MillernTon
·03 de janeiro de 2025
MillernTon
·03 de janeiro de 2025
Mit Abdoulie Ceesay hat der FC St. Pauli einen talentierten Spieler aus der estnischen Liga verpflichtet. Ein Rohdiamant?(Titelfoto: FC St. Pauli)
Man kann nicht behaupten, dass der FC St. Pauli unter der Leitung von Andreas Bornemann ein Club sei, der für eine konservative Transferpolitik bekannt ist. Nicht selten hört man den Namen des neu verpflichteten Spielers zum allerersten Mal. So dürfte es vielen bei der Verpflichtung von James Sands gegangen sein. Und so dürfte es auch vielen bei Abdoulie Ceesay gehen, dessen Name erst ein paar Tage vor dieser Verpflichtung mit dem FC St. Pauli in Verbindung gebracht wurde. Ein Name, der hoffentlich irgendwann sehr bekannt ist. Die Voraussetzungen dafür sind zumindest vorhanden. Ceesay wird in wenigen Tagen, am 05. Januar, 21 Jahre alt. Ein Alter, in dem sich viele Profis längst einen Namen gemacht haben. Doch Ceesay macht in Europa erst seit wenigen Monaten auf sich aufmerksam. Dafür aber mit Nachdruck.
Abdoulie Ceesay machte seine ersten Schritte als Profi im Trikot von Real de Banjul. Der Club ist Serienmeister der höchsten Liga in Gambia. Statistiken zu seiner Zeit dort konnten wir tatsächlich nicht auftreiben, nur einzelne Zahlen (im Mai 2024 erzielte er dort fünf Treffer in vier Partien). Ceesay spielte bei Banjul aber nur bis Sommer 2024. Seitdem war er an den estnischen Club Paide Linnameeskond ausgeliehen. Ein Wechsel von Gambia nach Estland klingt ungewöhnlich, ist er aber nicht. Real de Banjul und Paide Linnameeskond haben eine Partnerschaft und im Rahmen dessen ist Ceesay bereits der neunte Spieler gewesen, der genau diesen Weg antrat. Diese Partnerschaft ist vermutlich auch der Grund, warum der FC St. Pauli erklärt, dass man an Paide Linnameeskond eine Ablöse gezahlt habe (und nicht an Real de Banjul, weil er von dort ja nur verliehen war). Wie auch immer: In Estland hinterließ er in wenigen Monaten mächtig Eindruck.
Die Zahlen sind äußerst bemerkenswert: Abdoulie Ceesay erzielte in der estnischen Liga in 15 Einsätzen satte 13 Treffer, legte fünf weitere auf. Hinzu kommen drei Treffer in sechs Qualispielen für die UEFA Conference League (unter anderem gegen BS Häcken, die ja auch gegen den 1. FC Heidenheim spielten) und ein Treffer in zwei Pokalspielen für Paide. Der Club beendete die Saison (läuft im Kalenderjahr) auf Platz drei. Daran hatte Ceesay mit seinen Treffern einen nicht unbedeutenden Anteil.
Den Lohn für den durchaus eindrucksvollen Start seiner Fußballkarriere in Europa gab es dann in der Heimat: Abdoulie Ceesay wurde vor wenigen Monaten erstmals für die gambische A-Nationalmannschaft nominiert. Dort erzielte er in seinem dritten Einsatz bereits seinen ersten Treffer (zum 1:0-Erfolg gegen Tunesien). Spätestens seit diesem Premierentreffer dürfte der Name Abdoulie Ceesay zumindest in Scoutingkreisen nicht mehr unbekannt gewesen sein. Bei Paide Linnameeskond sowieso nicht, dort wurde er nämlich zum Spieler des Jahres gewählt. Und nun, nach gerade einmal einem halben Jahr in der estnischen Liga, wechselt er in die Bundesliga. Ein wahnsinnig rasanter Aufstieg.
