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Justus Pludra·20. Dezember 2024
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Justus Pludra·20. Dezember 2024
Der Weltklub Manchester United kann gerade neidisch nach Freiburg blicken. Bei den Red Devils suchen sie auch elf Jahre nach dem Abschied von Sir Alex Ferguson einen würdigen Nachfolger. Im beschaulichen Breisgau scheint die riesige Lücke von Trainer und Galionsfigur Christian Streich sofort geschlossen worden zu sein. Und das mit einer wieder mal lockeren Freiburghaftigkeit, bei der man sich nur fragen kann, was die beim SC eigentlich nicht können.
Wie ersetzt man Christian Streich? Jemanden, der seinen Klub, so wie Ferguson es bei United getan hatte, bis ins Innerste geprägt hat. Ein Mann, der so viel mehr war, als über zwölf Jahre lang der Coach des SC Freiburg. Das gute Gewissen der Bundesliga. Sportlich wie menschlich über die Ligagrenzen hinaus geschätzt. Träger des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg.
Nach ziemlich genau einem halben Jahr im Amt könnte Schuster das antworten, was er schon in der Pressemitteilung des Klubs sagte, als im vergangenen März verkündet wurde, dass er die Rolle als Cheftrainer übernimmt: "Mit voller Überzeugung, aber auch mit Demut und Respekt."
Wie so häufig setzte der SCF damit auf eine interne Lösung. Eine interne Lösung, die lange vorbereitet wurde. Eine interne Lösung, die mal wieder so gut funktionierte, dass es im deutschen Fußball-Kosmos einen eigenen Ausdruck dafür gibt: der Freiburger Weg.
Ein Pfad, der auch unter Schuster weiter bergauf geht. 24 Punkte holte der gerade erst 39-Jährige aus seinen ersten 14 Ligaspielen, Platz fünf. Inklusive vereinsinternem Startrekord bis Spieltag sieben. Unter Streich stand der Sport-Club zum aktuellen Zeitpunkt der Saison nur drei Mal besser da. Hat Schuster sich einfach ins gemachte Nest gesetzt?
📸 Alex Grimm - 2017 Getty Images
Der Eindruck kann entstehen. Der neue Coach vertraut auf bewährte Kräfte. Kaum ein Trainer in der Bundesliga verändert seine Startformation so selten, wie der Mann aus Bietigheim-Bissingen. Mit neun Kickern aus dem aktuellen Kader hat er selber noch zusammengespielt. Und trotzdem gibt es unter seiner Führung keine Geschenke. Bestes Beispiel: Lucas Höler.
Das ist einer der Ex-Mitspieler von Schuster. Unter Streich war der fleißige Angreifer gesetzt. Beim neuen Trainer spielte zu Saisonbeginn aber fast ausschließlich Junior Adamu als einzige Spitze. Er passt besser in das taktische Konzept, dass sich leicht verändert hat.
📸 FOCKE STRANGMANN - AFP or licensors
Berufspessimist Streich wählte zumeist einen etwas defensiveren Ansatz. Schuster will mehr Mut und Ballbesitz von seinem Team sehen. Im Europa-Park Stadion lässt sich seit Saisonbeginn regelmäßig Angriffspressing der Heimmannschaft beobachten. Ideen, die der frühere Mittelfeldspieler schon lange entwickelt hat.
Nils Petersen erzählte einst von gemeinsamen Fußball-Abenden mit seinem damaligen Kapitän. Während Petersen mitfieberte, habe Schuster nur Augen für die taktischen Kniffe gehabt. Der Weg zum Trainerstuhl zeichnete sich also früh ab.
Nur logisch, dass er nach seinem Karriereende 2018 augenblicklich in die Coaching-Abteilung wechselte. Natürlich in seiner Wahlheimat, wo sie direkt eine neue Positon für ihn schufen. Unter anderem als Verbindungstrainer zwischen Jugend und Profi-Team wurde Schuster über sechs Jahre an seinen heutigen Job herangeführt.
📸 Robert Hradil - 2018 Getty Images
Falls doch nochmal etwas unklar ist, greift Schuster zum Telefon: "Ich weiß, dass ich mich immer bei ihm melden kann, wenn ich eine Frage habe", ist der Trainer-Novize seinem Vorgänger Streich dankbar. Vollkommen klar ist für ihn dagegen die politische Haltung, auf die schon sein früherer Übungsleiter großen Wert legte.
„Mir ist wichtig, dass jeder, wenn er gefragt wird, ob als Spieler vom SC Freiburg oder als Privatperson, eine Meinung dazu hat, dass zum Beispiel Amerikaner Trump wählen oder die Ampel-Koalition zerbricht“, stellte Schuster in einem Interview mit der 'Süddeutschen Zeitung' klar. Er ist genauso "freiburgisch", dass die Geschichte fast schon zu schön ist, um wahr zu sein.
Eine Erfolgsgarantie ist das trotzdem nicht. Gleich am ersten Spieltag wartete die Feuertaufe: Derby gegen den VfB Stuttgart, amtierender Vizemeister. Nach zwei Minuten lagen die Freiburger hinten. Weil das Team anschließend aufdrehte und 3:1 gewann, konnte Schuster hinterher bilanzieren: "Es war ein sehr wichtiger Moment, so in die Saison zu starten. Ein Derby-Sieg mit der Gewissheit, dass es auch weiter funktionieren kann."
Was es dann ja auch tat. Doch die Aufgaben werden in Zukunft nicht kleiner. Schusters minimalistische Personalpolitik bringt neben Höler, der inzwischen mehr Minuten bekommt, natürlich auch einige weitere Verlierer mit sich. Der Erfolg gibt ihm momentan recht und Ruhe. Sollte es mal nachhaltiger kriseln, fehlt aber die faktische Grundlage, um von vermehrten Änderungen in der Startelf abzusehen.
Doch bis jetzt meistert er die aktuell wohl schwerste Aufgabe der Bundesliga mit Bravour. Eine mangelhafte Note will der wiedererstarkte Meister aus Leverkusen heute Abend in das Bundesliga-Berichtsheft von Schuster schreiben. Um das zu verhindern, müsse sein Team "auch die Fähigkeit zu leiden haben". Falls es Unklarheiten gibt, was das bedeutet, kann im roten Teil Manchesters nachgefragt werden.
📸 Helge Prang - 2024 Getty Images