SV Werder Bremen
·15 mai 2025
„Man kann auch Gewinner ausbilden“

SV Werder Bremen
·15 mai 2025
Oliver Hüsing ist organisatorischer Leiter des Leistungszentrums (Foto: WERDER.DE).
Oliver Hüsing legte nach seinem Karriereende einen nahtlosen Übergang aus der 2. Bundesliga vom FC Hansa Rostock in eine Funktion im WERDER Leistungszentrum hin. Gemeinsam mit Marc Dommer bildet der 32-Jährige seit Januar 2025 die Doppelspitze beim Werder-Nachwuchs. Im WERDER.DE-Interview spricht Hüsing aber nicht nur über die Arbeit im LZ, den Erfolg der U19, sondern auch über das Duell der Bundesliga-Männer gegen den 1. FC Heidenheim, für den er 80 Pflichtspiele bestritt.
Moin Oli, fast auf den Tag genau hast du vor einem Jahr das letzte Spiel deiner aktiven Laufbahn bestritten. Hast du dein Karriereende seitdem bereut?
Oliver Hüsing: Nein, bereut auf keinen Fall. Gerade für meinen Körper war es die richtige Entscheidung. Im ersten Vierteljahr danach habe ich den Fußball aber schon vermisst, wenn ich die alten Kollegen spielen und jubeln sehen habe. Schön war, dass ich gemerkt habe, dass ich vor allem das Spiel an sich vermisst habe. Unsere LZ-Kickrunde am Freitagmorgen oder das eine oder andere Mal im Kreisliga-Training beim BV Bühren, wo mein bester Kumpel noch spielt, gibt mir unfassbar viel. Dieser Mix fühlt sich total gut an – auch, weil die neue Aufgabe unfassbar viel Spaß macht.
Die U19 steht im Pokal-Endspiel und war im Meisterschafts-Halbfinale (Foto: W.DE).
WERDER.DE: Du hast die Schuhe auch aufgrund von Verletzungen vorzeitig beendet. Welche Tipps kannst du den LZ-Talenten mit auf den Weg geben?
Oliver Hüsing: Mir ist wichtig zu sagen, dass das meine Erfahrungen sind, die nicht auf jeden übertragbar sind. Jeder soll seinen Weg für sich finden. Trotzdem bin ich selbst auch mit elf Jahren zu Werder gekommen, war ein Fahrdienstspieler und habe auch Enttäuschungen durchlebt. Dementsprechend kann ich mich gut in die Lage von Spielern reinversetzen. Wichtig ist, immer den Kopf wieder aufzurichten, denn am Ende setzen sich die mit der größten Widerstandsfähigkeit durch.
WERDER.DE: Widerstandsfähigkeit hat zuletzt die U19 in Meisterschaft- und Pokalwettbewerb bewiesen. Inwiefern gibt der Erfolg der U19 euch das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein?
Oliver Hüsing: Definitiv, denn das ist die Arbeit von ganz vielen verschiedenen Menschen im LZ. Wesley Adeh ist zum Beispiel schon seit den jüngeren U-Mannschaften bei Werder, wo ihn verschiedene Trainer, Pädagogen, Sportpsychologen und Physios begleitet haben. Andere Jungs wurden von außerhalb geholt, wo viele Scouts drüber geschaut haben, und dann spielen natürlich auch Thomas Wolter und Cedric Makiadi mit seinem Trainerteam eine Riesenrolle. Der Erfolg der U19 ist ein Ergebnis von ganz vielen und für uns eine Bestätigung. Es macht Spaß, wie die Jungs spielen und darauf sollten wir aufbauen.
Einen Titel zu gewinnen, macht was mit den Jungs und schafft unfassbar viel Selbstvertrauen für die Entwicklung.
WERDER.DE: Die U19 hat die große Chance, erstmals den DFB-Pokal der Junioren für Werder zu gewinnen. Welchen Stellenwert hat dieser Titel für den Verein?
Oliver Hüsing: Natürlich hat die sportliche individuelle Entwicklung immer Vorrang. Meiner Meinung nach braucht es aber kein „oder“, sondern ein „und“. Mein Anspruch ist auch erfolgreich zu sein, weil gewinnen zur Ausbildung dazu gehört. Einen Titel zu gewinnen, macht was mit den Jungs und schafft unfassbar viel Selbstvertrauen für die Entwicklung. Denn ich glaube, man kann auch Gewinner ausbilden. Gewinner sind für mich übrigens auch Spieler, die nach Niederlagen immer wieder aufstehen.
WERDER.DE: Du sprichst aus Erfahrung und bist selbst mit Ferencvaros Budapest ungarischer Pokalsieger geworden. Der größte Erfolg deiner Karriere?
