MillernTon
·2 de diciembre de 2024
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·2 de diciembre de 2024
Ob der Heimsieg des FC St. Pauli ein großer Wendepunkt sein wird? Eher nicht. Das ist aber kein Problem, solange sich das Team für seine Leistungen so belohnt wie gegen Kiel.(Titelfoto: Stuart Franklin/Getty Images/via OneFootball)
Um zu verstehen, wie bedeutsam das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Holstein Kiel gewesen ist, reicht der Blick auf die Tabelle: Kiel hätte mit einem Auswärtssieg nach Punkten mit dem FCSP gleich- und diesen damit runterziehen können in den Sumpf namens direkter Abstiegsplatz. Doch das Gegenteil ist nun der Fall.
Statt nach Punkten gleichzuziehen, beträgt der Vorsprung des FC St. Pauli auf die direkten Abstiegsplätze nun sechs Zähler. Besser noch: Da der 1. FC Heidenheim am Sonntag gegen Frankfurt verlor (0:4), konnte der FCSP sogar den Relegationsplatz verlassen und ist nun Tabellen-15., mit Kontakt zur TSG Hoffenheim (0:2 gegen Mainz) und neun Punkten Vorsprung auf den VfL Bochum (0:1 gegen Augsburg). Der FC St. Pauli holte als einziges Team unten in der Tabelle Punkte – und das auch noch dreifach.
Entsprechend ist die Reaktion bei den Gästen: Dieser Kommentar in den Kieler Nachrichten ist sehr deutlich und ernüchternd. Nach der Niederlage gegen den FC St. Pauli wurde noch im Stadion emotional mit den eigenen Anhänger*innen diskutiert. In der Mixed Zone wurden Spieler (ernsthaft!) gefragt, ob der Gang in die zweite Liga damit besiegelt sei. Auch wenn es natürlich völliger Käse und dummdreist ist, bei noch 22 Spielen und nur sechs Punkten Rückstand bereits vom feststehenden Abstieg auszugehen und die Spieler danach zu fragen, so zeigt das: Auf Seiten von Holstein Kiel ist eine deutliche Enttäuschung zu spüren.
Ganz anders ist die Situation naturgemäß beim FC St. Pauli. Der erste Heimsieg der Saison samt erstem Treffer am Millerntor war verdient. Nach anfänglicher Abtastphase und einer taktischen Umstellung wurde das Team von Cheftrainer Alexander Blessin sehr druckvoll und verdiente sich die Führung und irgendwie auch, dass man sich dann eben nicht aus dem Nichts das 1:1 gefangen hat, sondern Vasilj den Elfmeter von Arp hielt. Das Pendel schlug endlich mal auch am Millerntor gen FC St. Pauli aus.
Der Erfolg in diesem Spiel ist wichtig gewesen, hat aber natürlich nicht für völlige Entspannung oder – Blessins „Lieblingswort“ – Zufriedenheit gesorgt. Vielleicht ist Genugtuung das Wort, das hier am besten passt. Denn die warmen Worte, all das Lob für die gute Spielweise der letzten Wochen („Wir sind immer, vom Gegner, von den Medien, belobigt worden“) habe sich „trotzdem scheiße angefühlt“, wie Blessin nachts nach dem Erfolg gegen Kiel wissen ließ. Weil es für warme Worte eben keine Punkte gibt im Abstiegskampf. Für die Heimspiele ist das mit den warmen Worten sicher richtig. Aber nach der Niederlage in Mönchengladbach wurde es eher richtig kalt. Blessin stört sich dabei an den Extremen, auch in der Berichterstattung: „Mir geht es von außen zu schnell. Gegen Bayern sagen alle, wir sind jetzt angekommen. Gegen Gladbach waren wir nicht gut und dann heißt es, dass wir nicht die Qualität haben, dass die Mannschaft nicht stark genug ist.“
Umso wichtiger ist bei einer Umgebung, die nach Blessins Empfinden in Extremen arbeitet, das Binnenklima. „Ich glaube schon, dass wir da im Hintergrund mit dem Staff, auch mit Oke und Andreas, die Ruhe bewahren.“ Das sei für den FCSP-Cheftrainer „das Allerwichtigste“. Genau diese Ruhe beinhaltet auch „das wir nicht ausflippen, wenn wir gewinnen, sondern ganz konsequent weiterarbeiten.“ So gibt dieser Erfolg des FC St. Pauli gegen Kiel zwar Schwung, aber Blessin ist sicher: „Wir ordnen das richtig ein.“
Daumen hoch für drei Punkte – endlich auch am Millerntor // (c) Stefan Groenveld
Auch wenn man beim FC St. Pauli weit weg zu sein scheint, sich nun zu entspannen, so ist genau diese bei einer Sache zu spüren: Denn zwar predigten Alexander Blessin und der Rest des Teams in den letzten Tagen und Wochen gebetsmühlenartig, dass die Torlos-Serie am Millerntor und auch jene von Johannes Eggestein und Morgan Guilavogui keine große Rolle spielen würden. Doch die Reaktionen nach Abpfiff zeigten: Das taten sie sehr wohl (wieso auch nicht?).
