TSG Hoffenheim
·15 janvier 2025
TSG Hoffenheim
·15 janvier 2025
Im Kinderperspektivteam gehen viele junge Talente ihre ersten Schritte im Hoffenheimer Trikot, ohne dafür ihren Heimatverein verlassen zu müssen. Das Konzept hat bei der TSG schon Tradition – und trägt Früchte. Dafür reicht ein Blick in den aktuellen Profikader.
Strömender Regen und kalter Wind: Der Spätherbst ist in Zuzenhausen angekommen. Für 20 Kinder im Alter von circa zehn Jahren bedeuten die für Außenstehende vielleicht widrigen Bedingungen jedoch bestes Fußballwetter. Schon eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Trainingsbeginn tummeln sich die ersten Kids in TSG-Trainingskleidung auf dem Kunstrasen des Grundlagenzentrums und absolvieren erste Passübungen. Sie können den Trainingsbeginn nicht erwarten. Dass hier keine gewöhnlichen Zehnjährigen den Platz betreten haben, sieht man ab der ersten Ballberührung. Fast jeder Pass sitzt, fast jede Ballmitnahme ist gekonnt. Es sind nicht irgendwelche E-Jugendlichen, die sich an diesem nasskalten Dienstagabend zusammengefunden haben: Es sind die wohl Talentiertesten ihres Jahrgangs in der gesamten Region.
In den Jahrgängen der U9, U10 und U11 lädt die TSG die Talente aus der Region je einmal pro Woche ein, um unter herausragenden Bedingungen gemeinsam zu trainieren. Die Besten von ihnen sollen dann den Übergang in die U12 schaffen, dem jüngsten Team im Nachwuchsleistungszentrum. „Das ist das große Ziel unserer Arbeit“, erklärt Niklas Weber, Cheftrainer des Hoffenheimer Kinderperspektivteams und ergänzt: „Das funktioniert ganz gut, das hat man in den vergangenen Jahren feststellen können.“
Gleich vier Belege für die Sinnhaftigkeit des Kinderperspektivteams – bei der TSG nur KPT genannt – stehen aktuell unter Vertrag: Tom Bischof, Tim Drexler (im Januar zum 1. FC Nürnberg verliehen), Max Moerstedt und Lukás Petersson gingen ihre ersten Schritte für die TSG im KPT. 16 Spieler, die so ihre Laufbahn begonnen haben, können auf mindestens ein Länderspiel für eine U-Nationalmannschaft zurückblicken. Das KPT schafft Talente – da das Konzept den Kindern einen guten Übergang vom Kicken hin zum leistungsorientierten Fußball ermöglicht.
„Wir möchten mit unserem Konzept dem System entgegentreten, dass die Jungs schon im Alter von sieben oder acht Jahren ihr gewohntes Umfeld verlassen müssen“, sagt Weber. So spielen die Kinder bis zur U12 weiterhin bei ihrem Heimatverein, können sich in ihrem gewohnten Umfeld und mit ihren Freunden in Ruhe weiterentwickeln. Die Trainingseinheiten in TSG-Kleidung sind Treffen der Toptalente der Region.
Um die Auserwählten aber auch im Spielbetrieb begutachten zu können, treten die Teams des KPT bei Turnieren und Freundschaftsspielen mit dem TSG-Wappen auf der Brust an. Doch auch hier wird sehr auf die individuellen Bedürfnisse geschaut. So erreicht Weber dann auch die Frage eines Talents, dem am Wochenende eine Terminkollision droht. „Ich weiß nicht, ob mein Vater Dir schon Bescheid gesagt hat, aber ich spiele mit meinem Heimatverein gegen die U12 von Hoffenheim. Ist es in Ordnung, wenn ich da spiele?“ Weber muss nicht lang nachdenken: „Dann kannst Du denen ja schon mal zeigen, wie es geht.“
Im Ligabetrieb spielen die Kids ohnehin für ihre Heimatklubs. Diese heißen unter anderem VfR Heilbronn, VfK Diedesheim und Eberbacher SC. Oder VfL Obereisesheim, der in der aktuellen U10 gleich fünf Akteure stellt. „Das ist eher die Ausnahme, dass aus einem Verein in einem Jahrgang so viele Kids dabei sind“, sagt Weber. Ein Neckarau 2.0 (als Pascal Groß, Manuel Gulde, Marco Terrazzino und Robin Szarka gemeinsam zur TSG kamen und dann auch Profis wurden) würde aber niemand ablehnen.
