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·5 mars 2025
FC Valencia: Ein spanischer Riese am Abgrund

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·5 mars 2025
Champions-League-Finale 2000: Real-Stürmer Raúl trifft mit seinem Tor zum 3:0-Endstand mitten ins Herz aller Spieler und Anhänger des FC Valencia. Ein Jahr später stehen die Fledermäuse wieder im Endspiel der Königsklasse – diesmal ist es Oliver Kahn, der mit drei Paraden im Elfmeterschießen für erneute Enttäuschung in der spanischen Stadt sorgt. Ein weiteres Jahr später gewinnt der Klub die spanische Meisterschaft, 2004 gewinnt Valencia neben der Meisterschaft auch den Uefa-Pokal (heute: Europa League) gegen Olympique Marseille sowie den Uefa Super Cup gegen Porto. Mit Größen wie Didier Deschamps und Gaizka Mendieta zählte man einst zu den Vereinen Europas, die immer um Titel spielten. Heute steht man mit dem Rücken zu Wand, aber warum?
Eine Verpflichtung, die bezeichnend für die Führung des Vereins der letzten Jahre ist, war der Deal um Gary Neville, den man 2015 als neuen Trainer holte. Der ehemalige Rechtsverteidiger von Manchester United hatte keine Erfahrung als Cheftrainer und musste nach nur drei Monaten mit einem Schnitt von 1,33 Punkten pro Spiel seine Koffer packen. Es folgten viele weitere Trainerwechsel – der aktuelle Coach, Carlos Corberan, folgte im Dezember 2024 auf Vereinslegende Rúben Baraja, der in den entscheidenden Wochen vor seiner Entlassung in den Fokus der frustrierten Valencia-Fans geraten war und nach dem 2:2 gegen Deportivo Alavés am 18. Spieltag keine Argumente mehr hatte. Nach diesem Spiel mussten sogar die Spieler des FC Valencia unter Polizeischutz aus dem Stadion eskortiert werden und vor den eigenen Fans geschützt werden. Diese Zustände sagen schon sehr viel über die fatale Situation des Traditionsvereins aus – doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Die Fledermäuse haben seit geraumer Zeit ein noch größeres Problem: Der Mannschaft fehlen Stars. Große Namen wie es einst Mario Kempes, Didier Deschamps, Gaizka Mendieta oder David Villa waren, fehlen dem Verein mittlerweile. Talente, die der Verein hervorbringt, verlassen den Klub, bevor sie den Zenit ihrer Karriere erreichen. Beispiele der letzten Jahre sind David Silva, Joao Cancelo, Nicolás Otamendi, Ferran Torres, Juan Mata, Carlos Soler oder Kang-in Lee. Alle verließen den Verein und spielten oder spielen noch immer auf Weltklasse-Niveau.
Der aktuelle Star der Mannschaft ist Torwart Giorgi Mamardashvili, der bei der EM 2024 mit guten Leistungen für Georgien auf sich aufmerksam machte. Im August 2024 sicherte sich der FC Liverpool die Dienste des 24-Jährigen, allerdings liehen die Reds den Keeper direkt wieder nach Valencia aus. Dienstältester Spieler des Kaders ist Kapitän José Gaya, der im Verein als Identifikationsfigur gilt. Talente, die kurz vor dem Durchbruch stehen, sowie Stars des Fußballs, kann der Verein schon lange nicht mehr in den eigenen Reihen halten. Das ist ein massives Problem für die sportliche Wettbewerbsfähigkeit des sechsmaligen spanischen Meisters.
Den letzten Titel gewann Valencia 2019, nachdem man eine titellose Durststrecke von 11 Jahren hinter sich hatte. Nach dem Pokalsieg 2008, konnte man 2019 durch einen 2:1-Sieg die Copa del Rey gegen den FC Barcelona gewinnen.
Am 5. März wird Kiat Lim sein Amt als Präsident des FC Valencia antreten. Das ist eine äußerst brisante Personalentscheidung, weil er der Sohn des umstrittenen Klubbosses Peter Lim ist. Peter Lim ist ein singapurischer Geschäftsmann und besitzt ein milliardenschweres Vermögen. Der künftige Vereinspräsident Kiat Lim ist seit 2022 Teil des Verwaltungsrates von Valencia. Die Ernennung von Kiat Lim als Vereinspräsident soll nun Stabilität und langfristige Planung für den Verein gewährleisten. Sein Vater, Peter Lim, ist seit 2014 Besitzer des FC Valencia, doch er gibt seither kein gutes Bild bei den Anhängern der Fledermäuse ab. Er ist außerdem der erste ausländische Besitzer des Vereins.
Der Klubchef ist in Valencia äußerst unbeliebt, da die Anhänger Valencias im Laufe der Zeit immer mehr das Gefühl bekamen, dass dem 71-Jährigen die sportliche und finanzielle Entwicklung des Klubs egal sei und er sich an dem Verein bereichern wolle. Der Milliardär machte den Anhängern des einst so glorreichen Klubs zudem zahlreiche Versprechen, die bis heute unerfüllt sind. Stadionbesuche des Geschäftsmannes sind eine Rarität. Proteste und Schmährufe gegen ihn sind im Estadio Mestalla zum Standard geworden.
