
Rund um den Brustring
·14 April 2025
Geschlagert

Rund um den Brustring
·14 April 2025
Erneut muss der VfB darunter leiden, dass Daniel Schlager mit der Leitung eines Bundesliga-Spiels überfordert ist. Für die fünfte Heimniederlage in Folge (!) war aber nicht allein der Amateur-Schiedsrichter aus Baden verantwortlich, denn bereits vor dem lächerlichen Platzverweis trat die Mannschaft nicht so auf, wie es die aktuelle Situation erfordert.
Man muss sich wirklich langsam fragen, was sich DFL und DFB bei solchen Ansetzungen denken. Nach dem 2:3 im Pokal-Halbfinale gegen Frankfurt 2022 gab Schiedsrichter Daniel Schlager zu Protokoll, ein Spiel solle nicht in der letzten Minute derart entschieden werden — also durch den von ihm verweigerten Handelfmeter gegen den DFB. Kurioserweise hatte er bereits das Achtelfinale des VfB in Paderborn gepfiffen, in dem wir uns aber die Eier in Person von Dinos Mavropanos immerhin selber ins Ei legten. Im Februar 2023 verpfiff Schlager den VfB, als er Leverkusens Treter Robert Andrich nicht mit gelb-rot vom Feld schickte, bevor der sein Tor erzielen konnte und in der zweiten Runde des laufenden Wettbewerbs machte er aus einer Freistoßsituation bei bester Sicht einen Elfmeter und konnte von Glück sprechen, dass der VfB die Lauterer sonst im Griff hatte. Während Schlager im Herbst noch die fadenscheinige Entschuldigung heranzog, dass ihm in den ersten Pokalrunden kein VAR zur Verfügung stünde, hätte er diesen am Sonntagnachmittag an seiner Seite gehabt — nur eben nicht bei gelben Karten.
Auch hier griff aber wieder das Schema Schlager: beste Sicht, katastrophale Zweikampfbewertung und hinterher der Gratismut in Form des gegenüber Alex Wehrle geäußerten Geständnisses einer Fehlentscheidung. Es ist bereits das zweite Mal in dieser Saison, dass der VfB eine völlig lachhafte gelb-rote Karte und die damit verbundene Sperre ertragen muss, immerhin war aber Schlager nicht ganz so blind wie Kollege Jablonski im Herbst gegen Wolfsburg, weswegen ein Einspruch wohl keinen Erfolg haben wird. Während man aber auf Schalke nach der gegen uns verzockten Fast-Meisterschaft 2001 jahrelang Markus Merk bei Ansetzungen ablehnen konnte und der BVB gleich von zwei Schiedsrichtern — Felix Zwayer und Sascha Stegemann — zumindest eine zeitlang verschont blieb, müssen wir immer wieder diese Ansetzungen ertragen und ich schaue mit bangen Blicken darauf, wer fürs Pokalfinale angesetzt wird. Dass der VfB offiziell Einspruch gegen die gelb-rote Karte einlegt, ist zwar notwendig, sinnvoller wäre es aber, den entsprechenden Druck auf Verband und Liga aufzubauen, damit Schlagers Zuordnung zur Bundesliga überdacht wird oder zumindest er uns nicht mehr mit einen Fehleinschätzungen quälen darf.
Ich könnte noch viel mehr über den Zustand des Schiedsrichterwesens in Deutschland schreiben, das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der VfB nach dem erkämpften Einzug ins Pokalfinale und der Pflichtaufgabe in Bochum für das Spiel gegen gut organisierte und mit einer klaren Spielidee auftretenden Bremer mental nicht gewappnet war. Der VfB mag das Spiel letztendlich wegen Daniel Schlager verloren haben, dass er es ohne ihn gewonnen hätte, ist jedoch alles andere als sicher. Was dem VfB vor dem Platzverweis lange fehlte, kulminierte im Ausgleich durch Oliver Burke: Ein zielloser Abschlag von Alexander Nübel, der umgehend beim Gegner landete, im Anschluss ein weiterer verlorener Zweikampf und ein Steckpass von Mitch Weiser, der die viel zu weit aufgerückte VfB-Abwehr offensichtlich überraschte. Kompakte Spielanlage, Zweikampfstärke und steile Pässe auf schnelle Spieler — das war nebem dem sehr hohen Pressing das Erfolgsrezept der Bremer und der VfB spielte ihnen genau in die Karten. Nicht umsonst standen die Norddeutschen vor der Partie nur einen Punkt hinter uns: Es war eine Partie auf Augenhöhe, in die Bremen bis zur 60. Minute unterm Strich schlicht mehr investierte. Schon die Führung durch Stergiou fiel in eine Phase, in der der VfB nach einer erfolglosen Anfangsoffensive mal wieder viel zu viele Gänge zurückschaltete.
