90PLUS
·14 maggio 2025
TAA vor Real-Wechsel: Ein Transfer, den die Welt nicht braucht?

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·14 maggio 2025
Der Wechsel von Trent Alexander-Arnold zu Real Madrid gilt als Frage der Zeit. Die vorhandenen Probleme der Königlichen löst der Engländer jedoch nur begrenzt.
Was sich bereits seit mehreren Monaten andeute, ist mittlerweile offiziell: Trent Alexander-Arnold wird den FC Liverpool mit dem Ende dieser Saison verlassen. Das gab das der Klub in der vergangenen Woche im Rahmen einer emotionalen Pressemittelung bekannt.
Schon im März habe das Eigengewächs seinem Herzensklub mitgeteilt, ab Sommer für einen anderen Verein auflaufen zu wollen. Die Reds hielten diese Entscheidung geheim – auch und vor allem, um die ehrgeizigen Saisonziele nicht durch eine aufkommende Unruhe zu gefährden. Das gelang: Liverpool krönte sich erstmals seit 2020 zum Premier-League-Meister. Aber warum will Alexander-Arnold den frisch gebackenen Titelträger überhaupt verlassen?
Als Grund gab er an, eine neue Herausforderung zu suchen, die Komfortzone verlassen zu wollen und sich sowohl beruflich als auch persönlich weiterzuentwickeln. Das ist eine mehr als nachvollziehbare, wenn auch wenig fußballromantische Begründung. Viele Fans hatten bislang darauf gehofft, dass der englische Nationalspieler als One-Club-Man in die Geschichte des LFC eingehen würde.
Mittlerweile wissen wir: Daraus wird nichts werden. Noch steht nicht fest, für welches Team Alexander-Arnold in der kommenden Spielzeit aufläuft, doch die Spatzen pfeifen mehr als nur von den Dächern, dass der 27-Jährige in naher Zukunft bei Real Madrid anheuern wird.
Laut dem in der Regel hervorragend informierten Reporter David Ornstein werde „TAA“ seinen Vertrag bei den Königlichen – der bis zum Sommer 2031 gültig sein soll – in den kommenden Wochen unterzeichnen. Der Plan der Madrilenen sieht außerdem vor, dass der Neuzugang bereits bei der Klub-Weltmeisterschaft in den USA (14.06.-13.07.) zum Einsatz kommt.
Geht der Deal tatsächlich durch, würde Real eine in den vergangenen Jahren immer wieder an den Tag gelegte Transfer-Strategie wiederholen: die ablösefreie Verpflichtung absoluter Weltstars! Schon im Falle von Antonio Rüdiger, David Alaba und zuletzt Kylian Mbappe zeigte sich der spanische Rekordmeister opportunistisch und nutzte seine Stellung als der noch immer größte Klub im Weltfußball.
Natürlich: Spieler wie Mbappe oder Alexander-Arnold bekommt Real trotzdem nicht „umsonst“. Ein fürstliches Handgeld und ein Top-Gehalt ist für Akteure dieser Güteklasse mittlerweile Usus. Und dennoch muss die ablösefreie Verpflichtung eines hochdekorierten Weltstars, dessen Marktwert bei satten 75 Millionen Euro liegt, selbstredend als absoluter Coup bezeichnet werden.
Es ist außerdem völlig logisch, was sich Real von seinem neuesten Statement-Transfer erhofft: Mit Dani Carvajal (33) befindet sich DER Rechtsverteidiger der letzten Dekade im fortgeschrittenen Fußballer-Alter. Zudem laboriert der Routinier noch immer an einem Kreuzbandriss und wird erst im Laufe der Sommerpause wieder in das Teamtraining der Madrilenen einsteigen. So war es Lucas Vazquez, der über weite Strecken der laufenden Saison auf der rechten Seite verteidigen musste.
Foto: Getty Images
Dass sich die Königlichen also auf die Suche nach Ersatz begaben und beim verfügbaren und wechselwilligen Liverpool-Star vorstellig wurden, ist alles andere als verwunderlich. Und trotz dessen herausragender Qualitäten muss folgende Frage erlaubt sein: Hilft Alexander-Arnold dem Real Madrid des Sommers 2025 überhaupt weiter?
Denn die Achillesferse und zeitgleich einer der Hauptgrunde dafür, dass der amtierende Champions-League-Sieger in diesem Jahr keinen großen Titel gewinnen wird, ist die horrende defensive Instabilität. Klar: Zu nicht unwesentlichen Teilen kann diese Misere auch mit den heftigen Verletzungsproblemen begründet werden.
Und trotzdem: Blickt man auf den aktuellen Real-Kader, so kann man die Spieler, die ihre Stärke in der Arbeit gegen den Ball haben, an nur einer Hand abzählen. Vor allem die offensiven Superstars wie Kylian Mbappe, Vinicius Junior und Jude Bellingham dürfen mit Fug und Recht als defensive Total-Verweigerer bezeichnet werden.
Es ist daher beibleibe kein Zufall, dass sich die Madrilenen in wettbewerbsübergreifend vier Spielen gegen den FC Barcelona insgesamt 16 und beim Königsklassen-Aus gegen den FC Arsenal fünf Tore einfingen. Auch 37 Gegentreffer in La Liga sind bei einem Blick auf die Konkurrenz definitiv keine rosige Ausbeute: Atletico und der Athletic Club kassierten nur 27 beziehungsweise 26 Tore. Und selbst der FC Barcelona, der unter Hansi Flick gewissermaßen eine moderne Version des „Voetbal total“ praktiziert, musste nur 26-mal hinter sich greifen.
Man kann es auch deutlich kürzer und prägnanter formulieren: Real Madrid, einst das Muster-Beispiel für Disziplin und resolute Arbeit gegen den Ball, hat ein fettes Defensiv-Problem!