Oliver Hüsing: Das habe ich mal gesagt, würde ich heute aber revidieren. Die Saison war lehrreich, aber auch schwierig. Ich sehe mich auf den Jubelfotos, aber es hat sich nicht so angefühlt, dass ich Teil des Ganzen war. Trotzdem habe ich als junger Spieler den Schritt ins Ausland gewagt und war selber mal der Fremde in der Kabine neben gestandenen ungarischen Nationalspielern. An meinem ersten Tag haben alle über etwas gelacht und ich habe es als einziger nicht verstanden – das fühlt sich erstmal komisch an. Im Nachgang romantisiert man das natürlich, aber es war gut, sich dort trotz trotzdem durchzusetzen und auf meine Spiele zu kommen.
Natürlich war es aber auch komisch, meinen Freund Florian Kohfeldt an der Seitenlinie zu sehen.
WERDER.DE: Eine deiner schwersten Niederlagen war wiederum die Niederlage in der Relegation mit Heidenheim gegen Werder – auch wenn du damals nur Zuschauer warst.
Oliver Hüsing: Ich wollte damals trotz meiner Verbindung zu Werder nichts anderes, als mit Heidenheim aufzusteigen und diese Spiele gewinnen. Diese Einstellung würde ich mir auch heute von unseren Jungs wünschen, weil du dafür Sportler bist, das Maximale mit deiner Mannschaft herauszuholen. Natürlich war es aber auch komisch, meinen Freund Florian Kohfeldt an der Seitenlinie zu sehen oder auch Klaus Filbry oder Hubertus Hess-Grunewald zu treffen. Es ist damals dann ja auch anders gekommen und nun viele Jahre her, sodass ich ganz gut damit leben kann. Leider war ich selbst damals verletzt und Frank Schmidt hat mich nur mit in den Kader genommen, um im Zweifel in den letzten drei Minuten hinten einen raus- oder vorne reinzuköpfen.
Hüsing lief 80-mal für den 1. FC Heidenheim auf (Foto: nordphoto).
WERDER.DE: Du hast wie angesprochen unter Frank Schmidt und mit einigen aktuellen Spielern dort zusammengespielt. Was macht den Verein für seine Möglichkeiten so erfolgreich?
Oliver Hüsing: Das lässt sich mit Frank Schmidt und Holger Sanwald (Anm. d. Red.: Cheftrainer und Vorstandsvorsitzender) erstmal auf zwei Personen runterbrechen. Frank hat mich mit seinem Blick auf den Fußball und seiner Einstellung zum Beruf und zum Leben am meisten geprägt. In Heidenheim wurde eine Kultur geschaffen, die keine Zweifel, sondern nicht als harte Arbeit erlaubt. Wenn es andernorts unruhig wird, herrscht dort durch die personelle Kontinuität so ein Zusammenhalt, dass es auf diesem Weg nicht zu Komplikationen kommen kann. Dazu gehört auch ein gewisser Mut, Dinge immer wieder zu verändern, wo er nach langer Zeit immer noch ein gutes Gespür für hat.
WERDER.DE: Schmidt selbst hat immer abgeblockt, dass die Conference League dem Erfolg im Ligabetrieb im Wege steht. Seitdem Ausscheiden belegt der FCH den achten Platz.
Oliver Hüsing: Ich finde es cool, dass er es zu keinem Zeitpunkt an Ausrede genommen hat. Ich glaube nicht, dass er sich selbst viel damit beschäftigt.Wenn ich das Heidenheimer Spiel aber mit einem Wort beschreiben müsste, dann wäre es Intensität. Diese konnten sie durch die Reisestrapazen und die Spieltaktung vermutlich nicht so aufrechterhalten, wie sie es von sich selbst gewohnt sind. Seitdem haben sie gezeigt, wie schwer es gegen sie ist, wenn sie die Intensität auf den Platz bekommen.
WERDER.DE: Für Heidenheim geht es mindestens am Samstag, aber noch wahrscheinlicher in der Relegation um alles. Wie schätzt du die Chance auf den Klassenerhalt ein?
Oliver Hüsing: Ich erwarte, dass Heidenheim voll auf Sieg gehen wird. In solchen Momenten ist Frank Schmidt sehr mutig. Unsere Jungs machen aber in den letzten Wochen gut und werden das gleiche tun. Da sind wir im Moment zurecht sehr ambitioniert und selbstbewusst. Wenn es um den Klassenerhalt geht, bin ich davon überzeugt, dass es Heidenheim in der Relegation schafft. Denn Frank Schmidt strahlt die volle Überzeugung aus und durch ihren Zusammenhalt, werden sie die Relegationsspiele auf ihre Seite ziehen.
WERDER.DE: Vielen Dank für das spannende Gespräch!