REAL TOTAL
·16 Januari 2025
REAL TOTAL
·16 Januari 2025
Nils Kern fordert: Real könnte und sollte sich jetzt um Kyle Walker (Mitte), und im Sommer um Rodri kümmern – Foto: getty images
Ihr kennt meinen Text: Es wäre nicht nur naiv, sondern auch fahrlässig, wenn Real Madrid auf dem Transfermarkt nicht aktiv wird. Das galt bereits im Sommer aufgrund drei (!) freier Plätze im Kader vor der möglicherweise längsten Saison aller Zeiten, das galt erst recht nach der Verletzung von Daniel Carvajal und noch mehr (wenn das geht) nach der Verletzung von Éder Militão. Und doch war immer meine Prognose: Real muss, aber wird nichts tun.
Dabei wäre es mittlerweile so „vergleichsweise“ einfach. Immerhin hat sich mit Kyle Walker eine kurzfristige, erfahrene Lösung quasi angeboten, zumindest verriet Pep Guardiola, dass der 34-jährige Brite jetzt gehen wolle. Ein erfahrener Weltklasse-Mann als Ersatz für Carvajal? Was will man denn noch? Einen zweiten Carvajal gibt es nicht, wohl auch keinen zweiten Joselu oder Militão, aber auch hier: Warum nicht zumindest bei Aymeric Laporte, der bereits signalisierte nicht kategorisch abgeneigt zu sein, und dessen Klub mal anklopfen? Oder Pedro Porro? Das würde zumindest noch etwas mehr passen als Marcus Rashford oder Eric Choupo-Moting. Bei jedem kann man so oder so diskutieren, was ich nur sagen will: warum passiert nichts?!
Die Antwort kennt ihr: weil Real Madrid. Was beziehungsweise wen ich damit meine: die Vereinsdirektive. Denn Trainer Carlo Ancelotti deutete auf der Pressekonferenz mal wieder an, was viele längst wissen: Der Trainer hat bei Transfers wenig bis nichts zu sagen, nur Florentino Pérez, José Ángel Sánchez und Co. entscheiden. Und sparen. „Wir führen Gespräche mit dem Klub, um zu versuchen, das Beste herauszuholen, damit Real Madrid konkurrenzfähig ist.“ Das ist für mich sogar doppelt aussagekräftig, so lässt sich interpretieren, dass Ancelotti den Kader nicht 100-prozentig für konkurrenzfähig hält. Und REAL TOTAL weiß: Es ist nicht das erste Mal, dass Ancelottis Wünsche und Pérez‘ Pläne weit auseinander gehen. Schon 2023 nach dem überraschenden Abgang von Karim Benzema wollte der Italiener einen weiteren Angreifer – Joselu war nur als Benzema-Backup eingeplant –, gleiches im vergangenen Sommer als mit Joselu der einzige klare Neuner ging. Jetzt ist auch hinten noch mehr Bedarf als eh schon, stattdessen bekommt der Trainer, dem es selbst an Fehlern auf dem Platz nicht mangelt, noch Kaderleichen wie Jesús Vallejo vorgesetzt, deren lange Verträge ebenfalls auf die Vereinsdirektive zurückgehen, wie einst bei Mariano Díaz und anderen. Und dank Eden Hazard gibt es noch einen Grund mehr, kühlen Kopf zu bewahren bei Transfers.
Diese Strategie mit wenig Macht für den Trainer mag sogesehen, wie alles rund um Real Madrid, in den letzten elf Jahren auch ein Grund für die vielen Pokale, darunter immerhin sechs Champions-League-Titel, sein. Und Trainer können auch mal deutlich daneben liegen, so ist vermutlich der letzte Lieblingsspieler-Wunsch, der einem Trainer kompromisslos erfüllt wurde: Luka Jović von Zinédine Zidane. Das Ergebnis ist bekannt. Bekannt ist daher für Ancelotti auch, wie er sich zu dieser „Strategie“ verhalten soll: es tolerieren und hinnehmen. Und nicht für öffentlichen Druck sorgen à la „Thiago oder nichts“, wie einst Guardiola in München. Pérez und Co. dulden wenig bis gar keine Kritik, geschweigedenn Unruhe. Wenn wir schon bei Gründen für den Erfolg sind, so ist auch hier Ancelottis besonnene, charmante Art – sowohl vor den Medien als auch intern gegenüber seinen Bossen – ein Grund für ihn, jetzt schon seine insgesamt sechste Saison im Haifischbecken Madrid zu erleben. Denn an Haien und Walen mangelt es im Vorstand der Blancos nicht, da werden sich auch zukünftige Trainer anpassen müssen – auch deswegen ist für mich seit Jahren beispielsweise ein Jürgen Klopp unvorstellbar, weil der quasi alles im Klub hinterfragen will. Und Xabi Alonso? Mal sehen…
Aber darum soll es hier nicht gehen. Sondern um Transfers. Kyle Faust Walker Auge könnte passen, denn er wäre ein A-Spieler, wohingegen andere aus dieser Riege wie Trent Alexander-Arnold oder Alphonso Davies wohl erst ab Juli zu holen wären. Für mich wäre im Sommer übrigens Trent wichtiger als Davies, dagegen wäre Rodri sogar ein Muss. Anderes Thema. Warum also jetzt weder Walker noch sonst jemanden holen (so zumindest meine Prognose)? Erstmal weil Real Madrid generell und weil dort zudem wenig Flexibilität herrscht: Nach den vielen „Absagen“ von Kylian Mbappé wurde sich nie mit kurz- oder mittelfristigen Alternativen beschäftigt, ohnehin schien die ganze Transferstrategie der letzten Jahre zu lauten: Mbappé und (ablösefreie) Schnäppchen, sonst nichts. Wenn dann doch mal ein teurer Franzose kam, dann auch, um PSG eins auszuwischen. Am Finanziellen sollte es beim quasi nettoschuldenfreien eine-Milliarde-Klub jedenfalls nicht scheitern. Oder doch? Die Gehälter sind längst auf Premier-League-Niveau angepasst, um mit England mithalten zu können. Auch generell ist beim wie ein Konzern geführten Klub wenig Spielraum für Änderungen am Jahresbudget. Und auch hier gilt oder galt: Mbappé sonst nichts. Denn auch ablösefrei verschlingt der 26-jährige Franzose enorm viel an Handgeld, Gehalt und sonstigem. Und Vinícius Júnior schielt ja auch schon auf dessen Vertrag rüber und soll vor saudi-arabischen Angeboten „beschützt“ werden.
Also, ja: 25 gute Spieler, ähnlich wie es Tabellenführer Atlético mit dem vermutlich breitesten Kader der Liga macht, wäre gut. Aber bei Real Madrid gilt eher der Luxus-Sparkus und dem Fokus auf „nur“ 16 sehr guten Spielern. Why not Walker? Auch deswegen, von der üblichen Abneigung gegen Wintertransfers und den schlechten Erfahrungen damit mal abgesehen. Kurzum: Real Madrids 19. Wintertransfer würde mich nicht nur freuen, sondern noch mehr überraschen.
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