OneFootball
Philipp Overhoff·10. Februar 2024
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Philipp Overhoff·10. Februar 2024
Annahme mit der Brust, eine geschmeidige Drehung und ein unhaltbarer Schuss, der den Ball gegen die Unterkante der Latte und dann ins Tor fliegen lässt. So machte sich James Rodríguez im Sommer 2014 unsterblich. Die Weltmeisterschaft in Brasilien war DAS Breakout-Turnier des Kolumbianers, der als Torschützenkönig zum Shootingstar wurde. Real Madrid verliebte sich sofort in den damals 23-Jährigen und zahlte satte 80 Millionen Euro an Monaco.
Alles schien bereitet für eine ganz große Karriere. Jeder war sicher: Das ist ein kommender Superstar! Keine zehn Jahre später sieht die Realität anders aus. Der heute 32-jährige soll den FC São Paulo nach nur wenigen Monaten schon wieder verlassen, angeblich auch aufgrund von Gewichtsproblemen. Seine Stationen vorher hießen Olympiakos Piräus und Al-Rayyan. Nun droht die Vereinslosigkeit. Wie konnte das nur passieren?
Nach einer starken Debüt-Saison bei Real mit 13 Toren und 13 Vorlagen in 29 La-Liga-Spielen erhielt die bisher blütenweiße Laufbahn des James Rodríguez erste Flecken. In den folgenden beiden Jahren machte er immer weniger Spiele, 2016/17 waren es nur noch fünf über die vollen 90 Minuten. Grund dafür waren immer wiederkehrende Verletzungen und mangelnde Fitness.
Im Frühjahr 2020 engagierte sein Klub sogar einen Athletiktrainer, um James wieder in Form zu bekommen, wie dessen Nationaltrainer Carlos Queiroz gegenüber ‚EFE‘ berichtete: „Dieser Coach macht Extraschichten mit James.“
Von außen wurde ihm auch immer wieder fehlende Widerstandsfähigkeit, ein zu geringes Tempo und mangelnder Einsatz gegen den Ball vorgeworfen. Zwischendurch versuchte er für zwei Jahre einen Neustart beim FC Bayern, wo ihn allerdings ähnliche Kritiken begleiteten.
Im Dress des deutschen Rekordmeisters wies James zwar ähnlich starke Zahlen auf wie zu Beginn in Madrid (sieben Tore, elf Vorlagen in der Saison 17/18), doch über die Rolle eines Rotationspielers kam der Linksfuß ebenso nicht hinaus. Auch weil der FCB meist ohne klassischen Zehner spielte. „Man sollte keinen Spieler für 42 Millionen Euro Ablöse mit entsprechendem Gehalt verpflichten, wenn man ihm keine feste Position bieten kann“, erklärte Karl-Heinz Rummenigge den Abgang gegenüber ‚Sport 1‘.
Privat lebte sich James auch nie so richtig in Deutschland ein. In einem Podcast von Daniel Habif nannte er die Deutschen später „kalte Leute“, auch wenn Bayern ihn „fantastisch behandelt“ habe. Er sagte aber auch etwas, was darauf hindeutet, dass die Vorwürfe der fehlenden Leidensfähigkeit nicht ganz abwegig waren: „Es gab Tage, da bin ich um 9 Uhr morgens bei Eiseskälte zur Arbeit gegangen und ich habe mich gefragt: Was mache ich eigentlich hier?“
Nach einem weiteren Jahr in Madrid, währenddessen Zidane erneut nicht auf ihn setzte, folgte im Sommer 2020 der endgültige Abschied zum FC Everton, wo er zum dritten Mal in seiner Karriere auf Carlo Ancelotti traf. Auf die Frage, warum es auch beim zweiten Real-Anlauf nicht geklappt hatte, verwies James darauf, dass Zidane einfach seine Lieblinge habe: „Es ist schwierig, wenn man sieht, dass man nicht die gleichen Chancen hat wie die Teamkollegen.“ Selbstkritik? Fehlanzeige.
Am River Mersey wieder das bekannte Bild: Einwandfreie Scorer-Statistiken, aber einige Verletzungen und vor allem eklatante Mängel in Sachen Defensivarbeit. Unter Ancelotti wurde das noch toleriert, bei Disziplinfanatiker Rafael Benítez, der die Toffees im Sommer 2021 übernahm, kam das aber nicht gut an: „Er hat sich im Training nie bemüht, aber immer Ansprüche auf einen Startelfplatz gestellt“, sagte er bei einer Pressekonferenz, nachdem James sich im selben Jahr dem katarischen Klub al-Rayyan SC angeschlossen hatte.
Der spanische Übungsleiter hielt sich nach dessen Abgang mit Kritik nicht zurück: „James präferiert Geld und ein komfortables Leben. Das ist ihm wichtiger als der Wettkampf und der Erfolg im Fußball.“ Erstmals wurden die Vorwürfe, die James seit Jahren begleiteten, auch von einem seiner Trainer ausgesprochen.
In Katar konnte er es zwar lockerer angehen lassen und ihm gelangen vier Tore sowie sieben Assists, er lief aber auch in lediglich zwölf Partien auf. Nach nur einem Jahr zog es James weiter. „Das Leben und die Kultur in Katar sind sehr schwierig, es war ein Land, bei dem es schwer war, sich anzupassen“, erklärte James er beim brasilianischen TV-Sender ‚Globo‘. „Dort essen alle mit der Hand, das war schwierig für mich“, berichtete James. Auch das Nacktverbot während des Duschens störte ihn laut eigenen Aussagen.
Nach einer siebenmonatigen Zwischenstation bei Olympiakos heuerte er im Sommer 2023 beim FC São Paulo an und unterschrieb für zwei Jahre. Ein weiteres Missverständnis. Dass James nicht zu einem Pokalfinale reiste, weil er nicht nominiert war, nutzt der Klub nun, um eine Vertragsauflösung zu forcieren. Laut brasilianischen Medien sollen auch die einen oder anderen Kilos zu viel eine gewichtige Rolle gespielt haben.
Vor allem ging es aber wieder um fehlenden Einsatz und Lauffreude. São Paulos Sportdirektor Carlos Belomonte hatte laut ‚Bild‘ eine vernichtende Erklärung für die anstehende Trennung: „Der brasilianische Fußball ist intensiver und er konnte sich nicht anpassen.“
Angesicht dessen ist fraglich, ob der immer noch erst 32-Jährigen bei seiner nächsten Station mehr Glück haben wird und seiner Karriere noch ein versöhnliches Ende bereiten kann.
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