90PLUS
·22. Oktober 2023
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·22. Oktober 2023
Am Samstagabend empfängt die AC Milan Juventus zum Topspiel der Serie A. Für Juve-Neuzugang Timothy Weah wird es eine spezielle Partie sein.
Emotional aufladen müsste man die Partie zwischen der AC Milan und Juventus definitiv nicht. Wenn um 20:45 Uhr das Spiel zwischen den beiden Traditionsklubs angepfiffen wird, hat es dieses Mal auch große sportliche Relevanz. Die Rossoneri wollen wieder an die Tabellenspitze klettern, nachdem Erzrivale Inter bereits am Samstag im Fernduell vorlegte. Die Bianconeri hingegen wollen sich mit drei Punkten endgültig in der Spitzengruppe festsetzen, nachdem sie in der letzten Saison absolut gar nichts mit dem Meisterkampf zu tun hatten.
Um die schwierige Aufgabe zu lösen, kann Massimiliano Allegri auf einen Akteur zurückgreifen, für den das Spiel gegen Milan eine Konfrontation mit der größten und wohl nie endenden Herausforderung seiner Karriere wird: dem Erbe seines Vaters. Der 23-Jährige ist Sohn des legendären George Weah. Die Erfolge der eigenen Eltern können schwer auf ihren Kindern wiegen. Sich einen eigenen Namen zu machen und nicht ständig Opfer von Vergleichen zu werden, die man aufgrund der Brillanz der eigenen Eltern verliert, ist extrem schwierig. Im Fall von Timothy Weah ist es schon beinahe unmöglich.
Sein Vater George wurde einst von Arsene Wenger nach Europa gelotst und startete im Trikot der AS Monaco durch. Den Stürmer zog es in den folgenden Jahren noch zu Paris Saint-Germain und eben Milan. 1995 wurde er als bis heute einziger afrikanischer Spieler mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet, der damals gleichbedeutend mit dem Titel „Europas Fußballer des Jahres“ war. Darüber hinaus gewann er aber auch den Titel des „FIFA-Weltfußballer des Jahres“. „Weah war eine richtige Überraschung. Für mich war es wie als Kind an Ostern im Garten einen Schokoladenhasen zu finden. Ich habe noch nie einen Spieler so explodieren sehen, wie ihn“, teilte Wenger später mit.
(Photo by ZOOM DOSSO/AFP via Getty Images)
Eine Leistungsexplosion könnte nun sein Sohn vertragen, der es – verständlicherweise – bislang nicht geschafft hat, aus dem Schatten seines Vaters, der mittlerweile Präsident seines Heimatlands Liberia ist, hervorzutreten. Dem Vermächtnis von King George, wie er auch genannt wurde, kann man nur schwer gerecht werden.
Geboren in New York, durchlief er die Jugendakademie der New York Red Bulls bevor es ihn zu PSG zog – der alten Wirkungsstätte seines Vaters. Umgeben von Superstars wie Neymar und Kylian Mbappé fiel es dem Talent schwer, auf genügend Spielzeit zu kommen, nachdem er es in den Profikader schaffte. Eine halbjährige Leihe zu Celtic erlaubte es ihm, sich für größere Aufgaben zu empfehlen, bevor 2019 ein permanenter Transfer zum OSC Lille folgte.
Von einer Muskelverletzung gebremst konnte Weah erst in der Saison 2020/21 so richtig ins Geschehen für die Franzosen eingreifen. Variabel einsetzbar auf den Flügeln und als Mittelstürmer pendelte er zwischen Startelf und Jokereinsätzen. Am Ende stand die überraschende Meisterschaft in der französischen Ligue 1.
(Photo by DENIS CHARLET/AFP via Getty Images)
Der US-Amerikaner präsentierte dabei viele Qualitäten, die auch seinen Vater auszeichneten. Schnelligkeit, gute Technik und eine starke Physis ließen ihn glänzen, aber auf ganzer Linie konnte er dann doch nie so richtig überzeugen. Sowohl beim Abschluss als auch im Passspiel wechselte er zwischen Genie und Wahnsinn. Mal eiskalt, mal verschwenderisch, mal zielgenau, mal schlampig. Weah konnte konstant nie das abrufen, um ein Unterschiedsspieler in der Offensive zu sein.