Jedenfalls erklärte Alexander Blessin nach der Partie, dass er nun glücklich sei, „auch, weil ich mir jetzt in den nächsten Pressekonferenzen keine Frage mehr nach ‚Wann kommt das erste Tor? Wann kommt der erste Sieg?‘ anhören muss.“Hauke Wahl sagte in der Mixed Zone mit einem Grinsen gen Medienvertreter*innen: „Ihr habt uns ständig gefragt und gelöchtert: Wann fällt das erste Tor? Wann kommt der erste Heimsieg? Jetzt könnt ihr endlich mal die Klappe halten!“
Für Jackson Irvine war die Ursache für den Erfolg gegen Kiel die logische Folge der bisherigen Saison: „Es war klar, dass so ein Spiel kommen würde“, erklärte der Kapitän des FC St. Pauli. Denn man habe im Verlauf der Saison bereits gute Leistungen gezeigt und diese hätten dem Team laut Irvine „garantiert“, dass dann auch irgendwan das Pendel zugunsten des FC St. Pauli ausschlagen würde: „Wir haben gar nicht so viel anders gespielt als sonst. Aber heute war das Momentum auf unserer Seite („Today, everything fell in place for us“)“.(Anmerkung: Da das Gespräch mit Irvine auf Englisch geführt wurde und seine Antworten immer übersetze, dabei aber auch immer ein bisschen was verloren geht, ergänze ich ab sofort in Klammern die Original-Zitate in Auszügen, wenn ich das für wichtig erachte.)
Ein weiteres Thema, bei der Blessin froh sein dürfte, dass in naher Zukunft keine Nachfragen mehr in diese Richtung kommen, dürfte der Angriff des FC St. Pauli sein. Johannes Eggestein und Morgan Guilavogui haben mit jeweils einem Treffer ihre Torlos-Serien in der Bundesliga beendet. Eggestein hatte zudem mit zwei Torvorlagen noch entscheidenden Anteil an den weiteren Treffern. Und sowieso versprühte die gesamte offensive Dreierreihe, also auch Dapo Afolayan eingeschlossen, viel mehr Gefahr, als in einigen Spielen zuvor. Nur im Spiel gegen Leipzig hatte der FCSP in dieser Saison einen höheren xG-Wert als nun gegen Holstein Kiel.
