OneFootball
·28. Januar 2025
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Der Name Stefan Kießling wird in der jüngeren Fußballgeschichte unweigerlich mit dem Wort Phantomtor in Verbindung gebracht. Am 9. Spieltag der Bundesliga-Saison 2013/14 gelang dem damaligen Mittelstürmer von Bayer 04 Leverkusen Unglaubliches: Er köpfte den Ball knapp am Tor vorbei – so knapp, dass das runde Leder durch ein Loch im Netz schließlich doch im Kasten der TSG Hoffenheim landete.
Schiedsrichter Felix Brych gab das Tor, und Kießling selbst beteuerte anschließend, er habe nicht gesehen, ob und wie der Ball ins Tor gegangen sei. Trotz eines Einspruchs der TSG wurde das Spiel letztlich mit 2:1 für Bayer gewertet. Ein neuer Fußballskandal war geschaffen und der "Übeltäter“ fiel vielerorts, trotz seines guten Images, in Ungnade.
Keine Frage, ein bitterer Moment in der Karriere von Stefan Kießling. Doch wird es diesem prototypischen Stürmer gerecht, wenn wir uns im Jahr 2025 "nur" noch an sein Phantomtor erinnern?
📸 Matthias Hangst - 2017 Getty Images
Fans von Bayer Leverkusen und dem 1. FC Nürnberg dürften das anders sehen. Erst beim Club (2002 bis 2006) und später beim Werksverein (2006 bis 2018) avancierte der 1,91-Meter-Hüne zu einem vielseitigen Goalgetter auf teils Weltklasseniveau, den Fans und Trainer gleichermaßen schätzten.
Trainer, weil der Junge nicht nur Tore schoss, sondern ebenso malochte, als gäbe es keinen Morgen mehr. Egal ob in der 1. oder 90. Spielminute: Kießling, der bereits mit vier Jahren für den 1. FC Eintracht Bamberg auf dem Feld stand, machte jeden Laufweg mit und scheute niemals einen Zweikampf.
Von 2008 bis 2012 bestritt er mit Abstand die meisten Zweikämpfe in der Bundesliga. Ein Kind von Traurigkeit war er dabei jedoch nicht. So war Kießling beispielsweise in der Hinrunde der Saison 2015/16 der Spieler, der am zweithäufigsten foulte, aber auch derjenige, der am häufigsten gefoult wurde.
Dass gegnerische Fans ihn in der Folge liebevoll "Fießling" nannten, konnte dem Torjäger herzlich egal sein. Die Herzen seiner eigenen Fans hatte er längst erobert. Weil er kämpfte – enorm abgezockt vor dem Tor war und etliche Räume für seine Mitspieler schuf.
Egal, ob per Kopf oder mit seinem rechten Huf: Kießling war für viele, aber auch wichtige Tore gut. So schoss er den Club im Mai 2004 zur Zweitligameisterschaft und zurück in die Bundesliga.
Dort sollte der Tor-Malocher spätestens 2012 allen ein Begriff sein, als er sich mit 25 Treffern die Torjägerkanone sicherte. Moment, müsste Kießling da nicht auch irgendwann ins Aufgebot von Joachim Löw gerutscht sein?
Da jeder deutsche Fußball-Fan den kompletten WM-Kader von 2014 rückwärts buchstabieren kann, ist klar, dass Kießling im Sommer vielleicht am Strand lag – aber nicht am Strand von Campo Bahia.
Trotz teils herausragender Leistungen berücksichtigte Jogi Löw den Lockenkopf kaum bis gar nicht. Für Kießling, der bis zu seinem Karriereende im Jahr 2018 auf gerade einmal sieben Länderspiele kam, war das ein nervlicher Drahtseilakt.
"Seit drei Jahren gab es nie irgendeinen Kontakt oder ein Gespräch, warum es nicht für die Nationalmannschaft reicht. Es zerrt ziemlich an mir, wenn ich immer wieder über das Thema Nationalmannschaft gefragt werde", schrieb der Stürmer 2013 auf Facebook. Später zog er im Gespräch mit der 'Bild' endgültig einen Schlussstrich: "Den Nationalspieler Kießling wird es unter Löw nicht mehr geben."
📸 Lars Baron - 2015 Getty Images
Gewollt oder ungewollt schoss Mario Götze Deutschland im folgenden Jahr zum Weltmeister. An Stefan Kießling, der mit 26 Scorerpunkten in 43 Spielen abermals eine starke Saison hinlegte, dachte in Rio de Janeiro derweil wohl kaum ein Mensch.
Und auch wenn der Vollblut-Stürmer weder für Deutschland noch für Leverkusen einen Titel erringen konnte, sollte eines abschließend klar sein: Ein 144-facher Bundesliga-Torschütze und 63-facher Vorlagengeber, der sein Herz immer auf dem Platz ließ, ist und bleibt ein verdammt sexy Spieler.
📸 Christof Koepsel - 2015 Getty Images
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