90PLUS
·12 marzo 2025
Liverpool ausgeschaltet: Ist PSG endlich reif für den großen Wurf?

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·12 marzo 2025
Mit Liverpool hat Paris Saint-Germain im Achtelfinale der Champions League ein echtes Schwergewicht aus dem Weg geräumt. Sind die Pariser 14 Jahre nach dem Einstieg von Qatar Sports Investments endlich bereit sich die europäische Krone aufzusetzen?
„Wir haben gezeigt, dass wir ein echtes Team sind“, die Worte von PSG-Trainer Luis Enrique im Anschluss an das gestrige Achtelfinal-Rückspiel gegen Liverpool waren vielsagend gewählt. Gerade hatte sein Team nach 120 hochintensiven Minuten im Elfmeterschießen gegen Liverpool triumphiert. Der spanische Coach hob jedoch nicht Torhüter Gianluigi Donnarumma, der bereits in der regulären Spielzeit mehrmals glänzend pariert hatte und dann zwei Liverpooler Strafstöße hielt, oder Angreifer Ousmane Dembélé, der erneut für das wichtige 1:0 verantwortlich war, hervor. Für Enrique war es am wichtigsten über die mannschaftliche Geschlossenheit der Pariser zu sprechen. Und tatsächlich ist dies der größte Unterschied zwischen dem PSG dieser Saison und früheren Teams.
Jahrelang hatten die katarischen Besitzer versucht mit Galacticos den ersehnten Titel in der Champions League zu holen. Die Identität von Paris Saint-Germain ist es in dieser Saison aber nicht mehr, dass der Großteil der Mannschaft einigen Superstars, wie Neymar, Kylian Mbappé, Lionel Messi oder zuvor Zlatan Ibrahimovic, zuarbeitet. Die größte Stärke von Paris SG ist das Kollektiv. In früheren Spielzeiten war die individuelle Klasse der Superstars zwar mehr als ausreichend, um den nationalen Meistertitel in Frankreich zu gewinnen. In der Champions League stieß das Pariser Starensemble aber stets an seine Grenzen. Nur einmal gelang 2020 unter Thomas Tuchel der Einzug ins Finale der Königsklasse. Ansonsten scheiterten die Pariser stets an der fehlenden Bereitschaft aller Spieler sich dem Erfolg des Teams unterzuordnen.
Doch Luis Enrique hat aus Paris keinesfalls eine reine Arbeitertruppe geformt. PSG ist ohne Frage gegen den Ball so stark, wie nie zuvor. Gegen Liverpool gelang es dem französischen Rekordmeister sowohl mit hohem Pressing, als auch in einem tieferen Block, geschlossen zu verteidigen. Auch das Gegenpressing zeigte sich in beiden Partien sehr griffig, immer wieder eroberten die Pariser verlorene Bälle direkt wieder zurück. Dazu kombiniert PSG klare, gut strukturierte Abläufe im eigenen Ballbesitz, mit vielen Rotationen und Freiheiten der einzelnen Spieler innerhalb des Positionsspiels.
Luis Enrique hat aus starken Einzelspieler eine Einheit geformt. (Photo by Julian Finney/Getty Images)
So gelingt es Paris SG das Spiel sowohl mit, als auch ohne den Ball zu kontrollieren. Dies erinnert durchaus an erfolgreiche Teams der letzten Jahrzehnte. Die spanische Nationalmannschaft schaffte es von 2008 bis 2012 drei große Kontinentalturniere in Folge zu gewinnen. Entscheidend dafür waren nicht einzelne Spieler, sondern das Grundgerüst des erfolgreichen Barcelona-Teams von Pep Guardiola. Allerdings feierte Spanien seine Erfolge ohne den großen Unterschiedsspieler Barcelonas Lionel Messi. Das Fehlen des achtmaligen Weltfußballers machte La Roja durch mannschaftliche Geschlossenheit in allen Spielphasen wett.
Auch Luis Enrique selbst trainierte eine spanische Nationalmannschaft, die noch deutlich weniger individuellen Glanz als das spanische Siegerteam versprühte, aber trotzdem im Halbfinale der EURO 2020 erst im Elfmeterschießen gegen Italien unterlag. Auch die spanischen Europameister von 2024 schöpften ihre Stärke aus dem Kollektiv und gewannen nicht wegen ihrer überragenden Einzelspieler unter Luis De La Fuente den Titel gegen England.
All diese Teams haben eins gemein mit Paris Saint-Germain aus der Saison 2024/25: der heimliche Star ist das Mittelfeld. Zwar sorgen die Khvicha Kvaratskhelia, Bradley Barcola und vor allem der überragende Ousmane Dembélé für entscheidende Momente bei PSG. Basis des Ganzen ist aber das Dreiermittelfeld aus Vitinha, Fabian Ruiz und Joao Neves. Diese drei Spieler vereinen unter sich Spielintelligenz, körperliche Robustheit, Dynamik und hohe Ballsicherheit und ergänzen sich gegenseitig nahezu perfekt.
Fabian Ruiz war auch in der spanischen Nationalmannschaft, an der Seite von Rodri und Pedri (später Dani Olmo), Herzstück des spanischen Siegerteams von 2024. Schon 2021 bildeten Sergio Busquets, Gavi und Rodri den wichtigsten Mannschaftsteil von Luis Enriques „Selección“. Dass das Mittelfeld aus Sergio Busquets, Xavi und Iniesta maßgeblich für die Erfolge Spaniens verantwortlich war, ist ebenfalls kein Geheimnis.
Fabian Ruiz ist Teil des Pariser Herzstücks im zentralen Mittelfeld. (Photo by Julian Finney/Getty Images)
Dem Dreiermittelfeld PSGs gelang es gegen Liverpool über weite Strecken beider Partien das Zentrum des Feldes unter Kontrolle zu halten. Obwohl auch die Reds eigentlich ihre Stärken im zentralen Mittelfeld haben und viele Gegner in der Premier League im Zentrum geradezu auffressen. Genau in dieser Zone verlor Paris Saint-Germain in den letzten Jahren die entscheidenden Spiele stets. Anders sieht es in dieser Saison aus.
Der Sieg gegen Liverpool hat spätestens gezeigt, dass Paris Saint-Germain in dieser Saison ein anderes Kaliber als in den letzten Jahren ist. Endlich treten sie als Einheit auf, die Kombination aus Teamgeist und individuellen Fähigkeiten der einzelnen Spieler, macht die Pariser zu einem der großen Favoriten auf den Titel in der Champions League. PSG ist nach langem Warten reif für den großen Wurf.
Jakob Haffke
(Photo by Julian Finney/Getty Images)