„Ich spreche nie gerne über individuelle Leistungen, sondern das Team ist mir wichtig“, leitete Alexander Blessin eine Antwort auf die Frage nach der Leistung von Morgan Guilavogui ein. Und da so gestartet wurde, konnte man sich bereits sicher sein was folgt: „Nach einer langen Leidenszeit als Stürmer bin wahnsinnig froh, dass er sich selbst belohnt hat. Er hat wirklich Gas gegeben.“Doch Blessin wollte nicht allein Guilavogui hervorheben: „Ich habe auch Dapo viel kritisiert, aber er hat jetzt das Tor vorbereitet und immer wieder so Nadelstiche gesetzt und war einfach griffig. Da muss ich alle drei eigentlich hervorheben, die wahnsinnig gearbeitet haben und sich einfach jetzt belohnt haben. Das freut mich ungemein.“
Auch Jackson Irvine ist sich der Wichtigkeit dieser Treffer bewusst: „Wahrscheinlich fällt ihnen eine Riesenlast von den Schultern („…the burden falls from them“). Auch wenn ich ebenfalls einige Chancen in den letzten Wochen ausgelassen habe, so sind es die Stürmer gewesen, die Fragen zur Torlosigkeit beantworten mussten.“Dabei betonten alle unisono, dass man die Offensivspieler nicht nur an Toren messen sollte. Wahl machte das am Beispiel von Eggestein: „Er spult so viel ab, jede Woche, er macht so viele kleine Sachen, die man als Laie vielleicht nicht sieht, die aber extrem wichtig sind für unser Spiel.“
Zeig mir ein glücklicheres Gesicht als jenes von Johannes Eggestein nach dem Abpfiff gegen Kiel. // (c) Stefan Groenveld
Und was sagt Eggestein selbst? Wie immer zeigte er sich sehr reflektiert in der Mixed Zone, ließ aber schon wissen: „Für uns Stürmer ist es auch wichtig, dass wir immer wieder Erfolgserlebnisse haben. Weil wir extrem arbeiten, auch defensiv.“ Genau das habe er nun gehabt, weil Philipp Treu sich vor dem 3:0 nicht für einen Torschuss, sondern einen Steckpass entschied („Riesenlob an Philipp, wie er den durchsteckt“) und er die dann folgende Aktion – Ballannahme, schnelle Drehung, Abschluss – mit Co-Trainer Peter Németh „zigmal“ im Training geübt habe.
Doch der Genuss, den ein Sieg im Ligaspiel mit sich bringt, dürfte Spieler, Trainer und Staff des FC St. Pauli bereits verlassen haben. Blessin erklärte, dass Siege viel kürzer nachhallen als Niederlagen. Sowieso werde dieser Erfolg „nicht dazu führen, dass wir uns ausruhen.“ Vielmehr möchte Alexander Blessin dieses Level nun dauerhaft sehen, zum Beispiel bei Afolayan. Der sei nämlich „immer wieder nachlässig“ in der Defensivarbeit gewesen. Gegen Kiel aber, so Blessin, habe er seine Sache auch gegen den Ball sehr gut gemacht. Das soll aber kein Ausreißer sein: „Die Leistung will ich schon öfters so von ihm sehen. Dann ist er auch extrem wichtig für die Mannschaft.„
Ebenfalls eine klare Leistungssteigerung zeigte David Nemeth. Im Spiel mit dem Ball war der 23-jährige ähnlich stabil wie auch bereits gegen Gladbach. In der Defensive attestierte ihm Blessin eine „stabilere und robustere“ Spielweise als in der Vorwoche. Das zeigen auch die Zahlen: Gegen Mönchengladbach gewann Nemeth zwei von acht Defensivduellen. Gegen Kiel waren es sechs von zehn. Da Karol Mets seit seiner Rückkehr von der Länderspielreise bis zum Kiel-Spiel noch keine einzige Einheit absolvieren konnte (und auch beim Training am Montag nicht mitwirkte), ist alles andere als ausgeschlossen, dass David Nemeth auch beim Auswärtsspiel in Leverkusen spielen wird. Das Kiel-Spiel hat gezeigt: Der Kader des FC St. Pauli ist in der Innenverteidigung also auch in der Tiefe gut besetzt.
Den letzten Satz könnte man so auch über die Offensive des FC St. Pauli schreiben. Allerdings fehlen dort aktuell mit Scott Banks, Simon Zoller und Elias Saad drei wichtige Spieler. Entsprechend sorgenvoll waren die Blicke als Morgan Guilavogui kurz vor Spielende am Freitag auf dem Rasen sitzenblieb und mit offensichtlichen Problemen am rechten Oberschenkel ausgewechselt werden musste. Bereits kurz nach Abpfiff gab es leichte,. am Montag dann die komplette Entwarnung: Guilavogui trainierte ohne Einschränkungen mit dem Team. Somit dürfte er auch am Wochenende in Leverkusen wieder eine Option sein. Dank seines ersten Ligatreffers hoffentlich mit weniger Last auf den Schultern.
// Tim
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