
LigaInsider
·12 mai 2025
Alonso-Nachfolge: Zwei Kandidaten im Fokus – Teil 1: Erik ten Hag

LigaInsider
·12 mai 2025
Bayer Leverkusens Bemühungen, frühzeitig einen Nachfolger für Xabi Alonso zu finden, laufen auf Hochtouren. Laut Stephan von Nocks, Redakteur beim kicker und zuständig für den Verein, stehen drei Trainer in der engeren Auswahl: Xavi (zuvor FC Barcelona), Cesc Fàbregas (aktuell Como) und Erik ten Hag (zuvor Manchester United). Ersteren halten wir für wenig realistisch, weswegen wir uns auf die anderen beiden konzentrieren und euch deren Spielidee erklären wollen. Dazu schauen wir uns auch an, wie gut diese zu Bayer Leverkusen passen würde.
Der Niederländer Erik ten Hag steht für strukturierten, ballbesitzorientierten Fußball mit hoher taktischer Disziplin und innovativer Raumöffnung. Wer ein Team entwickeln will, das mit klugem Positionsspiel, sauberer Ballzirkulation und mutiger Staffelung Räume kontrolliert, kommt an ihm kaum vorbei. Doch wie sieht das im Detail aus? Ten Hags Spielidee basiert auf einem strukturell sehr sauberen Positionsspiel, das durchdacht mit Rotationen angereichert wird. Seine Teams öffnen durch bewegliche Offensivakteure gezielt Räume, verschieben Ball und Gegner und schaffen es, Tempo und Kontrolle in Einklang zu bringen. Ten Hag spielt aus einer Viererkette heraus. Das grundlegende System kann man als 4-2-3-1-Grundordnung betrachten. Dabei geht es aber mehr um die zu besetzenden Räume. Wie heutzutage üblich, sind viele Positionierungen abhängig von der Herangehensweise und dem Druck des Gegners. In Ballbesitz erkennt man häufig einen Dreieraufbau – entweder mit drei Verteidigern oder zwei Verteidigern und dem Torwart. Die vordere Linie wird dann gerne mit fünf bis sechs Spielern besetzt, um dort alle Räume abzudecken oder sogar die Defensivkette des Gegners zu überladen, also Überzahl zu schaffen.
Eine typische Anordnung ist das 3-2-5. Einer der Außenverteidiger füllt die Dreierkette auf, und der andere schiebt ganz nach vorne, um mindestens Gleichzahl oder Überzahl zu erzeugen – je nachdem, mit wie vielen Verteidigern der Gegner spielt. So stellt ten Hag sicher, dass man vorne genügend Offensive hat, um konstant Gefahr zu erzeugen, und die Restverteidigung bei Ballverlusten trotzdem mit fünf Spielern gut abgesichert ist.
Die Variante mit sechs Spielern vorne in einem 3-1-6 bietet konstant sehr hohe Gefahr in vorderster Linie, da der Gegner häufig nominell in Unterzahl ist. Allerdings ist die Variante sehr risikoreich, da der Ball erst mal zu den sechs Offensiven kommen muss und man bei Ballverlusten dann in einer sogenannten „Minus-1-Absicherung“ steht und der Gegner nach Ballgewinn in Überzahl umschalten kann. Ten Hag gelingt es, sein anspruchsvolles System auch jungen Spielern zu vermitteln. Bei Ajax trug der damals 17-jährige Matthijs de Ligt unter ihm die Kapitänsbinde – ein Beleg für seine Fähigkeit, Talente zu fördern. Auffällig ist zudem die besondere Einbindung des Torwarts ins Spiel: Dieser soll nicht nur die Null halten, sondern aktiv am Spielaufbau teilnehmen. André Onana füllte diese Rolle bei Ajax besonders erfolgreich aus, weshalb ten Hag ihn später nach Manchester mitnahm – dort jedoch von seiner ursprünglichen Spielidee abwich und Onana so seiner größten Stärke beraubte.
Ten Hags Zeit bei Manchester United bleibt ambivalent. Zwar gewann er den League Cup, erreichte in seiner ersten Saison Platz drei in der Premier League und holte sogar den FA Cup, doch strukturelle Probleme des Klubs verhinderten eine nachhaltige Entwicklung. Der Kader war unausgewogen, viele Transfers passten nicht zu seinem Spielstil. Ten Hag selbst trug stellenweise zur taktischen Instabilität bei: Die Abkehr von der hohen Abwehrlinie – vermutlich aus Sorge vor mangelnder Absicherung – untergrub das eigene Pressing. Ohne einen dynamischen Sechser und mit verändertem Torwartspiel geriet das System aus dem Gleichgewicht. Ein Rückschritt, der seine Prinzipien verwässerte – und zugleich die strukturellen Defizite bei United offenbarte. Hinzu kam der permanente Druck, unter anderem durch die Medien und Konflikte mit Altstars wie Cristiano Ronaldo oder Jadon Sancho. Letzterer fiel wohl auch ten Hags strenger Haltung zum Opfer – Disziplin ist für ihn ein zentrales Element.
Bayer Leverkusen steht für vieles, was ten Hag fordert: talentierte Spieler, ruhiges Umfeld, ein hohes technisches Niveau und mutiges Ballbesitzspiel. In Kombination mit seiner Detailarbeit und Kompetenz in der Spielerentwicklung wäre das eine strategisch vielversprechende Paarung. Doch es gibt offene Fragen im Kader. Torwartposition: Ten Hag hat seine Torhüter in der Vergangenheit aktiv in den Spielaufbau eingebunden – Ruhe am Ball und Pressingresistenz sind essenziell. Aktuell fehlt Leverkusen ein Keeper mit diesen Qualitäten. Außerdem sind eine gewisse Athletik und Antizipationsfähigkeit wichtig, da ten Hag seine Mannschaft, gegen den Ball, oft sehr hoch hat stehen lassen, wodurch der Keeper immer bereit sein musste, rauszulaufen und Bälle hinter die Kette abzufangen.
