DFB
·1 aprile 2025
Jonathan Tah: "Der DFB-Pokal ist mit keinem anderen Titel zu vergleichen"

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·1 aprile 2025
Drittligist gegen Titelverteidiger im Halbfinale - eine solche Konstellation ist nur im DFB-Pokal möglich. Jonathan Tah und Doublesieger Bayer 04 Leverkusen sind vor dem Vergleich mit Favoritenschreck Arminia Bielefeld am heutigen Dienstag (ab 20.45 Uhr, live in der ARD und bei Sky) gewarnt. Im DFB.de-Interview spricht der 29 Jahre alte deutsche Nationalspieler mit Mitarbeiter Tobias Gonscherowski über das eigentlich ungleiche Duell und erinnert sich an prägende und besondere Momente seiner persönlichen Pokalhistorie.
DFB.de: Jonathan Tah, Bayer Leverkusen spielt erneut eine starke Saison. Die Titelchance ist im DFB-Pokal besonders groß, auch in der Meisterschaft ist die Mannschaft noch im Rennen. Wie bewerten Sie den bisherigen Saisonverlauf?
Jonathan Tah: Wir sind mit sehr hohen Erwartungen an uns selbst in die Saison gestartet, die auch von außen geteilt wurden. Wir haben uns im Saisonverlauf gesteigert und sind jetzt wieder auf dem Niveau, um Titel gewinnen zu können. Am Anfang der Saison war es noch etwas schwierig, nachdem die Doublesaison sehr lang und sehr intensiv gewesen war - vor allem auch emotional. Wir haben ein bisschen gebraucht, um in diese Spielzeit reinzukommen. Ich hatte allerdings nie das Gefühl, dass wir in ein Loch gefallen wären, wie manch einer es interpretiert hatte. Aber die Spiele liefen nicht mehr ganz so einfach. Wir haben uns dann aber wieder in den Flow hineingearbeitet.
DFB.de: Sie stehen jetzt mit der Werkself zum vierten Mal im Pokalhalbfinale und treffen nach den Semifinals in Saarbrücken 2020 und gegen Düsseldorf 2024 zum dritten Mal in Folge auf einen klaren Underdog. Wie herausfordernd wird die Partie bei Arminia Bielefeld?
Tah: Es ist extrem herausfordernd. Man darf nicht unterschätzen, welche Power diese Teams haben, vor allem wenn sie zuhause spielen. Dann kann es sehr gefährlich werden, wenn man die Aufgabe nicht voll fokussiert und und mit der nötigen Seriosität angeht. Aber da mache mir keine Sorgen. Für die Arminia ist es wahrscheinlich das Spiel der Saison, aber wir wollen natürlich auch ins Finale. Das ist ja klar. Und so werden wir das Spiel angehen. DFB.de: Haben Sie den Weg der Arminia ein bisschen verfolgt? Was machen die Ostwestfalen im Pokal besonders gut?
Tah: Natürlich habe ich die Ergebnisse und teilweise auch die Tore der Mannschaft verfolgt, aber nicht intensiv die Spiele im einzelnen geschaut. Unser Trainer wird uns auf die Partie vorbereiten. Bielefeld hat ein paar Spieler in seinen Reihen, die Erfahrung haben, mutig sind und wissen, wie man gegen ein Bundesligateam spielt. Mit Sam Schreck habe ich noch zusammengespielt. Wir sind damals mehr oder weniger gemeinsam in Leverkusen gestartet, er war einer der Jüngeren, die aus der Jugend hochgekommen sind, ich ein Neuzugang. Ich freue mich auf die Partie.
DFB.de: Die Favoritenrolle liegt klar bei Bayer 04. Damit konnte die Mannschaft unter Trainer Xabi Alonso bislang gut umgehen - alle Pokalspiele unter ihm wurden gewonnen. Worauf wird es diesmal auf der Alm ankommen?
Tah: Wichtig ist, dass niemand den Gegner unterschätzt. Dann muss man die Begebenheiten anschauen und sich und sein Spiel den Verhältnissen anpassen, zum Beispiel, was den Platz betrifft. Das ist eine große Stärke von uns als Mannschaft, auch unseres Trainers. Am Ende geht es darum, das Spiel zu gewinnen und ins Finale zu kommen. Wenn es an dem Tag nicht möglich ist, das allerschönste, wunderbar anzuschauende Fußballspiel abzuliefern, dann muss es auch anders gehen.
DFB.de: Was macht für Sie den Reiz des DFB-Pokals aus?
Tah: Der DFB-Pokal ist extrem spannend, weil man mit relativ wenigen Siegen einen Titel gewinnen kann. So gesehen ist das der Titel, den man mit dem geringsten Aufwand gewinnen kann. Und trotzdem ist ein Triumph in Berlin etwas ganz und gar Außergewöhnliches. Das Gefühl, im Olympiastadion das Finale zu spielen und zu gewinnen, ist etwas ganz Besonderes. Das kann man mit keinem anderen Titel vergleichen. Das Endspiel hat einen speziellen, einen einzigartigen Charakter. Die Atmosphäre vor dem Spiel ist einmalig. Da ist pure Fußballliebe zu spüren. Obwohl Berlin eine sehr große Stadt ist, in der immer etwas los ist, ist sie an diesem Tag, eigentlich das ganze Wochenende über, auf dieses Finale fokussiert. Schon allein deswegen will man da unbedingt hin.
DFB.de: Was sind so Ihre ersten Erinnerungen an den Wettbewerb?
