OneFootball
Helge Wohltmann·4. Februar 2025
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Helge Wohltmann·4. Februar 2025
Man muss sich wirklich Mühe geben, vieles von dem zu ignorieren, was Max Kruse so von sich gibt, um seine sportlichen Leistungen genießen zu können. Zumal er auch davon zum Ende seiner Karriere nicht mehr viel gezeigt hat. Zu seinen besten Zeiten war er jedoch ein Spieler, der ganz allein eine Mannschaft besser machen konnte.
Dafür musste man sich jedoch voll und ganz auf einen Spieler einlassen, der selbst eigentlich nie so richtig Bock hatte, sich an das Profigeschäft anzupassen. Auch das machte ihn zu einem Spieler, den man lieben kann. Nicht für das, was er sagt, aber dafür, dass er genau das sagt, was ihm gerade durch den Kopf geht.
Ob es nun seine aktuelle Privatfehde mit Niko Kovač ist, sein provozierend nach Außen getragener Nutella-Konsum, ausgeplauderte Infos darüber, wie er Klubs bei Gehaltsverhandlungen am Nasenring durch die Manege zog, oder sein Geständnis, sich als Profi fett absaugen lassen zu haben, weil er vollkommen übergewichtig aus dem Urlaub kam.
Dazu gibt es ja noch die Stories rund um vergessene Geldkoffer in Taxis, Pokerrunden bis in die Morgenstunden und Party-Nächte in Berlin, die Kruse nicht nur seinen Platz in der deutschen Nationalmannschaft, sondern auch beim VfL Wolfsburg kosteten.
Langweilig war diese Mischung aus Marcelinho, Aílton und Mario Basler nie.
Auch nicht auf dem Platz, wo er einen Spielstil hatte, den man als Beobachter nie so recht greifen konnte. Als eigentlicher Stürmer ließ er sich oftmals tief fallen, um von hinten das Spiel aufzuziehen. Zu seiner Werder-Zeit kam es sogar vor, dass er plötzlich neben den Innenverteidigern auftauchte, sich dort den Ball abholte und von der Linksverteidiger-Position aus seine Mitspieler dirigierte.
Trotz der gemächlichen Beschleunigung eine Vierzigtonners und der gefühlten Höchstgeschwindigkeit eines Tretrollers schaffte Kruse es dann meist trotzdem noch, rechtzeitig für den Abschluss wieder im gegnerischen Strafraum zu sein. So kam er in 307 Bundesliga-Spielen auf 97 Tore und 79 Vorlagen.
Selbst defensiv arbeitete er mit, koordinierte das Anlaufen seiner Kollegen und gab die Signale fürs Pressing. Er war ein Cheatcode für mittelmäßige Bundesliga-Teams, der für die Oldschool-Mentalität stand, während der Woche nicht viel machen zu müssen, solange er am Wochenende ablieferte.
Damit war er ein Spieler, der aneckte, den die Mitspieler akzeptieren und auf den Trainer ihre komplette Taktik ausrichten mussten. Diese Haltung führte dazu, dass er nie für einen richtig großen Topklub spielte, mit dem er Titel hätte holen können. Der deutsche Supercup und der Triumph im Bremer Landespokal sind die größten Erfolge, die in seiner Bilanz stehen.
📸 Dennis Grombkowski - 2015 Getty Images
Kruse machte aber auch nie einen Hehl daraus, dass die Nullen beim Gehalt den größten Ausschlag dafür gaben, wo er die Fußballschuhe schnürte. Sportliche Ambitionen waren lediglich eine nette Zugabe.
Letztlich spielte er so für sechs verschiedene Bundesliga-Klubs und wechselte im Schnitt fast alle eineinhalb Jahre den Verein. Dass er im vergangenen Jahr seine Profi-Karriere beendete und am gestrigen Deadline Day nicht doch noch ein unerwarteter Kruse-Deal verkündet werden konnte, zeigt nur, wie gnadenlos die Zeit verrinnt und man besondere Spieler genießen sollte, solange sie besonders sind.
Denn, dass Kruse einer dieser titelarmen, aber trotzdem sexy Spieler war, lag nicht nur daran, dass das Trikot bei ihm immer noch ein kleines Stückchen enger anlag als bei anderen, es lag vor allem daran, dass er ein Spieler wie kein anderer war.
Und wie gut er war, zeigt sich dann eben auch daran, dass es ihm alle 18 Monate wieder gelang, einen neuen Klub über den Verhandlungstisch zu ziehen. Alles nur, weil sie unbedingt so einen besonderen Spieler haben wollten wie ihn.
📸 PATRIK STOLLARZ