Die Wege in das Kinderperspektivteam sind vielfältig. Neben dem klassischen Scouting, bei dem die Kids auf Turnieren entdeckt werden, organisiert die TSG zweimal im Jahr den AOK-Talenttag. Dort spielen Kinder im entsprechenden Alter vor und können die Verantwortlichen von ihrem Talent überzeugen. Auch über die TSG-Fußballschule haben es bereits Kids ins Talentprogramm der TSG Hoffenheim geschafft. In fast jeder Einheit präsentieren sich neue Fußballbegeisterte, die vorspielen, um sich zu beweisen. Erzeugt das Druck? „Wir versuchen, die Jungs behutsam aufzubauen und den Kids, die eine große Erwartungshaltung haben, den Druck zu nehmen“, sagt Weber. Auch an diesem Tag sind wieder zwei Jungs zum ersten Mal im KPT dabei. Große Scheu haben sie nicht – denn sobald der Ball rollt, bedarf es keiner großen Worte. Das ist in jedem Alter gleich.
Grundsätzlich verfolgt die TSG den Anspruch, so regional wie möglich auf Talente zu setzen. Es soll dabei die Ausnahme bleiben, dass ein Spieler eine Anreise von einer Stunde für das Training hat. „Wenn es, wie zum Beispiel bei Bischof, doch mal mehr ist, so bleibt der Aufwand bei nur einer Einheit pro Woche vertretbar“, sagt Weber. Für Tom Bischof hat sich die rund 65 Kilometer lange Fahrt aus Amorbach gelohnt – aber auch für die TSG. Das belegt nicht nur sein erster Bundesliga-Treffer im November 2024. „Was Tom gerade leistet, ist natürlich super und ein schönes Zeichen für die Jungs hier“, sagt der Cheftrainer. „Sie sehen die Spieler hier an der Bilderwand und einen Tag später vielleicht im Fernsehen. Gleichzeitig ist es für uns Trainer aber auch ein Ansporn, dass es auch von den jetzigen Spielern irgendwann einer schafft.“
Und doch sind sich alle bewusst, dass sich nicht alle Kinder den Traum vom Platz im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) erfüllen können. Von den bis zu 25 Spielern, die sich dauerhaft im ältesten KPT-Team etablieren, werden es etwa 15 in die U12 schaffen. „Mein persönliches Anliegen ist es, dass wir die Jungs, für die es zunächst nicht reicht, auch weiterhin unterstützen“, sagt Weber. Auch für diese zweifelsfrei enorm talentierten Spieler soll ein guter Weg gefunden werden, um weiter auf hohem Niveau Fußball zu spielen. Und doch ist es für diese Kinder grundsätzlich ein Segen, weiterhin ihren Heimatverein zu haben. „Sie haben zu Hause ein gutes Umfeld und können sich von dort aus weiterentwickeln. Viele wechseln nach ihrer KPT-Zeit, sofern sie nicht in unsere U12 aufgenommen werden konnten, dann über kurz oder lang zu anderen ambitionierten Teams und bleiben auch dort im Blickfeld. Ihre Zeit im KPT hilft ihnen dabei“, sagt Weber.
Um 17:30 Uhr an diesem Dienstag stehen 20 Kinder – darunter ein Mädchen – auf dem Platz im Grundlagenzentrum in Zuzenhausen. Cheftrainer Niklas Weber, der sämtliche KPT-Teams betreut und im jeweiligen Jahrgang von zwei Assistenten und einem Torwarttrainer unterstützt wird, eröffnet die Einheit mit einer kurzen Ansprache. „Wir wollen Gas geben, um besser zu werden“, erklärt er den Kids. Es ist vielmehr ein „noch“ besser werden, denn die Qualität ist bereits außerordentlich hoch. Doch vor allem zwischen den Übungen kommt auch immer noch das Kindliche durch, ohne, dass dabei die Konzentration oder die Aufmerksamkeit schwindet. „Spaß ist die wichtigste Basis für die Jungs“, sagt Weber. Und mit Spaß am Spiel lässt sich auch das schlechteste Wetter schnell vergessen.
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