Wir haben uns potenzielle Kandidaten angeschaut. Wir fangen an mit Mark Flekken. Der ehemalige Freiburg-Torwart bringt ein starkes Profil mit: technisch versiert, beidfüßig und mit guten Werten sowohl im Kurz- als auch im langen Passspiel. Zudem unterlaufen ihm kaum gravierende Fehler. Verbesserungspotenzial hat er allerdings noch beim Herauslaufen und in der Athletik. Mit 31 Jahren zählt Flekken zudem nicht mehr zu den Jüngsten. Eine weitere interessante Idee wäre ein Doppeltransfer: die Verpflichtung eines jungen Talents – zuletzt gab es Gerüchte um Max Weiß vom Karlsruher SC – kombiniert mit der Leihe einer Sofortlösung. In diesem Zusammenhang könnte sich eine Möglichkeit beim Liverpool FC ergeben. Die Reds haben zur neuen Saison Giorgio Mamardashvili verpflichtet, verfügen aber mit Alisson Becker und Caoimhín Kelleher über zwei weitere starke Torhüter. Eine Leihe könnte denkbar sein. Joan García von Espanyol Barcelona wäre ebenfalls eine spannende Lösung – allerdings wohl eine kostspielige. Selbst die kolportierte Ausstiegsklausel in Höhe von 25 Millionen Euro dürfte für die Werkself zu hoch sein, vor allem im Hinblick auf das gesamte Transferbudget und mögliche Konkurrenz in Sachen Gehalt und Perspektive. Was meint ihr? Wäre eine dieser Lösungen interessant für die Werkself? Außenverteidiger: Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong sind prädestiniert für sein vertikales Flügelspiel. Grimaldo ist zudem sehr variabel und könnte sowohl im Aufbau als auch im Zentrum Räume besetzen. Eine Eigenschaft, die ten Hag sehr schätzt und gerne nutzt. Doch bleiben sie im Klub? Ein Abgang wäre schwer zu kompensieren, da ihre Rollen sehr spezifisch angelegt sind. Flügelspieler: Ten Hags Systeme profitieren von sogenannten „Inside-Wingern“, die sowohl Breite als auch Halbräume bespielen – dribbelstark, passsicher, torgefährlich. Diese Spielertypen fehlen aktuell im Kader. Dem gegenüber stehen Spieler wie Granit Xhaka oder Aleix García, die mit ihrer Kombinationsstärke, Spielintelligenz und Positionsflexibilität hervorragend zu ten Hags Ansatz passen. Auch Piero Hincapié könnte aufgrund seiner Spielanlage eine zentrale Rolle einnehmen. Exequiel Palacios wäre insbesondere für die risikoreiche Anordnung im 3-1-6 sehr wertvoll, da er die nötige Athletik mitbringt, große Räume abzulaufen und zu bewachen.
Erik ten Hag ist kein „One-size-fits-all“-Trainer. Er braucht ein Umfeld, das seine Ideen versteht, mitträgt und strukturell unterstützt. Im Gegenzug bringt er ein tiefes taktisches Repertoire, ausgeprägte Fähigkeiten in der Spielerentwicklung und eine klare Philosophie mit. In Leverkusen könnte er genau das vorfinden – vorausgesetzt, der Kader wird gezielt an seine Anforderungen angepasst.
Leverkusen-Experte Max sagt: „Ten Hag halte ich für eine interessante Option. Simon Rolfes möchte sicherlich auch einen großen Namen als Spielermagneten haben. Seine Zeit bei Manchester United ist nicht repräsentativ. In Leverkusen hätte er ein besseres Umfeld: Weniger Brennglas und mehr Zeit. Ziel mit ihm muss es sein, einen ruhigen, aber trotzdem zügigen Rebuild hinzubekommen. Im Idealfall bedeutet das: Meisterschaftskampf zur Saison 26/27.“ Leverkusen-Experte Frederik meint: „Ten Hag und Leverkusen scheinen in vielerlei Hinsicht gut zueinander zu passen. Während meiner Recherchen habe ich aber auch Stimmen gehört, welche ihm taktisch zu wenig Flexibilität unterstellen. In dieser Hinsicht erhoffe ich mir eine Weiterentwicklung – auch im Rückblick auf die negativen Erfahrungen während seiner Zeit bei Manchester. Eine gewisse Anpassungsfähigkeit halte ich im modernen Fußball für unabdingbar. Wenn er sich reflektiert und weiterentwickelt hat, wäre er sicherlich eine interessante Wahl.“ LigaInsider-Analyst Bryan erklärt: „Erik ten Hag hat mehrfach bewiesen, dass er einen Weg etablieren kann, einen Verein aufs höchstmögliche Niveau zu bringen, und das nicht nur durch Verpflichtungen von Top-Stars, sondern indem man jungen Spielern langfristiges Vertrauen schenkt und das Potenzial dieser frühzeitig erkennt und fördert. In einem ruhigen Vereinsumfeld besteht auch nicht die Gefahr, dass er sich noch mal verrennt und von seinem Weg abkommt. Sein Erfolg wird aber auch von der Transferperiode abhängen, da es einige Baustellen zu bewältigen gilt.“ Dieser Artikel ist eine Co-Produktion von Leverkusen-Experte Frederik aus der LigaInsider-Community und LigaInsider-Analyst Bryan.