Und führt man sich den Spielertypen Alexander-Arnold einmal genauer zu Gemüte, so kommt man zu folgendem Schluss: Die eine große Schwäche des Rechtsverteidigers ist ausgerechnet die klassische Verteidiger-Schule – defensives Stellungsspiel, Zweikampfverhalten, Antizipation und Kopfballstärke. In keinem dieser Bereiche ist der Rechtsfuß auf internationalem Top-Niveau. Im Gegenteil: Er ist sogar meilenweit davon entfernt.
Trotzdem gehört der gebürtige Scouser weltweit zu den besten Akteuren auf seiner Position. Er ist in sämtlichen anderen Bereichen des Spiels schlichtweg so gut, dass man die teils gravierenden Mängel in der Abwehrarbeit gut und gerne in Kauf nimmt. Nicht umsonst hat der FC Liverpool mit Alexander-Arnold in einer Schlüsselrolle gerade erst die beste Liga der Welt gewonnen.
Foto: Getty Images
Und der alte Grundsatz, wonach Weltklasse-Fußballer trotz eines auf dem Papier fehlenden Fits immer einen Weg finden, um gewinnbringend zusammenzuspielen, könnte natürlich auch bei Real gelten.
Dennoch ist es durchaus schleierhaft, wie man bei Analyse der aktuellen Probleme auf den Gedanken kommen kann, dass Alexander-Arnold das fehlende Puzzlestück ist, um das weiße Ballett nach der vielleicht enttäuschendsten Saison der jüngeren Vereinsgeschichte wieder in die Spur zu bringen.
Dieser Aufgabe annehmen wird sich aller Voraussicht nach Xabi Alonso. Der Spanier wurde bei Bayer Leverkusen bereits verabschiedet und befindet sich kurz vor einem Wechsel zu Real – ähnlich wie Alexander-Arnold soll Alonso schon bei der Klub-WM mit von der Partie sein.
In den vergangenen Jahren bewies der Weltmeister von 2010, dass er zu den vielversprechendsten Trainern der Welt gehört und insbesondere für in der Theorie weniger zusammenpassende Spieler-Konstellationen kreative Lösungen finden kann.
So formte er unter anderem Jeremie Frimpong, der in der Defensivarbeit ähnlich limitiert wie Alexander-Arnold ist, zu einem der umworbensten Rechtsverteidiger in Europa. Jener Frimpong wird bei Liverpool übrigens wohl in die Fußstapfen des vermeintlichen Real-Neuzugangs treten.
Natürlich: Der Niederländer ist ein grundlegend anderer Typ „Wingback“ und besticht vor allem durch immenses Tempo, gutes Gefühl für Tiefenläufe und einen immensen Zug zum Tor. Sein englischer Kontrapart gehört dagegen weniger zu den schnellsten, sondern viel eher zu den technisch besten Spielern auf seiner Position. Immer wieder schiebt Alexander-Arnold nach innen und nimmt im Spielaufbau seiner Mannschaft eine tragende Rolle ein. Zudem muss der Nationalspieler der Three Lions zu den besten Pass- und Flankengebern auf diesem Planeten gezählt werden. Auch als Standard- und Distanzschüsse reicht ihm kaum jemand das Wasser.
An all diesen Qualitäten werden sich in Zukunft auch die Madridistas erfreuen dürfen. Der 1,75-Meter-Mann wird im spanischen Starensemble auf Anhieb mitspielen können und der jetzt schon herausragenden Offensive eine weitere tödliche Waffe verleihen.
Aber wie bekommt Alonso die defensiven Schwächen seiner (neuen) Mannschaft in den Griff? In Leverkusen löste er dieses Problem, in dem er wenige Wochen nach seinem Amtsantritt auf eine Fünferkette umstellte und spätestens in der Meistersaison 2023/24 zu keinem Zeitpunkt mehr davon abwich. So konnte er die Anfälligkeit seiner Außenbahnspieler Alejandro Grimaldo und Jeremie Frimpong, die von drei gelernten Innenverteidigern abgesichert wurden, zu großen Teilen kaschieren.
Aber wird der 43-Jährige auch in Madrid einen zusätzlichen Abwehrspieler auf das Feld beordern und dafür einen seiner hochbegabten Offensivkünstler auf die Bank setzen? Es wäre in jedem Fall eine Maßnahme, die Alonso der stolzen Fan-Base von Real gut verkaufen müsste. Doch behält das Trainer-Talent die Viererkette bei und plant Alexander-Arnold als Stamm-Rechtsverteidiger bei, ist nicht davon auszugehen, dass der La-Liga-Zweite seine Gegentor-Flut in naher Zukunft den Griff bekommen wird.
So oder so schwingt bei diesem Transfer ein Gedanke mit: Real wird den Free Agent nicht in erster Linie verpflichten, weil er gut in den Kader passen oder irgendwelche Schwachstellen beheben würde. Viel eher wird Alexander-Arnold ein Königlicher, weil er eben ablösefrei und zeitgleich einer der größten Namen auf dem Markt ist. Dass es also zur Zusammenarbeit kommen wird, ist aus beiden Perspektiven mehr als nachvollziehbar.
Und dennoch lässt einen das Gefühl nicht los, dass es diesen Wechsel einfach nicht gebraucht hätte – weder aus fußballerischer noch aus fußballromantischer Sicht. Denn ein Trent Alexander-Arnold, der nach 30 Liverpool-Jahren seine Karriere an der Anfield Road beendet und dort zur größten Legende seit Steven Gerrard avanciert, hätte einfach charmanter angemutet als ein erzwungener Fit fernab der eigenen Heimat.
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