Gerade weil Bremen so gut organisiert ist und sich derzeit in ähnlichen Tabellenregionen unterwegs ist wie der VfB, hätten wir in dieses Spiel wesentlich mehr investieren müssen. Es war nicht zu erwarten, dass wir Bremen so abbügeln wie Bochum, auch wenn der sehr sehenswerte Pass von Angelo Stiller die defensiven Schwächen der Gäste, insbesondere in Person von Torwart Zetterer, ziemlich gut offenlegte. Es kann aber in so einem Spiel nicht sein, dass wir aufhören, Zweikämpfe im Mittelfeld zu gewinnen und plötzlich nicht nur gedanklich, sondern auch physisch immer einen Schritt zu spät kommen. Natürlich steigerte sich der VfB im Verlauf der Partie auch wieder und hatte aufgrund der individuellen Qualität seiner Offensive genug Möglichkeiten, erneut in Führung zu gehen — die Spielanlage aber war geprägt von riskanten Fehlpässen und umständlichem Offensivspiel, in dem auch Ermedin Demirovic erneut passmäßig zu verhungern drohte. Die Mannschaft wirkte schon vor der Fehlentscheidung ausgelaugt und verfiel zudem immer mehr in Panikmodus, als die Bremer begannen, Morgenluft zu wittern. Vielleicht wäre es uns mit elf Spielern noch gelungen, irgendwie einen lucky punch zu landen. Genauso gut hätte uns aber Werder ein weiteres Mal überrumpeln können. Sebastian Hoeneß sagte über die Phase nach der Führung “Wir waren das aktivere Team, in manchen Situationen jedoch zu unpräzise, um doch mehr herauszuholen.”. Die Aktivität kann man der Mannschaft nicht absprechen, die Strukturiertheit jedoch schon.
Das Spiel gegen Bremen verdeutlicht, dass die Probleme des VfB vor allem in den Köpfen der Spieler verankert sind. Zum einen fehlt offensichtlich jemand, der in krisenträchtigen Situationen wie der Phase nach der eigenen Führung den Laden zusammenhält und die Mannschaft auf dem Platz neu ausrichtet. Angelo Stiller ist dazu noch zu unerfahren und eher offensiv-kreativ orientiert, Atakan Karazor ist trotz Kapitänsbinde offenbar dazu nicht in der Lage. Dieses Problem zieht sich schon seit dem Supercup durch die ganze Saison und hat ganz offenbar ihren Ursprung in den Abgängen von Führungsspielern wie Serhou Guirassy und Waldemar Anton, die weder von Karazor noch von Deniz Undav aufgefangen werden konnten. Viel mysteriöser ist die Tatsache, dass die Mannschaft gerade in dieser Phase ergebnistechnisch und immer wieder auch in der Haltung zu Spiel und Gegner so abschmiert, obwohl sie seit Ende Januar nur noch eine englische Woche zu absolvieren hatte und damit nur noch in quasi eineinhalb Wettbewerben vertreten ist. Es scheint, als habe sich der Stress, ohne richtiges Training alle drei Tage auf dem Platz zu stehen, positiver auf die Mannschaft ausgewirkt als eine komplette Trainingswoche. in der Abläufe und mentale Widerstandsfähigkeit trainiert werden können. Und selbst nach zwei Erfolgserlebnissen gelingt es der Mannschaft nicht, die Spannung komplett hochzuhalten.
Natürlich schwebt über allem weiterhin der 24. Mai und die Chance auf den ersten Pokalsieg seit der Meisterschaft, mindestens ebenso wichtig ist es aber, dass die Mannschaft mit Rückenwind und Selbstvertrauen in dieses Spiel geht. Auch wenn wir die Arminia auf dem Papier angesichts von eineinhalb Ligen Unterschied schlagen müssen: Die Bielefelder werden sich ganz genau anschauen, mit welchen Problemen wir gegen kompakte, clevere und zweikampfstarke Mannschaften zu kämpfen haben. Mal ganz abgesehen davon möchte ich, dass wir uns einen möglichen Einzug in den Europapokal auch über die Liga zumindest annähernd verdienen und nicht wie 2013 alles auf das Pokalfinale setzen. Natürlich ist der Zustand der Mannschaft und des Vereins nicht mit damals vergleichbar, schon allein weil ich im aktuellen Kader wesentlich mehr Potenzial für die Folgejahre sehe. Aber es muss in dieser Saison einfach mehr drin sein als ein zweistelliger Tabellenplatz. Ob die Mannschaft dafür bereit ist, kann sie am kommenden Wochenende gegen einen ähnlich unangenehmen Gegner wieder unter Beweis stellen.
Zum Weiterlesen: Auch der Vertikalpass kann das Wortspiel natürlich nicht liegen lassen versenkt gekonnt mit “Der DFB präsentiert: Das große Schlagerfestival”.
Titelbild: © Christian Kaspar-Bartke/Getty Images