Schaut man Spiele des FC Valencia, sieht man viele Fan-Plakate mit Aufschriften wie „Lim, go home“ oder „Lim out“. Die Jahreshauptversammlung Ende 2024 dauerte aufgrund anhaltender Proteste gerade einmal 13 Minuten. Der Eigner versprach einst, dass er dafür sorgen werde, den Bau eines neuen Stadions, das „Nou Mestalla“, voranzutreiben – bis heute ist der Bau des neuen Stadions eingestellt. Er wollte außerdem die Schulden des Vereins tilgen, doch auch dieses Versprechen wurde bis heute nicht gehalten.
Der Klub ist noch immer hoch verschuldet. Proteste mit tausenden Fans, die auf die Straße gehen, gibt es in der spanischen Stadt seit Jahren. Dass die jüngste Personalentscheidung, Kiat Lim als neuen Präsidenten zu ernennen, nun auf großes Unverständnis trifft, liegt auf der Hand. Peter Lim scheint allerdings äußerst beratungsresistent zu sein: Er zeigt keinerlei Einsicht, sucht gewiss nicht den Kontakt zu den Fans und bestätigt indirekt durch die Ernennung seines Sohnes zum Vereinspräsidenten eine gewisse Sturheit.
Valencia-Legende und TV-Experte Santiago Cañizares wurde vergangene Saison deutlich: „Man müsste Lim das Leben zur Hölle machen, damit er seine Aktien verkauft“, sagte der 55-Jährige gegenüber der spanischen Zeitung „Marca“. Außerdem sei Peter Lim „empathielos“ und „arrogant.“
Ein weiterer Wehrmutstropfen für die Valencia-Fans war eine respektlose Aussage von Kim Lim, der Tochter des Valencia-Eigners Peter Lim. Im Juli 2020 schrieb sie auf Instagram „Das ist unser Klub. Wir können damit machen, was wir wollen.“ Dass diese Worte auf Unverständnis und Gegenwind sorgten, ist logisch. Wie kann man als Tochter eines umstrittenen Klubchefs nur so fahrlässig noch mehr Öl ins Feuer gießen?
Peter Lim sollte nun endgültig die Reißleine ziehen und einsehen, dass er den Verein in den sportlichen und finanziellen Ruin getrieben hat. Aufgrund seiner Führung und seines Besitzes des Klubs verschärft sich diese Krise nur noch mehr. Der FC Valencia ist aktuell mit 24 Punkten auf dem 18. Tabellenplatz, einem direkten Abstiegsplatz und somit akut bedroht, in die spanische Zweitklassigkeit abzusteigen. Es ist traurig, dass ein Verein, der einst so groß und relevant war, nun immer mehr in die sportliche Bedeutungslosigkeit rutscht.
Der Bau des „Nou Mestalla“ wurde groß angekündigt – das Stadion sollte laut Klub das „beste Stadion Europas“ werden. Der Bau des neuen Stadions begann 2007, ehe er 2009 abgebrochen wurde. Ein Schuldenstand von über 500 Millionen Euro und zusätzliche Probleme durch die anhaltende Weltfinanzkrise schläferten den Bau des neuen Fußball-Tempels ein. Seitdem ziert ein Stadionrohbau die Skyline der Stadt am Mittelmeer. Es folgte eine beispiellose Odyssee: Mehrere Umstrukturierungen und neue Pläne wurden veröffentlicht, die Zuschauerzahl des neuen Stadions wurde von ursprünglichen 75.000 Plätzen nach und nach auf 49.000 Plätze verringert.
Der Verkauf des alten Mestalla-Grundstücks an Immobilienunternehmen in dreistelliger Millionenhöhe scheiterte. Neue Versprechen für angebliche Termine der Fertigstellung bewahrheiteten sich nie – bis heute nicht. Die Vision, das Stadion für die WM 2030 als Spielstätte nutzen zu können, wurde im Juli 2024 beendet, denn das „Neue Mestalla“ wurde von der Liste potenzieller WM-Stadien Spaniens gestrichen.
1986 stieg Valencia erstmals in La Liga 2 ab – kann sich dieses Szenario in der laufenden Saison wiederholen? Wenn man die aktuelle Form der Mannschaft betrachtet, ist das ein durchaus denkbares Szenario. Das Team von Carlos Corberan kann in der aktuellen La-Liga-Saison bisher nur fünf Siege vorweisen und steht mit 24 Punkten auf dem 18. Tabellenplatz.
Der einst so ruhmreiche FC Valencia trägt aktuell mehrere Schlachten gleichzeitig aus – welche davon gewonnen werden, wird die Zeit zeigen. Als Romantiker und Liebhaber des Fußballs kann man nur hoffen, dass die Fledermäuse die Wende noch schaffen und vielleicht sogar in Zukunft wieder eine Rolle in den internationalen Wettbewerben spielen werden.