Die Wachablösung | OneFootball

Topspiel – ein großes und oft benutztes Wort im deutschen Fußball. In der Vergangenheit meist für die Duelle zwischen Dortmund und Bayern. Doch diese Zeiten beim BVB sind spätestens seit dieser Saison vorbei. Die erste Wachablösung hat Leverkusen unter Xabi Alonso also bereits geschafft. Aber ist es erstrebenswert, Deutschlands Nummer 2 zu sein? Nicht wenn es nach dem zielstrebigen Spanier geht. Weltmeister und Europameister als Spieler, dazu kommen zahlreiche Titel auf Vereinsebene: Der Mann will mehr!

Doch schon im Ligaduell mit den Bayern zeigt er sich das erste Mal seit langer Zeit verwundbar. Bei diesem 0:0 bringt er Stürmer Patrick Schick erst in der 90. Minute. Man kann das so machen. Wer bin ich, den Meistertrainer der Werkself zu kritisieren? Bei so vielen Aluminiumtreffern war doch der Führungstreffer nur eine Frage der Zeit. Nur kommt er nicht. Hätte Schick ihn gemacht? Die Frage bleibt unbeantwortet. Der Rückstand auf die Bayern bleibt bei acht Punkten. Die Schale tüten die Bayern ein, wie unsereins den Wocheneinkauf beim Discounter.

Matthias Esch als DAZN-Reporter bei Michael Ballack. Foto: privat

Dann eben der ganz große Wurf. Beim Champions League-Duell in München bin ich als Reporter für DAZN vor Ort. Spreche erst mit vielen Fans – egal ob Leverkusener oder Bayern, sie geben sich fast alle selbstbewusst. Zeigen viel Respekt für die Leistungen des anderen. Glauben aber natürlich an ihr jeweilig eigenes Team.

Dann gibt es das Interview vor dem Spiel mit DAZN-Experte Michael Ballack am Seitenrand. Seine Ex-Teams spielen gegeneinander. Nach eigener Aussage ist er „heiß wie frittenfett“. Man sieht ihm das Leuchten in den Augen an. Gemeinsam genießen wir den Grasgeruch an der Seitenlinie. Er adelt Alonso und seine Unberechenbarkeit. Wieder gibt es passend dazu eine taktische Änderungen in der Startaufstellung von Bayer. Eine Viererkette – interessant und untypisch für Leverkusens aktuellen Stil. Wieder kein Schick.

Schick ist das Spiel nur aus der Sicht der Bayern. Kanes Kopfballtreffer – schick. Die Griffigkeit der Heimelf von Sekunde 1 an – super schick. Wie Musiala und Co die individuellen Patzer von Leverkusen eiskalt nutzen – extrem schick.

Und Xabi Alonso? Er dampft wie eine E-Zigarette. Er schnaubt, er gestikuliert. Florian Wirtz sitzt in der Schlussphase auf der Bank. Bei der Auswechslung, die unmittelbar vor meinen Augen geschieht, gibt es kein Handshake mit dem Coach. Nach dem Schlusspfiff eskaliert der beste Fußballer Deutschlands komplett und schreit sich den Frust aus der Seele – ungewöhnlich für den sonst so beherrschten Zauberfuß. Ich finde es gut und menschlich. Normale Emotionen auf die Eins.

Die Bayern dagegen sonnen sich so stark in ihrem Erfolg, dass sie hoffentlich Lichtschutzfaktor 100 aufgetragen haben. Uli Hoeneß verlässt in Minute 50 seinen angestammten Tribünenplatz. Ob er Champagner ordert?

Und dann passiert es, nach dem Schlusspfiff. Xabi Alonso kommt zum Interview, spricht mit dem Kollegen Daniel Herzog und Michael Ballack und irgendetwas in seinem Blick sagt mir: der ist schon im Rückspiel. Nüchtern und sachlich analysiert er die Fehler von Tapsoba, Kovar und Mukiele und dennoch wirkt er gedanklich woanders – eben in diesem Rückspiel.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Spotify. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Inhalt entsperren Erforderlichen Service akzeptieren und Inhalte entsperren

In dem die Bayern auf Manuel Neuer verzichten werden müssen und mit Jonas Urbig einem 21 – jährigem vertrauen. Drei Tore müssen Alonsos Männer aufholen. Erinnerungen werden wach an das Meisterschaftsspiel der Werkself in der vergangenen Saison gegen die Bayern. Dieses Spiele hätte gefühlt 7:1 enden müssen. Der Rekordmeister wurde an diesem Abend zerschraubt. Irgendwie ist es schwer vorstellbar, dass nach diesem Hinspiel Bayer 04 ein ähnlicher Coup gelingt und dennoch hat Alonso noch eine Asse im Ärmel, die er gegen München zuletzt so gut wie gar nicht gebracht hat. Nämlich zwei verdammt gute Stürmer.

Schlagen sie zurück? Gewinnt Bayer dieses Spiel hoch und kommt doch noch weiter, ist es ein weiteres Puzzlestück in der fußballerischen Wachablösung. Spielen die Bayern so abgezockt wie im Hinspiel, verteidigt der Rekordmeister seinen Platz an der Sonne. Eins wird dieses Spiel auf jeden Fall – verdammt schick. Wir freuen uns drauf.