Tah: Ich erinnere mich an meinen ersten Startelfeinsatz im Pokal mit dem HSV gegen Greuther Fürth (1:0 in der 2. Runde der Saison 2013/2014; Anm. d. Red.). Davor hatte ich beim Nordderby gegen Bremen in der Bundesliga in der Startelf debütiert. Gegen Fürth gab es in der Schlussphase eine Szene, in der Niklas Füllkrug alleine vor dem Tor war und den Ball reinschieben wollte. Aber ich konnte die Kugel noch im letzten Moment auf der Torlinie tackeln. Ich war damals 17 Jahre alt. Danach ist das Stadion durchgedreht. Der Moment ist mir auf jeden Fall im Kopf geblieben.
DFB.de: Beim 2:4 im Pokalfinale 2020 gegen Bayern München haben Sie nicht gespielt, Peter Bosz ließ Sie auf der Bank. Woran lag das?
Tah: Das kam unerwartet und war eine sehr große Enttäuschung. Warum ich nicht spielen durfte, weiß ich nicht. DFB.de: In Ihrer Karriere ging es nicht immer steil nach oben. Das angesprochene Endspiel haben Sie verpasst, einmal sind Sie kurz vor einer WM noch aus dem Kader gestrichen worden. In Hamburg stagnierte Ihre Karriere, sie ließen sich zum Zweitligisten Fortuna Düsseldorf ausleihen. Wie gehen Sie generell mit Enttäuschungen und Rückschlägen um?
Tah: Solche Erfahrungen haben mich stärker gemacht. Es braucht manchmal Enttäuschungen und Setbacks, um zu wachsen. Jeder erlebt die auf seine Art nicht nur in seiner Karriere, sondern auch im Leben. Daran wächst man. Genauso habe ich das immer auch betrachtet. Es ist Teil des Prozesses, um besser zu werden und zu wachsen. Als ich vom HSV nach Düsseldorf ausgeliehen wurde, war es in Hamburg sehr unruhig. Ich habe viele Trainer erlebt. Ich war mit 17 Jahren Stammspieler in der Bundesliga, dann wurde ich in die U 19 zurückversetzt. Das war verrückt. Den Wechsel zur Fortuna habe ich dann bewusst positiv gesehen. Mit dem temporären Schritt zurück in die 2. Bundesliga konnte ich perspektivisch betrachtet zwei Schritte nach vorne gehen. Es geht darum, solche Situationen anzunehmen, anstatt sich runterziehen zu lassen. Und plötzlich kam Bayer Leverkusen und hat mich verpflichtet. Das sind schöne Bestätigungen für die Arbeit. Es lohnt sich.
DFB.de: Woran denken Sie spontan zurück, wenn Sie an das Pokalfinale 2024 denken?
Tah: Da gab es ganz viele kleine Situationen. Wenn man ins Stadion einläuft, geht man, anders als bei Bundesligaspielen in Berlin, durch einen Tunnel auf der Seite des Marathon-Tores. Man kann die Atmosphäre gar nicht beschreiben, die man erlebt, wenn man den Stadion-Innenraum betritt. Die Choreos der beiden Fanlager waren sehr besonders. Das war ein Gänsehautmoment. Unvergesslich war auch, wie wir alle nach dem Abpfiff auf den Platz und dann in die Fankurve gestürmt sind. Die Ultras forderten mich auf, die "Ufta" anzustimmen - ein besonderes Ritual in Leverkusen. Solche Momente bleiben einem immer im Kopf.
DFB.de: War der Druck höher, nachdem drei Tage vorher das Finale der Europa League deutlich verloren wurde? Nach dieser überragenden Saison wären ja zwei Finalniederlagen kein so schöner Abschluss gewesen.
Tah: Das war eine verrückte Zeit. Es war tatsächlich nicht einfach, nach der Niederlage von Dublin wieder den Switch hinzubekommen. Auch der Spielverlauf in Berlin war nach dem Platzverweis gegen uns tough. Aber wir alle hatten nach dem Europa-League-Finale diesen Hunger und das Gefühl: Noch ein Finale werden wir nicht verlieren. Egal, was passiert.
DFB.de: Kurz zur Nationalmannschaft. Wie fällt Ihr Fazit nach dem Viertelfinale in der Nations League gegen Italien aus?
Tah: Wir konnten den Weg, den wir im vergangenen Jahr eingeschlagen haben, fortführen. Was Energie und Intensität betrifft, haben wir eine gute EM gespielt. Genau da wollten wir weitermachen, und das haben wir geschafft. Weiter erfolgreich zu sein, Spiele zu gewinnen und Fußball-Deutschland das Gefühl zu vermitteln, dass wir wieder auf dem richtigen Weg sind, eine titelfähige Mannschaft zu werden. So ein starker Gegner wie Italien war ein guter Test für uns. Wir haben den Test bestanden.
DFB.de: Wie groß ist die Vorfreude auf die Nations-League-Endrunde in Deutschland und das Halbfinale gegen Portugal mit Cristiano Ronaldo?
Tah: Ich habe schon mit Leverkusen gegen Juventus Turin und Cristiano Ronaldo gespielt, bin also schon auf ihn getroffen. Ich freue mich auf solche Duelle gegen eine Topmannschaft, die auf allen Positionen hervorragend besetzt ist.
DFB.de: Noch ein Fun Fact zum Abschluss: Sie haben in Ihren weit über 100 internationalen Spielen weder im Verein noch in der Nationalmannschaft ein Tor erzielt. In der Bundesliga waren es schon einige, nämlich 14. Woran hapert's international?
Tah: Ist das so? Das war mir gar nicht bewusst. Dann arbeite ich ab sofort daran. (lacht) Natürlich möchte ich auch in internationalen Spielen mal treffen und hoffe, dass es mir zeitnah gelingt. Aber mein primärer Job ist die Defensive. Um Vorlagen und Tore kümmere ich mich dann doch erst in zweiter Linie.
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