feverpitch.de
·20 May 2025
Schon Jugendliche setzen im Wettbüro

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·20 May 2025
Ein mir bis dato unbekannter Wettanbieter erschien neulich auf einem Social-Media-Profil der Hartplatzhelden. Angeboten wurde mir eine Wette auf die Partie der Bremer Verbandsliga TV Eiche Horn gegen BTS Neustadt. Die Vereine standen auf dem sechsten bzw. neunten Platz, fernab von Gut und Böse. Es ging um die berühmte Goldene Ananas.
Ich gehe davon aus, dass beide Vereine seriös arbeiten und genug sportlichen Ehrgeiz haben, um im Spiel alles zu geben. Horn gewinnt klar mit 3:1, erhält kurz vor Schluss noch eine gelb-rote Karte, alles ganz normal.
Ich habe keinerlei Affinität zu Wetten. Allerdings gab es in Berlin und anderswo schon deutlich unwichtigere Partien auf dem Wettzettel. Sogar auf Jugendspiele kann man Geld setzen! Hin und wieder gibt es Gerüchte um Manipulationen. Nachzuweisen war bisher nichts. Aber wenn im Landespokal der ersten Runde die Kreisligisten FC Niemandsland und Fortuna Irgendwo aufeinandertreffen, wissen beide, dass sie die zweite Runde kaum überstehen werden, schon gar nicht Pokalsieger werden.
Vor ein paar Jahren spielten wir mit dem FC Internationale in Runde 1 gegen einen Oberligisten, der Gerüchten zufolge heute seine Spieler nicht bezahlen kann. Aber das ist eine andere Geschichte. Auf das Spiel konnte gewettet werden. Beide Teams witzelten, wie leicht es wäre, reich zu werden. Wir haben dann doch anständig mit 1:5 verloren, aber halten immer alle der Verlockung stand?
Wie hoch die Zahl der Spielsüchtigen im Fußball ist, lässt sich nicht genau sagen. Fachleute sind jedenfalls entsetzt. 1,3 Millionen Menschen in Deutschland gelten als spielsüchtig; weitere 3,2 Millionen Menschen sind gefährdet. Die Dunkelziffer dürfte weit darüber liegen.
Etwa 24 Prozent der in Deutschland vom Portal Statista befragten Menschen haben in den letzten 12 Monaten vor der Umfrage eine Wette zu einem Sportereignis platziert. Das heißt: Jeder Vierte gibt sein Geld im Wettbüro aus, ob online oder direkt vor Ort, und hält sich für einen Fußballexperten. Wir haben das vor einigen Jahren mal bei unseren A-Jugendlichen abgefragt. Alle hielten sich für Fachleute, nahezu alle kannten sich erstaunlich gut mit Wetten aus. Es versteht sich, dass sie das alles nur über Freunde wussten.
Kein Wunder, dass diese dubiose Branche sich so viele Sponsoringaktivitäten leisten kann. Der DFB hat gleich zwei Wettanbieter als Partner, ein unhaltbarer Zustand. Ein Verband sollte sich nicht von Firmen abhängig machen, die das Geschäft mit der Sucht seiner 7 Millionen Mitglieder betreiben und versuchen, diesen das Geld aus der Tasche zu ziehen, dabei viele in den Ruin treiben.
Zu moralisch? Wohl kaum! Wer sich auf den Amateurplätzen tummelt, kriegt schon bei Jugendlichen mit, dass diese Geld in Wettbüros schleppen. Das ist nicht legal, aber es findet sich immer ein Erwachsener, der den Wettschein besorgt. Böse Zungen behaupten, diese Leute hätten gar eine Verbindung zum Geschäft. Kaum zu glauben, oder?
Wett- und Glücksspielanbieter sponsern gern Fußballtrikots, die „Branche“ steht nach dem Einzelhandel schon an zweiter Stelle. Fußball dominiert den Markt der Sportwetten, weit vor Basketball. Mit negativen Folgen für viele Kicker, meistens sind es Männer, die der Sucht verfallen.
In den Niederlanden sind ab der Saison 2025/26 Sponsoringverträge mit Sportwettenanbietern in der Eredivisie verboten. Übergangsfristen sollen eine schrittweise Umsetzung ermöglichen. Die Maßnahme ist Teil einer umfassenden Neuregulierung des Glücksspielmarkts, die auch Online- und Social-Media-Werbung stark einschränkt. Bei uns war nur ein Bundesligist, der VfL Bochum, in dieser Saison ohne Glücksspielpartner, aber Gespräche sollen auch dort laufen.
Der DFB und die DFL täten zusammen mit der neuen Bundesregierung gut daran, Sportwetten zu verbieten, zumindest das Sponsoring zu untersagen. Zu viele Menschen, ob Profis oder Amateure, geraten in katastrophale Abhängigkeiten. Man kann neben dem Ergebnis auch auf Einwürfe, Karten oder Fouls wetten. Für den Amateurfußball heißt das, mit großer Wahrscheinlichkeit werden Spiele manipuliert, ob von Aktiven, von Trainern, Funktionären oder Schiedsrichtern. Auch wenn das ein Tabuthema ist, es muss auf den Tisch. Aber selbst dann ist nur schwer etwas nachzuweisen.
Gegen Ende der Saison gibt es ohnehin genug merkwürdige Ergebnisse, gerade in den unteren Ligen. Letzten Sonntag unterlag in der Verbandsliga ein Team mit 0:17 – in der höchsten Berliner Liga! Wobei das wohl eher Abschenken als Manipulation war. Dennoch: Wir sollten die Menschen nicht unnötig in Versuchung führen. Sonst wenden sich viele anständige Leute vom Fußball ab. Diese brauchen wir aber unbedingt.