Die Zähne selber gezogen | OneFootball

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Icon: Rund um den Brustring

Rund um den Brustring

·2 Maret 2025

Die Zähne selber gezogen

Gambar artikel:Die Zähne selber gezogen

Im drit­ten Spiel in Fol­ge bringt sich der VfB durch haar­sträu­ben­de Feh­ler um wich­ti­ge Punk­te — trotz einer Leis­tungs­stei­ge­rung zu Beginn der Par­tie. Dabei haben die Pro­ble­me der Mann­schaft rela­tiv wenig mit dem Geg­ner zu tun.

“Ich will vor allem eine VfB-Mann­schaft sehen, die men­tal uns kör­per­lich alles in die­ses Spiel rein­wirft und beweist, dass mit ihr wei­ter­hin zu rech­nen ist im Kampf und den Euro­pa­po­kal. Ob es dann am Ende zu einem Punkt­ge­winn reicht, wer­den wir sehen. Haupt­sa­che wir schla­gen uns nicht wie­der sel­ber.” Das schrieb ich am Frei­tag in der Vor­schau auf das Spiel, das mei­ner Mei­nung nach wie­der den Namen Süd­gip­fel ver­dient. Ich bekam, was ich woll­te — und irgend­wie auch nicht. Denn der VfB knüpf­te in der ers­te Halb­zeit gegen die Bay­ern durch­aus an die bes­ten Leis­tun­gen unter Sebas­ti­an Hoe­neß an und ging durch ein Traum­tor von Ange­lo Stil­ler ver­dient in Füh­rung. Die Bay­ern hin­ge­gen bis­sen sich an Jeff Cha­b­ot und dem erneut bären­star­ken Finn Jeltsch die Zäh­ne aus und waren durch­aus beein­druckt von einem gera­de im Mit­tel­feld zwei­kampf­star­ken VfB. Dass wir in der aktu­el­len Situa­ti­on gegen den Tabel­len­füh­rer nicht ohne Gegen­tor blei­ben wür­den, war aller­dings auch klar und der Aus­gleich nach einem Ball­ge­winn im Mit­tel­feld und einem Pass hin­ter die Ket­te wäre wahr­schein­lich irgend­wann so oder ähn­lich gefal­len.


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Bekannt­lich sind ja Spie­le in Mün­chen, aber auch gegen den Rekord­meis­ter wie ein Zahn­arzt­be­such: “Muss jeder mal hin. Kann ziem­lich weh­tun. Kann aber auch glimpf­lich aus­ge­hen”, sag­te Sebas­ti­an Prödl einst und hat­te damit recht. In den letz­ten Jah­ren ging es für den VfB nur sel­ten glimpf­lich aus, sieht man mal von den Sie­gen im Mai und 2018 und den bei­den Unent­schie­den im Jahr 2022 ab, dann waren die Spie­le meist eher schmerz­haft. Noch schmerz­haf­ter ist es aller­dings, wenn man, um im Bild zu zu blei­ben, dem Zahn­arzt die Arbeit abnimmt und sich die Zäh­ne kur­zer­hand sel­ber zieht. So gesche­hen am Frei­tag­abend, als Alex Nübel den Ball kurz zu Ange­lo Stil­ler spiel­te, ohne ihn vor dem her­an­rau­schen­den Leon Goretz­ka zu waren. Stil­ler wie­der­um fehl­te die Über­sicht, den Ball nicht seit­lich wei­ter­zu­lei­ten, son­dern zu Nübel zurück zu spie­len. Und kurz vor Ende, als Josha Vagno­man beim Stand von 1:2 gegen King­s­ley Coman den Ball ver­stol­per­te und beim rela­tiv gemäch­li­chen Zurück­tra­ben noch von Finn Jeltsch über­holt wur­de, der aber das 1:3 auch nicht mehr ver­hin­dern konn­te.

