OneFootball
Erik Schmidt·1. November 2019
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Erik Schmidt·1. November 2019
Mit ihrem Verwandtschaftsgrad stehen Javairô Dilrosun und Sheraldo Becker irgendwie stellvertretend für ihre Klubs. Am Samstag treffen die Cousins nun erstmals in der Bundesliga aufeinander. Gleiches gilt für die beiden Berliner Traditionsvereine Hertha BSC und 1. FC Union.
Charlottenburg und Köpenick, wo die Alte Dame sowie die Eisernen jeweils beheimatet sind, trennen eigentlich nur ein paar Kilometer. Viele Jahre lang lagen dennoch Welten zwischen den Bezirken der deutschen Hauptstadt. Die BRD und Hertha auf der einen, die DDR und Union auf der anderen Seite – mittendrin eine Mauer. Die Beziehung der Klubs in der Zeit des Kalten Kriegs gestaltete sich trotzdem friedlich. Immerhin waren beide durch die Liebe zum runden Leder miteinander verbunden, wirklich nah kamen sie sich jedoch selten. Brüder im Geiste, Cousins im Herzen. Oder so ähnlich.
Dilrosun und Becker haben von alldem nichts mitbekommen, wurden sie doch erst viel später geboren. Beide wuchsen während der Nullerjahre in Amsterdam auf, die Leidenschaft für den Sport und das Ajax-Trikot einte sie. Doch es kam der Tag, an dem ihre Wege in unterschiedliche Richtungen führten.
Becker, drei Jahre älter als Dilrosun, musste in der Folge den wesentlich steinigeren Pfad beschreiten. So wie Union auch, das nach der Wende zunächst in den Niederungen des deutschen Fußballs zu Hause war. Nach seinem Aus beim niederländischen Rekordmeister, für dessen Profimannschaft der 24-Jährige nie zum Einsatz kam, erarbeitete er sich in der Provinz bei PEC Zwolle und ADO Den Haag einen Namen.
Im zurückliegenden Sommer sah Becker die Gelegenheit für den nächsten Schritt gekommen. Er entschloss sich dazu, die Herausforderung in Berlin anzunehmen. Neues Land, neue Liga. Der schnelle Angreifer konnte nur ahnen, was ihn erwartet. Was ebenso für die Eisernen galt.
Dilrosun hatte es ob seiner außerordentlichen Begabung immer etwas einfacher und war ähnlich der Alten Dame von Beginn an zu höherem berufen. Frühzeitig zog es ihn auf die Insel zu Manchester City. Der englische Spitzenklub kaufte und kauft noch immer die größten Talente aus aller Welt, um sie unter besten Bedingungen reifen zu lassen. Zeitweise durfte der 21-Jährige bei den Citizens sogar unter Pep Guardiola trainieren.
Zum großen Durchbruch reichte es aufgrund der riesigen Konkurrenz allerdings nicht. Also sah sich Dilrosun nach einem neuen Arbeitgeber um. Interessenten gab es genug. Hertha machte das Rennen. Der vielversprechende Offensivakteur passte perfekt zu den Ambitionen der Blau-Weißen, die endlich im Konzert der ganz Großen mitspielen möchte.
Stets und ständig begleiteten sowohl Hertha und Union als auch die niederländischen Cousins Vergleiche. Am Samstag gibt es Antworten. Auf dem Platz. Und das im Fußball-Oberhaus eines geeinten Deutschlands. Eine Möglichkeit, von der die Beteiligten lange nur träumen konnten. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen.
Für 90 Minuten ist es dann vorbei mit der Verbundenheit. „Es geht auch um den eigenen Stolz“, erklärte Dilrosun der ‚Sport Bild‘, „gegen ein Familienmitglied will man nicht verlieren. Wir sind nicht die Charaktere, die eine Niederlage einfach so hinnehmen können.“
Einen Unterschied zwischen den Klubs und ihren Flügelflitzern gibt es aber doch: Während sich Dilrosun und Becker nach dem Abpfiff wieder lieb haben dürften, erwächst in der heutigen Fan-Generation beider Vereine gerade so etwas wie eine neue Rivalität. Aus Verwandten werden Konkurrenten. Spätestens am bevorstehenden Wochenende.