90min
·5. September 2024
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·5. September 2024
"Alles in allem scheinen die Voraussetzungen gegeben zu sein, damit der Frauenfußball aufblühen kann", heißt es in der Zukunfts-Studie "Football but better? Professional Women’s Football in Germany by 2031“, die von der WHU durchgeführt wurde. Dabei gaben 84 angesehene Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen des Fußballs ihre Einschätzung zu 14 Thesen, die sich mit Zukunftsszenarien des Frauenfußballs in Deutschland auseinandersetzen. Der Blick in die Glaskugel zeigt: Der Fußball der Frauen würde in der Bundesrepublik bis 2031 erheblich wachsen - ganz risikofrei ist das allerdings nicht.
Weltweit purzeln im Fußball der Frauen aktuell die Rekorde - von Zuschauerzahlen bis hin zu Transfersummen. Die Expertinnen der Delphi-Studie prognostizieren für die nächsten sieben Jahre eine Fortsetzung dieses Trends: Die Anzahl der Fans in Deutschland könnte bis 2031 verdreifacht werden. Schlüssel hierfür sei es, eine jüngere Zielgruppe - vornehmend Generation Alpha und Z - anzusprechen und Personen, die bisher wenige Berührungspunkte mit Fußball haben, zu binden. Dafür spräche auch eine scheinbar immer gleichberechtigter werdende Gesellschaft, das Momentum durch den aktuellen "Hype" sowie eine stärkere Online-Präsenz des Frauenfußballs. Um diese Steigerung zu erreichen, müsse die Leistung der Teams allerdings konstant bleiben und Erfolge eingefahren werden. Manche Expertinnen bewerten das Szenario als zu optimistisch.
Eine weitere Verdreifachung sehen die Fachleute möglicherweise beim Sponsoringwert. Eine erhöhte Medienpräsenz und attraktive Zielgruppen könnten Sponsoren und Investoren anlocken, wodurch die Renditen aus den Sponsorings steigen und mehr Geldgeber in den Sport investieren wollen. Das könnte neue Türen öffnen, auch was den Zugang zu Spielerinnen betrifft.
Auch halten es die Expertinnen für möglich, dass im Laufe der nächsten sieben Jahren alle Bundesliga-Spielerinnen professionell werden und von ihrem Gehalt leben können. Das würde logischerweise das Niveau und die Qualität Deutschlands höchster Spielklasse steigern. Allerdings sehen manche dieses Ziel als zu ambitioniert und für manche Teams finanziell noch nicht stemmbar.
Zudem könne sich bis 2031 das Stadion-Erlebnis im Frauenfußball grundlegend vom Männerfußball unterscheiden. Diese Entwicklung ist jetzt schon beobachtbar: Mehr Authentizität und Nahbarkeit, eine inklusivere Community und weniger Aggressionen prägen den Stadionbesuch im Frauenfußball. Gegen diese Prognose könnte die zunehmende Kommerzialisierung und nötigen Investments sprechen.
Das realistischste Szenario der Studie würde sogleich den Untergang der Frauenfußball-Ikonen SGS Essen und Turbine Potsdam bedeuten: In den nächsten sieben Jahren könnten die reinen Frauenfußball-Vereine von den großen Klubs mit Frauen- und Männerteams verdrängt werden. Integrierte Vereine hätten möglicherweise Wettbewerbsvorteile durch Synergien und finanzielle Unterstützung, wodurch sich die Frauenfußball-Klubs langfristig nicht halten könnten. Regularien könnten hierbei Abhilfe schaffen und die Vereine schützen.
Trotz dieser durchaus positiven Szenarien ist laut den Autoren der Studie "der Gesamttrend ernüchternd". Das bisherige Interesse am Frauenfußball konzentriere sich nur auf wenige Vereine in den großen Ligen. Die finanzielle Kluft würde zwischen reinen Frauenfußball-Teams und Mannschaften, die ein gestandenes Männerteam im Rücken haben, nur weiter vergrößern. "Allzu optimistische Schlagzeilen über Rekordzahlen täuschen darüber hinweg, dass die wirtschaftliche Basis des Frauenfußballs vergleichsweise gering bleibt", heißt es weiter. Für viele Teams sei der Fußball der Frauen immer noch ein Nebengeschäft.
Die Fachleute raten den Verantwortlichen, ihre Frauenteams nicht als zusätzliche zweite Garde zu sehen, sondern ihnen die Möglichkeit geben, ihre eigene Identität und Unabhängigkeit aufzubauen. Dazu seien auch Vorabinvestitionen notwendig, "um die richtigen Weichen zu stellen und das volle Potenzial des Frauenfußballs auszuschöpfen", sagt Sascha Schmidt, Autor der Studie, im Deutschlandfunk-Interview. Bis 2031 könnten Profi-Klubs Synergien zwischen den Geschäftsfunktionen der Männer- und Frauenteams hergestellt haben. Ein Risiko hierbei aber sei die zu große Abhängigkeit der Frauen von den Erfolgen der Männer. Zudem sei es eher "unwahrscheinlich und unerwünscht", dass die Mehrheit der Frauen-Bundesliga-Teams in Zukunft von Investoren unterstützt wird.
Es wird sich zeigen, ob die Expertinnen und Experten mit ihren Einschätzungen richtig liegen. Im nächsten Jahr steht mit der Europameisterschaft in der Schweiz das nächste große Event im Fußball der Frauen an. Vielleicht kann sich der viel beschworene Hype und Boom dort noch weiter festigen und den Frauenfußball in Europa auf das nächste Level pushen.