Strittige Szenen am 28. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati | OneFootball

Strittige Szenen am 28. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati | OneFootball

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liga3-online.de

·13. März 2025

Strittige Szenen am 28. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Artikelbild:Strittige Szenen am 28. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die Platzverweise gegen Kusic und Otto, das 3:1 von Rostock, der verwehrte Treffer für Aachen, der nicht gegebene Elfmeter für Sandhausen, sowie Foulspiele von Brandt, Martinovic und Schuster. Am 28. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de acht strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.


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Szene 1: Der bereits verwarnte Keanu Brandt (Hannover II) lässt gegen Tolcay Cigerci (Cottbus) das Bein stehen und bringt ihn zu Fall. Gelb-Rot sieht Brandt aber nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:43:00]

Babak Rafati: Cigerci leitet einen guten Angriff ein, legt sich den Ball am Gegenspieler Brandt auf einer Seite vorbei und will auf der anderen Seite an ihm vorbeilaufen. Der Ball ist bereits an Brandt vorbeigespielt, und Brandt kann Cigerci nur noch durch Beinstellen zu Fall bringen. Das ist ein Foulspiel, das nur ein Stoppen des Angriffs bezwecken will, sodass ein taktisches Foulspiel vorliegt und ein guter Angriff schlussendlich unterbunden wird. Somit ist eine gelbe Karte vorgeschrieben, sodass der bereits gelb-verwarnte Brandt die gelb-rote Karte hätte sehen müssen. Eine Fehlentscheidung, keine Karte für dieses Vergehen zu zeigen.

Szene 2: Für ein vermeintliches Nachtreten gegen Robin Kalem (Hannover II) sieht Filip Kusic (Cottbus) die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 4:20]

Babak Rafati: Zunächst bearbeiten sich Kalem und Gegenspieler Kusic ein wenig, was aber im Bereich des Erlaubten ist. Nach einer Freistoßhereingabe rempelt Kusic seinen Gegenspieler Kalem, der lässt sich wiederum fallen. Am Boden liegend, bewegt er sich derartig, um auch Kusic ein bisschen zu stören. Beide Vergehen sind nicht strafbar. Beim Aufstehen tritt Kusic allerdings zuerst mit dem linken Fuß durch eine aktive Ausholbewegung in Richtung des Rückens und anschließend mit dem rechten Fuß erneut durch eine aktive Ausholbewegung in Richtung des Körpers von Kalem. Ob er ihn jeweils tritt und wie intensiv dieser Tritt ist, spielt dann eine untergeordnete Rolle. Das ist regeltechnisch ein Nachtreten und somit ist die rote Karte eine richtige Entscheidung. Selbst, wenn man beim zweiten Vergehen zu dem Schluss kommen sollte, dass Kusic nur Schwung holen will, um loszulaufen, wäre das erste Vergehen schon für eine rote Karte ausreichend. Die Bewertungen für die Intensität der Tritte ist dann eine Aufgabe des Sportgerichts, um das Strafmaß festzulegen. Erwähnenswert sei hierbei, dass beim Nachtreten oder einer Tätlichkeit allein der Versuch eine rote Karte nach sich zieht. Selbst, wenn es nicht zu einer Berührung gekommen wäre, was aber in diesem Fall nicht zutrifft.

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Szene 3: Im Mittelfeld geht Linus Rosenlöcher (Aue) nach einem Zweikampf mit Felix Ruschke (Rostock) zu Fall und bleibt liegen, das Spiel läuft weiter. Aus dem Angriff fällt das 3:1. [TV-Bilder – ab Minute 2:00]

Babak Rafati: Ein Rostocker will im Mittelfeld einen Angriff einleiten und Ruschke will auf der linken Seite mitlaufen. Er wird dabei aber von Rosenlöcher festgehalten, zu Boden gerissen und somit am Weiterlaufen gehindert. Ruschke wiederum stellt am Boden liegend Rosenlöcher ein Bein und bringt ihn ebenso zu Fall. Der Schiedsrichter sieht den gesamten Vorgang und lässt weiterspielen. Dadurch, dass das erste Foulspiel von Rosenlöcher begangen wird, wäre das für die Spielfortsetzung zu ahnden. Da Rostock aber in Ballbesitz bleibt und einen vielversprechenden Angriff einleitet, gibt der Schiedsrichter Vorteil, aus dem ein Tor fällt. Das ist eine sinnvolle und richtige Entscheidung.