Bei all dem, was folgt, muss beachtet werden, dass es nur überschaubar viele Spielminuten gibt, die zur Bewertung von Abdoulie Ceesay genutzt werden können. Rund 1.500 Minuten stand er für Paide auf dem Platz. Das ist ziemlich wenig. Die Statistiken und auch die auf der intensiven Sichtung von Videos basierenden Einschätzungen sind also mit Vorsicht zu genießen. Sie zeigen aber Vielversprechendes: Ceesay gehörte in der estnischen Liga zu den besten Mittelstürmern, wenn es um die Erschaffung von Torchancen ging, überzeugte sowohl mit dem eigenen Abschluss (mehr Tore als nach xG wahrscheinlich), legte aber auch einige Bälle auf. Seine größte Stärke, so zeigen es die Zahlen und auch der visuelle Eindruck, ist das direkte Duell.
Kern-Statistiken von Abdoulie Ceesay der Saison 2024, dargestellt als Perzentile im Vergleich zu allen Mittelstürmern der höchsten Liga Estlands. (Erklärung: Die Länge des dunkel gefärbten Teils des Pizzastücks zeigt, wie viele Prozent der anderen Spieler auf dieser Position schlechtere Werte oder oder maximal den gleichen Wert haben. Komplett dunkel heißt: Keiner ist besser. Zudem sind die Absolutwerte in Zahlen angegeben.)
Zwar ist Abdoulie Ceesay „nur“ 1,85m groß, besticht aber durch seine Physis. Er ist ein schneller Spieler, der eine gewisse körperliche Robustheit mitbringt und auch in Kopfballduellen alles andere als chancenlos ist. Bemerkenswert sind die technischen Fertigkeiten von Ceesay, sowohl in Sachen Abschluss, als auch im Dribbling und beim Verteilen von Bällen. Entsprechend kann er als Mittelstürmer, als torgefährlicher Wandspieler agieren, er ist aber auch recht kreativ und kann somit auch aus tieferen Positionen gute Aktionen haben. Klingt also nach einem „kompletten Stürmer“? Ja, so ist es. Ceesay vereint die dafür notwendigen Eigenschaften, um diese Rolle auszufüllen. Es fragt sich nur, auf welchem Niveau (vor allem in der Zukunft) und wie oft während eines Spiels.
Wenn ihr Lust habt, diesen Transfer richtig abzufeiern, dann schaut euch gerne eines der Highlight-Videos von Abdoulie Ceesay an. Da bekommt man richtig Bock auf seine Zeit beim FC St. Pauli. In den Videos sind aber natürlich nur erfolgreiche Ballaktionen zu sehen. Dabei muss beachtet werden, dass Ceesay längst nicht jede Ballaktion gelingt. Seine Dribblings sind richtig stark und ganz sicher werden einige seiner Aktionen auch in der Bundesliga kaum zu verteidigen sein. Doch insgesamt ist die qualitative Streuung seiner Aktionen extrem breit und könnte in der Bundesliga auffällig in beide Richtungen sein. Besonders sein Passspiel ist anfällig, die Ablagen flippern manchmal ziemlich bedenklich herum. Dabei mangelt es ihm aber eher an Sicherheit als an den technischen Fertigkeiten. Etwas, was mit der Zeit (und mit professionellen Trainingsbedingungen) deutlich verbessert werden kann. Sowieso ist so eine Streuung normal für junge Spieler und Ceesay erfüllt damit das Profil, für das das Wort „Rohdiamant“ im Fußballjargon erfunden wurde, ziemlich perfekt. Sicher ist bei ihm wie auch anderen Rohdiamanten: Ohne deutliche Verbesserungen in einigen Bereichen wird Abdoulie Ceesay keine Verstärkung für den FC St. Pauli sein.
Das Global Soccer Network hat uns eine Einschätzung zu Abdoulie Ceesay geschickt. Demnach zählen sein Torabschluss, das Dribbling sowie die Kreativität zu seinen Stärken. Zudem könne Ceesay gut antizipieren, ist antrittsschnell und auch auf Strecke vorne mit dabei sowie ein sehr aktiver Stürmer. Nachholbedarf gibt es beim ersten Kontakt, der Entscheidungsfindung (besonders unter Gegnerdruck) und im Defensivverhalten. Die Einschätzung von GSN deckt sich also weitesgehend mit dem visuellen Eindruck von Ceesay. Sein aktueller GSN-Index liegt bei 61,2 (unterdurchschnittlicher Bundesligaspieler), sein möglicher GSN-Index bei 70,5 (internationale Klasse). Das zeigt: Abdoulie Ceesay verfügt sicher über großes Potenzial.