Seine Anlagen waren allerdings trotzdem gut genug, um ihn gar nicht einzusetzen. Und so folgte die Entscheidung von Lille-Coach Paulo Fonseca, ihn als Außenverteidiger zu testen. Ein voller Erfolg. Endlich etablierte er sich konstant in der ersten Elf und konnte sowohl auf der linken als auch rechten Seite agieren. Seine durchwachsene Entscheidungsfindung wurde somit nicht ständig zum Problem und defensiv zeigte er durchaus ansprechende Leistungen. Seinen Offensivdrang verlor er dabei nicht. Immer wieder kurbelte er das Spiel mit Dribblings an, konnte seine Gegenspieler mit enger Ballbehandlung sowie hohem Tempo stehen lassen.
Attribute, die in Italien registriert wurden. In Massimiliano Allegris 3-5-2 wurde nämlich ein Platz auf der rechten Seite frei, nachdem Juan Cuadrado Juve ablösefrei in Richtung Inter verließ. Rund elf Millionen Euro überwiesen die Italiener an Lille, um den US-Amerikaner zu verpflichten. Die Erwartung: Unter dem pragmatischen Trainer der Italiener könnte Weah den nächsten Schritt gehen. Legt er in der Serie A unter Allegri defensiv noch zu, kann aus Weah ein Spieler werden, der zwar nicht Weltklasse ist, aber ohne Probleme internationales Niveau erreichen kann. Die Ablöse könnte sich in diesem Fall als Schnäppchen erweisen. Gute Außenverteidiger respektive Schienenspieler, findet man auf dem Transfermarkt nämlich nur selten.
Noch hat der 23-Jährige allerdings mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen. Im unruhigen Umfeld der Bianconeri, die sich erst in die Saison reinkämpfen mussten, startete Weah stark, ließ danach aber auch sofort nach. Von der Startelf ging es erstmal zurück auf die Bank. Ausgerechnet Nationalmannschaftskollege und Ex-Schalker Weston McKennie verdrängte ihn und wurde als rechter Wingback eingesetzt.
Vor der Länderspielpause fanden dann beide beim 2:0-Derbysieg gegen Torino den Weg in die Startformation. McKennie wieder auf seiner Wunschposition im Mittelfeld und Weah in seiner neuen Rolle auf der rechten Seite. Trainer Allegri war voll des Lobes nach der Partie. „Weah zeigte eine gute Leistung als Außenverteidiger. Er ist jemand, der Druck nach vorne macht“, so der 56-Jährige, dem das Zusammenspiel der beiden gefiel: „McKennie hat seine Aufgabe auch gut gelöst und ihn defensiv abgesichert. Sie haben beide ein gutes Spiel gemacht.“
Nach guten Auftritten mit der Nationalmannschaft kam Weah Selbstbewusstsein zurück nach Italien. Für ihn kann der Auftritt im San Siro, der alten Wirkungsstätte seines Vaters, ein entscheidendes Spiel werden. „Er findet sich gerade“, so sein Trainer vor der Partie in Mailand. „Er hatte ein kurzes Tief, aber findet gerade seine Balance. Es ist normal, dass er ein paar Schwierigkeiten hatte, aber jetzt macht er seine Sache gut“, ließ Allegri verlauten.
Sein Durchbruch bei einem europäischen Topklub könnte kurz bevorstehen. Die Bühne ist hergerichtet. Das Topspiel der Serie A, mit der emotionalen Komponente seines Vaters, der in eben jenem San Siro den Ballon d’Or in die Höhe streckte. Es ist wie gemacht, um an der eigenen Geschichte weiter zu schreiben und zumindest für einen kurzen Moment aus dem Schatten des Vater hervorzutreten. „Ich werde immer der Sohn von George Weah sein. Ich werde immer auch seinen Namen repräsentieren“, teilte er in einem Interview mit der Sports Illustrated angesprochen auf das Vermächtnis seines Vaters mit.
Es ist ein gesunder Umgang mit dieser Last. Dass der Name Weah zukünftig auch mit Timothy verbunden wird, ist angesichts der jüngsten Entwicklungen aber auch nicht mehr unwahrscheinlich. Nicht jeder kann so ein genialer Fußballer wie King George sein, aber Spieler von internationalem Format sind auch nur die allerwenigsten. Das wäre trotz des immensen öffentlichen Drucks ein beachtlicher Erfolg für den Juve-Profi.
(Photo by Harry How/Getty Images)
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