Keine Chance nach der Pause

Nun ist es natür­lich nicht aus­ge­rech­net eines der bei­den auf dem Papier schwers­ten Spie­le der Rück­run­de, wes­we­gen der VfB zehn Spie­le vor Schluss auf Platz 9 abge­rutscht ist. Gleich­zei­tig war auch die­ses Spiel wie­der eines der ver­ge­be­nen Chan­cen. Denn wenn eine Mann­schaft in den letz­ten zehn Jah­ren in der Lage war, die Münch­ner zu schla­gen, dann die­se. Gera­de weil sie vor der Pau­se zeig­te, wie man durch kon­zen­trier­tes Pres­sing auch Tabel­len­füh­rern bei­kom­men kann — sie­he letz­te Sai­son. Die Pro­ble­me, die die Mann­schaft im Brust­ring der­zeit beschäf­ti­gen, haben jedoch rela­tiv wenig mit dem Geg­ner zu tun, auch wenn Feh­ler von den Bay­ern natür­lich noch gna­den­lo­ser bestraft wer­den als von Hof­fen­heim, Wolfs­burg, Glad­bach oder Mainz. Es sind jedoch, wie schon an die­ser Stel­le geschrie­ben, nicht unbe­dingt die defen­si­ven Black­outs, die den VfB um die Punk­te brin­gen, son­dern viel mehr ein kol­lek­ti­ver Span­nungs­ab­fall, der auch dazu führt, dass wir zum drit­ten Mal in Fol­ge eine Füh­rung ver­spielt haben.

Selbst wenn man aner­kennt, dass natür­lich noch ein Geg­ner auf dem Platz steht, der eben­falls auf den Spiel­stand reagiert, ist es frap­pie­rend, dass dem VfB nach dem Sei­ten­wech­sel nur noch vier Schüs­se gelan­gen, von dem kein ein­zi­ger aufs Tor ging. Statt wie Ange­lo Stil­ler zur Füh­rung ein­fach mal aus guter Schuss­po­si­ti­on abzu­zie­hen oder wie beim 1:0 durch Wol­te­ma­de letz­te Woche den Ball grad­li­nig nach vor­ne zu spie­len, ver­such­te die Mann­schaft, den Ball wie­der ins Tor zu tra­gen, wur­de der Ball noch­mal und noch­mal vorm Tor zurück und quer­ge­legt. Deniz Undav blieb trotz gro­ßem Auf­wand wie­der harm­los und bekam erneut erst nach über 80 Minu­ten offen­siv Ver­stär­kung, als Sebas­ti­an Hoe­neß mit der Ein­wechs­lung von Bru­un Lar­sen und Demi­ro­vic alles nach vor­ne warf. Nach 70 Minu­ten war zwar schon Enzo Mil­lot für den erneut blas­sen Jamie Lewe­ling gekom­men, fiel aber in der rest­li­chen Spiel­zeit vor allem durch sei­ne schlech­te Lau­ne auf, genau­so übri­gens wie Demi­ro­vic. Das sind zwar nicht gera­de Argu­men­te, war­um die bei­den mehr Spiel­zeit bekom­men soll­ten, trotz­dem kann ich nicht nach­voll­zie­hen, war­um Hoe­neß nicht frü­her ver­sucht, das Spiel über Impul­se von der Bank zu beein­flus­sen. Natür­lich sind Undav und Wol­te­ma­de gera­de bes­ser in Form als Mil­lot und Demi­ro­vic — aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirk­lich ziel­füh­rend ist, immer das Glei­che zu tun und auf ein ande­res Ergeb­nis zu hof­fen.

Niemand reißt das Spiel an sich

Die Fra­ge nach der Ursa­che für den Leis­tungs­ab­fall und die Ergeb­nis­kri­se seit Ende Janu­ar geis­tert also wei­ter­hin durch Bad Cannstatt — unab­hän­gig von der nicht völ­lig über­ra­schen­den Nie­der­la­ge am Frei­tag­abend. Ein Fak­tor ist sicher­lich dass Spiel gegen Paris, dass das Selbst­ver­ständ­nis der Mann­schaft mehr in sei­nen Grund­fes­ten zu erschüt­tert haben scheint als bei­spiels­wei­se die ver­hee­ren­de Nie­der­la­ge gegen die Bay­ern im Hin­spiel. Auch das The­ma Span­nung mag ein Fak­tor sein: In der Hin­run­de hol­te der VfB in den ers­ten sie­ben Spie­len zwei Punk­te mehr, obwohl er zwi­schen­durch drei eng­li­sche Wochen absol­vie­ren muss­te. Die vol­len Trai­nings­wo­chen sind aktu­ell nicht unbe­dingt ein Vor­teil für die Mann­schaft, gera­de im men­ta­len Bereich müss­te ver­mut­lich mehr gear­bei­tet wer­den. Das Durch­schnitts­al­ter des Kaders war schon unter Mat­a­raz­zo ein The­ma, als die Mann­schaft anfing, mehr Kom­pli­men­te als Punk­te zu sam­meln und Spie­le aus der Hand zu geben. Aber schon damals war das Durch­schnitts­al­ter der Start­elf gar nicht so nied­rig und wenn ein 18jähriger in sei­nem zwei­ten Bun­des­li­ga-Ein­satz einer der sta­bils­ten Akteu­re auf dem Feld ist, fällt das Argu­ment kom­plett flach.