Sicher ist auch, dass die Bundesliga einen wirklich extrem großen Sprung für Abdoulie Ceesay bedeutet. Die Stärke der estnischen Liga ist laut dem Opta Power Ranking irgendwo zwischen der 3. Liga und der Regionalliga in Deutschland anzusiedeln. Eine hohe Fehlerquote, eine längere Pause (die Saison in Estland endete im November), ein bisher vermutlich eher semi-professionelles Training und dazu das deutlich höhere Level beim FC St. Pauli – es darf bei Abdoulie Ceesay nicht davon ausgegangen werden, dass er eine Soforthilfe für das Team sein kann. Allein schon um den Spieler vor überzogenen Erwartungen zu schützen.
Doch wie schnell die Entwicklung eines Spielers voranschreiten kann, zeigte sich beim FC St. Pauli unter anderem am Beispiel von Elias Saad. Der kam im Winter 22/23 aus der Regionalliga und war bereits im April 2023 kaum noch aus der Startelf wegzudenken. Doch Saad startete „nur“ in der 2. Liga durch, nicht in der Bundesliga und Probleme eines Umzugs (neue Stadt/Land, neue Sprache, neue Kultur etc.) gab es bei ihm nicht, was für Ceesay aber zutreffen kann, was wiederum eine längere Eingewöhnungszeit (und ein höheres Risiko) bedeuten könnte.
So ist dieser Transfer ganz sicher auch mit einer Menge Risiko behaftet. Eines, welches der FC St. Pauli eingehen muss, wenn er Spieler verpflichten möchte, denen eine sehr große Zukunft prophezeit wird. Alexander Blessin erklärte in der Medienrunde zu Jahresbeginn: „Wir müssen uns schon auf so Länder wie Estland spezialisieren. Wenn ein Spieler zum Beispiel in Belgien eine gute Saison hat, dann ist er für uns nicht mehr bezahlbar. Die kosten dann einfach fünf oder acht Millionen Euro, das ist hanebüchen, das geht einfach nicht. Deshalb müssen wir uns auf solche Länder wie Estland fokussieren.“ So muss der FCSP also andere Wege finden, um Spieler zu verpflichten, denen man zutraut, auch mal ganz große Schritte zu machen. Und dieser Weg führt dann eben nicht nach Belgien, sondern nach Estland.
Die rasante Entwicklung von Abdoulie Ceesay ist bemerkenswert. Seine physischen Eigenschaften und aufblitzenden Fähigkeiten sind es ebenfalls und man muss aufpassen, dass man nicht anfängt, in Superlativen zu denken. Denn es müssen noch einige Schritte kommen, ehe er eine Hilfe für den FC St. Pauli sein kann. Entsprechend ist ein Wintertransfer sinnvoll, wie er zum Beispiel auch bei Elias Saad und Erik Ahlstrand umgesetzt wurde. Damit kann Ceesay behutsam an das Team, die Liga und das Leistungsniveau herangeführt werden. Andreas Bornemann traut Ceesay eine schnelle Entwicklung zu: „Er ist noch jung und hat sich bei seinen bisherigen Stationen stets schnell an das jeweilige Niveau angepasst. Deswegen sind wir überzeugt, dass er auch bei uns schnell die Schritte geht, um sich für Einsätze in der Bundesliga zu empfehlen.“
Wie das mit Abdoulie Ceesay und dem FC St. Pauli jetzt laufen wird? Nahezu alles ist denkbar: Er kann voll einschlagen und in zwei Jahren für eine Fantasiesumme der Rekordtransfer des Clubs werden und/oder zu Erfolgen schießen. Oder er kann sang- und klanglos wieder verschwinden. Dieser Transfer besitzt ein überschaubares Risiko, weil er sich finanziell in einem aushaltbaren Rahmen bewegen dürfte. Dafür ist er aber auch eine große Wundertüte. Die Vorzeichen (und der subjektive Eindruck) erlauben es, dass man sich beim FC St. Pauli darauf freuen darf, diese zu öffnen.
Herzlich Willkommen am Millerntor, Abdoulie Ceesay!// Tim
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