kapitän – wenn überhaupt – mit dem Schiedsrichter darüber sprechen darf. Daher eine richtige Entscheidung, auch wenn man diese neue Regel nicht für gut respektive angemessen hält. Ich persönlich würde mir auch viel mehr Fingerspitzengefühl und die Einbringung der Persönlichkeit durch die Schiedsrichter wünschen, aber die Regel lässt nun mal kaum Ermessensspielraum.
Szene 15: Im Duell mit Jan-Christoph Bartels (Mannheim) geht Patrick Hobsch (1860) im Strafraum zu Fall und fordert Strafstoß, den Schiedsrichter Nico Fuchs jedoch nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:05]
Babak Rafati: Nachdem Keeper Bartels den Ball zur Seite abwehrt hat, kommt es zu einem Zweikampf zwischen ihm und Gegenspieler Hobsch. Dabei springt der Keeper mit beiden Händen zum Ball, erreicht diesen einen kurzen Moment vor Hobsch und spielt das Spielgerät. Hobsch kommt etwas zu spät und fällt dann über den liegenden Keeper. Da für den Keeper der Ball Spielobjekt ist, liegt ein korrekter Zweikampf vor. Somit eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 16: Florian Carstens (Wiesbaden) setzt sich im Mittelfeld bei einem Kopfballduell gegen Kai Brünker (Saarbrücken) durch, der liegenbleibt. Schiedsrichter Richard Hempel lässt weiterlaufen, und aus dem Angriff fällt das 1:2. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]
Babak Rafati: Bei diesem Kopfballduell ist ein Foulspiel beziehungsweise ein regelwidriger Armeinsatz von Carstens an Brünker nicht erkennbar. Vielmehr steigt Carstens zum Kopfball hoch und spielt den Ball. Dass es dabei auch zum Kontakt kommt, ist handelsüblich. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen.
Szene 17: Kurz vor dem Strafraum wird Dennis Borkowski (Ingolstadt) von Tim Walbrecht (Hannover II) zu Fall gebracht. Schiedsrichter Michael Näther belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 53:55]
Babak Rafati: Das Foulspiel von Walbrecht an Borkowski ist unstrittig. Bei der Frage nach der Kartenfarbe stellt sich die Frage, ob durch das Foulspiel eine klare Torchance verhindert wird. Dadurch, dass das Foulspiel nicht in zentraler Position passiert, sondern etwas linksseitig und zudem Wallner etwa 2-3 Meter wiederum in zentraler Position neben her läuft, kann dieser noch eingreifen, sodass keine klare Torchance vorliegt. Vielmehr wird eine gute Angriffssituation unterbunden. Somit ist die gelbe Karte eine richtige Entscheidung.
Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde
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