Titelarm, aber sexy: Herthas Größter mit zu großen Spendierhosen | OneFootball

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Justus Pludra·26. November 2024

Titelarm, aber sexy: Herthas Größter mit zu großen Spendierhosen

Artikelbild:Titelarm, aber sexy: Herthas Größter mit zu großen Spendierhosen

Der Mann, um den es in diesem Artikel gehen soll, passt in unser Format wie das Brandenburger Tor nach Berlin. Brasilianer, Frohnatur, ein begnadeter Zocker. Von den Fans verehrt, aber ohne große Titel im Trophäenschrank. Die Gründe dafür liegen aber vor allem neben dem Platz.

"Marcelo war von vielen Großen der Größte bei Hertha", sollte der damalige Hertha-Manager Dieter Hoeneß später über den 26-jährigen Ballkünstler sagen, den er im Sommer 2001 zur Alten Dame holte: Marcelo dos Santos, alias Marcelinho.


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📸 Martin Rose - 2005 Getty Images

Nicht nur mit seiner Vorliebe für gefärbte Haare macht der Linksfuß sich direkt einen Namen in der Bundesliga. 13 Tore, fünf Assists, Platz vier in der ersten Spielzeit. Der Standardspezialist wird direkt Publikumsliebling im Olympiastadion. Die Einladungen zur Seleção kommen regelmäßig. Den brasilianischen WM-Titel 2002 verfolgt Marcelinho aber in seinem zweiten Zuhause - einer Berliner Bar.

Kein halbes Jahr zuvor war er mit 120 Sachen und 1,27 Atü auf dem Kessel über den Kaiserdamm in der deutschen Hauptstadt gebrettert. Bei Hertha drückten sie wegen seiner sportlichen Brillanz immer wieder beide Augen zu. Nationaltrainer Felipe Scolari tat das nicht. Marcelinho spielte danach nie wieder für sein Land.

Aber, und auch das ist ein großer Teil seiner Geschichte: Er machte einfach weiter. Sowohl mit dem genialen Kicken, als auch den Partys. "Er hat hundertfach versprochen: Das war das letzte Mal", sagte BSC-Ikone Andreas "Zecke" Neuendorf 2020 der 'Süddeutschen Zeitung' und fügte an: "Aber dann kam das Wochenende..."

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📸 Lars Baron - Bongarts

Zugegeben: Es gab weiterhin viel zu feiern. 2005/2006 befindet sich Marcelinho auf seinem sportlichen Zenit. Am 9. April 2005 gelingt ihm aus 48,3 Metern gegen Freiburg das Tor des Monats. Am Ende des Jahres wird er zu Berlins Sportler des Jahres gewählt. Am Scheideweg zu einer titelreichen Karriere wählt der Ausnahmekönner aber ein weiteres Mal die Loyalität zu einem teuren Versprechen.

Mit einer Gruppe von Kindesfreunden soll sich der Spielmacher geschworen haben: Wenn es einer von uns als Profi packt, wird für die anderen mitgesorgt. Zu Hertha-Zeiten soll er drei Wohnungen in Berlin gemietet haben, nur um seine Freunde unterzubringen. Partys, Einkäufe, Lifestyle: Der BSC-Spitzenverdiener (kolportierte 1,8 Millionen Doller Jahresgehalt) soll alles übernommen haben.

"Er ist ein ganz toller Mensch, mit riesigem Herzen", beschrieb der frühere Hertha-Pressesprecher Hans-Georg Felder ihn mal gegenüber der 'BZ'. "Aber leider auch viel zu gutgläubig und naiv. Marcelo wurde ausgenutzt. Er hat viel, viel Geld für seine Familie, Freunde und andere Leute verpulvert." Mit den ganzen Leuten, die "um ihn herumgeschwirrt" seien, habe man den "Mannschaftsbus locker voll bekommen" können.

Als Marcelinho dann im Sommer 2006 ohne Vorwarnung neun Tage zu spät aus dem Sommerurlaub zurückkehrt, ist auch in der toleranten Hauptstadt das Maß endgültig voll. Der eigenwillige Lebemann wird an Tranzonspor verkauft. Es folgt schon nach einem halben Jahr die Rückkehr nach Deutschland, zum VfL Wolfsburg.

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📸 ODD ANDERSEN

In Niedersachsen spielt der Zehner nochmal ordentliche eineinhalb Jahre. Danach geht es zurück in die Heimat und der schleichende sportliche Abstieg beginnt. Noch bis 2020 tingelt Marcelinho durch die fußballerische Diaspora seiner Heimat. Auch weil das Geld in den richtig guten Jahren zu locker saß und weniger an die Vorsorge gedacht wurde.

Ein unwürdiges Ende für einen talentierten Ballkünstler, dem sein zu gutes Herz zum Verhängnis wurde. Der heute 49-Jährige hat aber mittlerweile seinen Frieden gefunden. "Ich bin ein neuer, glücklicher Mensch", versicherte der gläubige Christ dem 'Spiegel' in einer Reportage von 2019. Und das auch ohne je einen großen Titel gewonnen zu haben.


📸 Stuart Franklin - 2006 Getty Images