Szene 4: Marco Schuster (Rostock) geht im Mittelfeld in einen Zweikampf mit Ali Loune (Aue) und sieht dafür die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 1:58:20]

Babak Rafati: Schuster bekommt den Ball im Mittelfeld nicht ganz in den Fuß gespielt und muss einen langen Schritt zum Spielgerät machen, um dieses vor seinem Gegenspieler Loune zu erreichen. Dabei spielt er klar den Ball zum Mitspieler weiter. In dieser Ausholbewegung zum Ball kommt Loune selbst in den Zweikampf, und es kommt womöglich zu einem Fußkontakt. Dieser stellt aber keinesfalls ein Foulspiel von Schuster dar, vielmehr einen sogenannten Unfall, der auch noch von Loune ausgeht, weil Schuster nicht eine zweite Bewegung etwa in die Füße von Loune macht. Somit hätte es weitergehen müssen, sodass die gelbe Karte eine Fehlentscheidung ist.

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Szene 5: Anton Heinz trifft aus der Distanz zum 1:0 für Aachen, allerdings wird auf Abseits entschieden, sodass der Treffer nicht zählt. [TV-Bilder – ab Minute 28:10]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Abspiels von Heinz auf einen Mitspieler steht dieser in Abseitsposition. Auch, wenn dieser Mitspieler anschließend womöglich den Ball gar nicht mehr berührt, greift er durch den Schritt zum Ball in unmittelbarer Nähe und durch das Balldurchlassen ins Spielgeschehen ein und irritiert damit den Keeper. Somit liegt eine strafbare Abseitsposition vor, sodass es eine richtige Entscheidung ist, den anschließenden Treffer nicht zu geben.

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Szene 6: Im Strafraum geht Dominic Baumann (Sandhausen) im Duell mit Tim Sechelmann (Mannheim) zu Fall, wird anschließend auch von Jan-Christoph Bartels behindert und fordert einen Elfmeter, den es jedoch nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 3:55]

Babak Rafati: Beim Zweikampf von Sechelmann gegen Baumann ist alles regelgerecht. Anschließend springt Baumann mit dem Fuß zum Ball und spielt das Spielgerät. Hierbei springt der Keeper auch dem Ball entgegen, sodass das Bein von Baumann zwar zum Ball geht, aber gleichzeitig ein gefährliches Spiel für den Keeper darstellt und den Keeper auch streift. Deshalb liegt ein Foulspiel von Baumann vor, was richtigerweise geahndet wird. Dass der Keeper kurz danach das Bein von Baumann in Elfmeter-Manier festhält und dieser sich nicht bewegen kann, ist irrelevant, weil das Foul zuvor geahndet werden muss. Bei Foulspiels beider Teams ist die zeitliche Abfolge der Vergehen für die weitere Spielfortsetzung entscheidend.

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Szene 7: Dominik Martinovic (Essen) geht mit offener Sohle in einen Zweikampf mit Florian Engelhardt (Köln), kommt aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Martinovic geht mit gestrecktem Bein und offener Sohle in den Zweikampf und trifft Engelhardt voll über dem Knöchel, auch wenn er unmittelbar danach wieder zurückzieht. Dann ist es aber zu spät. Das ist ein brutales Foulspiel, bei dem die Gefährdung der Gesundheit des Gegenspielers billigend in Kauf genommen wird. Für dieses brutale Foulspiel hätte es die rote Karte geben müssen, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt. Bei dem Trefferbild gibt es überhaupt keine Argumente, keine rote Karte zu zeigen.

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Szene 8: Im Duell mit Julian Kügel (Unterhaching) lässt Fynn Otto (Verl) das Bein steht. Der Schiedsrichter wertet die Aktion als Notbremse und zeigt dem Verler die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Otto wird auf Höhe des äußeren Randes des Mittelkreises zu kurz angespielt, sodass er den Ball nicht mehr erreichen kann. Gegenspieler Kügel läuft dazwischen, ist vor Otto am Ball und legt sich das Spielgerät aus dem Lauf und mit viel Schwung in Richtung des gegnerischen Tores vor. Daraufhin kann Otto nur noch das Bein herausnehmen und den Angreifer durch ein Beinstellen zu Fall bringen. Das ist ein Foulspiel. Dadurch, dass Kügel freie Bahn zum Tor hätte und kein Verteidiger mehr hätte entscheidend eingreifen können, liegt eine Verhinderung einer Torchance vor, sodass die rote Karte eine richtige Entscheidung ist. Man könnte zwar argumentieren, dass der Angreifer noch weit weg vom Tor ist, aber das ist nur ein Kriterium. Zudem ist nämlich zu beachten, ob Verteidiger noch in Spielnähe sind und eine mögliche Torerzielung verhindern können. In diesem Fall wäre das nicht mehr möglich, da der Angreifer in zentraler Position und in vollem Lauf ist. Der nächste Verteidiger wäre Köhler, der den Pass zuvor gespielt hat, der aber 5-6 Meter entfernt ist und keine Chance mehr zum Ball hätte.

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