Es ist, mei­ner Mei­nung nach, wie in der Hin­run­de, aber auch wie teil­wei­se unter Mat­a­raz­zo, eine Fra­ge der Mann­schafts­struk­tur. Natür­lich sind wir aktu­ell auf einem ganz ande­ren Niveau als unter unse­rem Ex-Trai­ner — spie­le­risch, aber auch was die Resi­li­enz und die Aus­ge­wo­gen­heit des Kaders angeht. Nichts­des­to­trotz erlei­det die Mann­schaft immer häu­fi­ger Kon­troll­ver­lus­te gegen Ende des Spiels, weil der­zeit nie­mand in der Lage zu sein scheint, das Spiel an sich zu rei­ßen und zu ent­schei­den. In Dort­mund gelang das durch eine extrem destruk­ti­ve Spiel­wei­se und hohe Effi­zi­enz. Aber schon in der Hin­run­de gegen Frei­burg und Mainz bei­spiels­wei­se stell­te man sich naiv an. Das hat natür­lich auch mit dem Abgang von Füh­rungs­spie­lern wie Anton und Gui­ras­sy zu tun. Deren sport­li­cher Ersatz ist die eine Sache, in die Rol­le als men­ta­ler Unter­schieds­spie­ler ist in die­ser Sai­son noch kei­ner so recht hin­ein­ge­wach­sen. Kein Deniz Undav, kein Erme­din Demi­ro­vic, kein Ata­kan Kara­zor und auch kein Ange­lo Stil­ler.

Der Knoten muss platzen

Dabei darf man aller­dings auch nicht den Feh­ler machen, die ver­gan­ge­ne Sai­son als Maß­stab zu neh­men — auch ein Wal­de­mar Anton schwamm jah­re­lang in den wel­len­haf­ten Aus­schlä­gen der Mann­schaft mit. Eine Pha­se wie die­se gab es seit Sebas­ti­an Hoe­neß’ Amts­an­tritt noch nicht und sie stellt offen­bar alle im Ver­ein vor eine ziem­li­che Her­aus­for­de­rung. In Kiel ist der Druck jetzt enorm. Erin­ne­run­gen wer­den wach an die zwei­te Liga, als man trotz indi­vi­du­el­ler Über­le­gen­heit gegen Mann­schaf­ten wie Osna­brück, Wies­ba­den oder eben Kiel auf die Schnau­ze fiel. Aber wir sind eben nicht mehr in der zwei­ten Liga und haben eine Mann­schaft mit wesent­lich mehr Qua­li­tät. Das darf wie­der­um nicht zum Man­tra ver­kom­men, mit dem im Kopf man die nächs­ten Punk­te her­schenkt. Im hohen Nor­den muss der Kno­ten jetzt end­lich mal plat­zen, egal wie. Am Ende ist es für eine offen­sicht­lich im Inners­ten ver­un­si­cher­te Mann­schaft viel­leicht ein­fach nur mal wich­tig, einen spie­le­risch und ergeb­nis­tech­nisch über­zeu­gen­den Auf­tritt hin­zu­le­gen, um wie­der in den Flow zu kom­men, den sie bis­her immer wie­der gefun­den hat. Aber das wird nicht von allei­ne pas­sie­ren. Mann­schaft und Trai­ner müs­sen die­se Trai­nings­wo­che nut­zen, um Lösun­gen zu fin­den.

Zum Wei­ter­le­sen: Der Ver­ti­kal­pass fin­det, “es wird Zeit, dass nicht der Trai­ner nach dem Spiel, son­dern die Mann­schaft auf dem Platz die rich­ti­gen Ant­wor­ten fin­det.”

Titel­bild: © Alex Grimm/Getty Images

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